# taz.de -- AC/DC-Konzert in Hannover: Grandioser Blödsinn
       
       > Wer AC/DC stumpf nennt, hat gar nichts verstanden. In Hannover
       > katapultieren sie sich zielsicher in einen Zustand gesteigerter
       > Derangiertheit.
       
 (IMG) Bild: Beim Auftritt: Angus Young spielt Musik und Hörnchen.
       
       Das Publikum, das die Parkhäuser vor dem Messegelände überflutet, fährt
       gern SUV, Kombi, Transporter, Kleinbus. Man brauchte den Platz, als die
       Kinder kamen. Selbstredend sind AC/DC ein Mehrgenerationenprojekt, die
       haben ihre Hunderte von Millionen Alben nicht nur den mittlerweile gut
       gesettelten Altrockern verkauft. Frühpubertäre Kuttenträger, Kleinkinder
       mit Mickymäusen auf den Ohren, sogar Hipster – alle sind sie da.
       
       Aber das gut 75.000 Menschen zählende Wimmelbild prägen eben doch die
       Herbstzeitlosen, Graubärte, Knittergesichter. Einer von ihnen bin ich.
       Auffällig viele lebenszeitbedingte Mönchstonsuren sieht man hier,
       Frisurenrudimente oder gleich, weil nichts mehr half, Radikalschnitte.
       Immerhin, ein gutes Viertel des Publikums ist weiblich, und das hat
       irgendwie besser gelernt, damit umzugehen.
       
       Ein bisschen Karnevalstimmung blitzt hier und da auch auf. Einige haben
       sich als Angus verkleidet, in einer gefakten Schuluniform, mit kurzen
       Hosen. Auf diversen Köpfen blinken die notorischen Teufelshörnchen, die
       später im Dunkeln so romantisch leuchten. Statt Feuerzeugen. Das ist es
       unter anderem, was man an dieser Band immer geliebt hat – AC/DC hatten nie
       einen Feuerzeugsong im Programm.
       
       Whiskey Foundation heißt die erste Vorband. „Der Name gefällt mir schon
       mal“, sagt der Nebenmann. Und nach einer Dreiviertelstunde uraltem, aber
       zeitgenössischem Blues Rock gefällt ihm nicht nur der Name. Es folgen die
       ziemlich großartigen Vintage Trouble, die Otis Redding mit einer harten
       Rockband souverän verschmelzen und den Mob trotz norddeutschen
       Schietwetters bei Laune halten.
       
       ## ... nach den Vorbands
       
       Schließlich reißen die Wolken auf. Und die Show beginnt – mit einem
       Mondlandungsvideo. Aber was müssen die Astronauten sehen? Ein
       AC/DC-Schriftzug brennt sich durchs Gestein und startet durch ins All,
       vorbei an Whole Lotta Rosie, dem Rock ’n’ Roll Train, um dann irgendwo mit
       großem Bums einzuschlagen.
       
       Das ist genau die übertrieben infantile Bildsprache, die Brian Johnson vor
       vielen Jahrzehnten in die Texte eingeführt hat. Ein grandioser Blödsinn,
       der nichts anderes sein will als grandios und blödsinnig. Und dann kommt
       auch schon das trockene, abgestoppte Erkennungsriff von „Rock Or Bust“, dem
       Titelsong des neuen Albums, das hier und jetzt in den Abendhimmel geblasen
       auf einmal eine Überzeugungskraft besitzt, mit der man fast nicht gerechnet
       hat.
       
       Wenn es jemals Bedenken gegeben haben sollte, ohne Malcolm Young könne
       etwas fehlen, dann werden sie durch die ersten beiden Riffdurchläufe
       vollends zerstreut.
       
       Stevie Young, Malcolms Neffe, der gesichtsälteste heute Abend, nicht nur
       auf der Bühne, sondern auf dem ganzen Gelände, bekommt seine Zeit auf den
       Videowänden. Er wird hier nicht als Ersatzmann geführt, er ist der neue
       Rhythmusgitarrist und darf denn auch Malcolms alte, zerschundene Gretsch
       spielen, der die beiden vorderen Tonabnehmer rausoperiert wurden. Einer hat
       immer schon gereicht – und dass er weiterhin reicht, ist wohl symbolisch zu
       verstehen.
       
       ## Hauptattraktion sind die Songs
       
       Die kleineren und größeren Gimmicks, die seit Jahrzehnten zum Livespektakel
       gehören, wie die aufblasbare Wuchtbrumme bei „Whole Lotta Rosie“, die
       „Hell’s Bells“-Glocke und die Kanonen bei „For Those About To Rock“, sie
       alle werden abgerufen – und dennoch zeigt sich wieder einmal, wie
       zweitrangig sie sind.
       
       Und auch Angus, dauergrimassierend, sinnlos schnappend wie ein Fisch auf
       dem Trockenen, ist zwar die aufmerksamkeitsheischende Lichtgestalt auf der
       Bühne, immerhin lässt er mittlerweile seine Hose an, aber immer noch nicht
       die Hauptattraktion. Das sind einmal mehr die Songs, diese aufs
       Allernötigste runtergestrippten, scheinbar simplen, die kalkulierte
       Reduktion aber allemal trickreich umspielenden Riffbretter. Wer AC/DC
       stumpf nennt, hat nichts, aber auch gar nichts verstanden.
       
       Ein AC/DC-Konzert ist vielleicht am ehesten vergleichbar mit einer
       Kampfsportveranstaltung. Man sieht dabei zu, wie sich die Dramatis Personae
       im Laufe des Abends langsam, aber todsicher in den Zustand gesteigerter
       Derangiertheit hineinarbeiten. Bei AC/DC hat das noch eine weitere
       Dimension, weil sie schon ziemlich derangiert beginnen – und den vielen
       zerdellten Lebensläufen vor der Bühne stellvertretend beweisen, dass man es
       trotz allem immer noch bringt.
       
       ## Unbedingtes Durchhalten
       
       Angus’ schweißnasses Hemd hängt irgendwo, in seinem Gesicht spiegelt sich
       Apathie, der Stoizismus des unbedingten Durchhaltens. Brian Johnson pfeift
       nach der Hälfte des Konzerts auf dem letzten Loch, er macht so gut wie gar
       keine Ansagen, weil es nicht mehr geht, weil er gar keine Sprechstimme mehr
       hat, nur noch die AC/DC-Stimme, dieses heisere, kehlkopfschreddernde
       Kreischen, das mit zunehmender Dauer des Auftritts immer stärker an
       quietschende Bremsen erinnert.
       
       Und nach jedem Song gehen sie in ihre Ringecke, zum Drumpodest, wo die
       Erfrischungen stehen, wo sie kurz verschnaufen können, bis der
       unerbittliche Chris Slade die nächste Runde einläutet. Es ist ein
       heroischer Kampf, voll Schmerzen und Pathos, und erst wenn am Ende die
       Kanonen knallen, ihnen zu Ehren, ist alles gut. For those about to Rock, we
       salute you! Amen, verdammt noch mal.
       
       22 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
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