# taz.de -- Kolumne Eben: Dialektik des Rumnervens
       
       > Studenten nerven. Das ist ihr Job. In der Hysterie um das
       > „Münkler-Watch“-Blog aber wird der aufmüpfige Student zum Bombenleger
       > gemacht.
       
 (IMG) Bild: Blink. Blink. Achtung, Achtung! Bombenleger-Studis in der Vorlesung
       
       Studenten nerven. Rumnerver könnte sogar ihre standardisierte
       Profilbeschreibung sein. Richtig schlimm nerven sie dann, wenn sie glauben,
       ein Naturrecht auf Ermäßigung zu haben und dafür bis vor UN-Sondergerichte
       gehen, wenn ihnen Schwimmbäder und Busfahrer den vollen Eintrittspreis
       abknöpfen wollen.
       
       Sie nerven aber vor allem, weil sie Besserwisser, Klugschwätzer, Rechthaber
       sind, weil sie sticheln und pieksen und bohren und ständig alles in Frage
       stellen. Besonders nerven sie aber natürlich, wenn sie auch noch so was wie
       links sind. Dann kommt zum permanenten Fingerschnipsen, das mal auf der
       Suche nach Anerkennung, mal auf der Suche nach Erkenntnis ist, auch noch
       der Sound der Werkstoragitation, der dem Statuseintrag als Rebell im
       Getriebe staatlicher Institutionen möglichst viele Likes bescheren soll.
       Das kann verdammt nerven, zumal in den vergangenen Jahren, in denen der
       fingerschnipsende Widerspruch schon bei der Ansprache einer Person beginnt.
       
       Das allerdings, was linke Studenten in der vergangenen Woche über sich
       lesen mussten, war nicht Genervtheit. Es war Hysterie, eine, die der um den
       „langhaarigen Bombenleger" aus dem Deutschen Herbst starke Konkurrenz
       macht.
       
       ## Denunzianten und Feiglinge
       
       Der Professor für politische Theorie, Herfried Münkler schmähte die
       Betreiber des [1][„Münkler-Watch"-Blogs], in dem ihm „Extremismus der
       Mitte" [2][vorgeworfen wird], als „Denunzianten" und „Feiglinge". Seine
       Verteidiger, das kann man überall nachlesen, fanden das auch und warfen den
       Watchdogs in ihren Berichten vor, gar keine Studenten zu seien, sondern nur
       „angebliche", „vermeintliche", „behauptete". „Trotzkisten" und „Blockwart"
       hatte der Professor die Wächter genannt, „Linksextreme" hießen sie dann in
       der Presse.
       
       Die wusste, dass „Linksextreme" auf Plattformen wie [3][Indymedia]
       unterwegs sind, wo [4][„Mordaufrufe und Bombendrohungen"] verbreitet
       würden. Nicht schlecht. Schlechter recherchiert eigentlich nur der
       Verfassungsschutz, wenn es um Rechtsextreme geht. Das Grimme-Institut hatte
       Indymedia noch für den Förderungspreis Medienkompetenz nominiert, die
       Mordaufrufe haben die sicher übersehen.
       
       Wie würden die Leute genannt werden, wenn herauskäme, dass hinter denen,
       die das Blog „Münkler-Watch" betreiben, ordentlich eingeschriebene, also
       Gebühren zahlende und stinknormale, nicht mit Bomben drohende und zu Mord
       aufrufende, inhaltlich und begrifflich vielleicht nicht besonders präzise
       Studenten stecken?
       
       Kann man ernsthaft denken, dass ein Dutzend Studierende einen in der
       Öffentlichkeit auf größten Podien sprechenden Professor in seiner freien
       Meinungsäußerung bedrohen und die Aufzeichnung seiner Vorlesungen mit
       Mordaufrufen vergleichen?
       
       Aus dieser Hysterie spricht wohl eher die eigene Anst, dass eventuell
       irgendwas auch nicht ganz ok ist mit den eigenen Vorstellungen von Welt,
       Geschlecht, Krieg, Kapitalismus und Angel Merkel. Man ist ganz froh, wenn
       Akademiker den Job übernehmen, die Welt, wie sie ist, so in Frage zu
       stellen, wie es gerade der Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaftler
       Joseph Vogl vorzeigbar tut.
       
       ## Asymmetrische Theorien
       
       Sand im Getriebe aber lässt sich nicht gut vorzeigen. Das knirscht, das tut
       weh. Man kann dieses Wachhundprinzip und vor allem seine polizeiliche
       Reflexhaftigkeit - wer Carl Schmit zitiert, ist Fascho, wer Witze über
       gegenderte Sprache macht, Sexist - falsch und nervig finden. Man kann das
       nervtötende Kläffen aber auch zum Anlass nehmen, mal genauer hinzugucken,
       was die eigentlich für politische Theorie zuständigen deutschen Lehrstühle
       derzeit so an asymmetrischen Theorien zu bieten haben.
       
       Adorno - ebenfalls nicht zimperlich mit Faschismusvergleichen für
       aufmüpfige Studenten - hatte es auch mit inhaltlich und begrifflich nicht
       sonderlich präzisen Studenten zu tun. Wenn sie es arg trieben, rief er auch
       schon mal die Polizei. Und es gibt bis heute Leute, die behaupten, dass
       Adorno [5][an den Folgen des „Busenattentats" starb].
       
       Nun, man kann sich über allerlei aufregen und daran sterben. Aber würde es
       nicht eine Pflichtverletzung der Rumnerver sein, würden sie einem Professor
       für kritische Theorie und dialektisches Denken die Dialektik des Dekollétes
       vorenthalten? Eben.
       
       18 May 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://hu.blogsport.de/muenkler-watch/
 (DIR) [2] /Ein-Watchblog-fuer-den-Professor/!159852/
 (DIR) [3] http://de.indymedia.org/
 (DIR) [4] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/attacken-gegen-professoren-muenkler-und-baberowski-13596126.html
 (DIR) [5] http://www.welt.de/kultur/article4316315/Streit-um-Busenattentat-auf-Theodor-W-Adorno.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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