# taz.de -- Debatte Saudi-Arabien und der Iran: Riads Albtraum
       
       > Nachdem sich die USA dem Iran angenähert haben, fürchtet das benachbarte
       > Saudi-Arabien die Konkurrenz einer neuen Regionalmacht.
       
 (IMG) Bild: Gut gelaunt, aber der saudische König, hier mit US-Außenminister John Kerry, ist über das Iran-Abkommen nicht erfreut.
       
       Der saudische König Salman war einer der Ersten, die US-Präsident Barack
       Obama nach dem erfolgreichen Abschluss der Wiener Atomverhandlungen mit dem
       Iran noch von Bord der Präsidentenmaschine aus anrief.
       
       Die Reaktion des Königs jedoch war eher reserviert. Man hoffe, dass der
       Iran sich in der Region nicht weiter einmische, hieß es. Und ein Sprecher
       des Königshauses ließ wenig später wissen: Da der Iran nun einmal ein
       Nachbar sei, hoffe sein Land, die Beziehungen in allen Bereichen auf der
       Basis guter Nachbarschaft zu verbessern.
       
       Dies sieht nicht wie der Beginn einer entspannten Beziehung zwischen den
       beiden Ländern aus. Zumal die belastet ist durch die Detonationen
       saudischer Luftangriffe im Jemen, von fieberhaften – aber bisher
       erfolglosen – Bemühungen Riads und Ankaras, in Syrien eine islamistische
       Opposition gegen das Assad-Regime aufzubauen, die nicht mit den Milizen des
       „Islamischen Staates“ kooperiert, und schließlich dem Versuch Riads, sich
       mit der Hamas zu versöhnen. Zum ersten Mal seit Jahren wurde der
       palästinensische Hamas-Chef Chaled Meschal vom saudischen Königshaus
       empfangen, obwohl dieses spätestens seit der Machtübernahme des Militärs in
       Ägypten die Muslimbruderschaft ablehnt und verurteilt – und also auch die
       aus ihr hervorgegangene Hamas.
       
       Es ist recht blauäugig, da von der Hoffnung auf gute nachbarschaftliche
       Beziehungen zu sprechen: Die saudischen Angriffe im Jemen werden in Riad
       mit der iranischen Unterstützung für die schiitischen Huthi-Rebellen
       begründet, das Assad-Regime ist seit vielen Jahren mit dem Iran liiert und
       deswegen den Saudis ein Dorn im Auge, und die Hamas erfreut sich – obwohl
       selbst sunnitisch – der Unterstützung durch die Schiiten in Teheran.
       
       ## Schiiten als Ketzer verachtet
       
       Natürlich gibt es auch noch andere Gründe für die Feindseligkeiten zwischen
       Riad und Teheran, aber es geht doch jedes Mal auch um den Zwist zwischen
       Schiiten und Sunniten – vor allem in der ultrakonservativen Form des
       saudischen Wahhabismus. Dieser erkennt die Schiiten nicht einmal als
       Muslime an, sondern bezeichnet sie als Ketzer.
       
       Dasselbe tut der selbsternannte „Islamische Staat“, zu dem Riad freilich
       jede Verbindung leugnet. Das Königshaus lässt die wahhabitischen Führer
       gewähren, weil es sich so die Unterstützung durch die Bevölkerung sichert.
       Und es sind die wiederkehrenden Verdächtigungen und Anfeindungen gegen den
       Iran, die diese Bevölkerung hinter dem Königshaus sammeln und gegen die
       schiitischen „Ungläubigen“ aufbringen sollen.
       
       Der Hauptverdacht ist dabei: Der Iran wolle seinen Einfluss im Nahen und
       Mittleren Osten ausweiten und unter den Mullahs verwirklichen, wovon der
       Schah einst geträumt hatte, nämlich die regionale Großmacht zu werden.
       
       Und nun quält dieser Albtraum Riad, und es ist auch nicht abwegig zu
       vermuten, dass der Atomstreit zwischen Teheran und – vor allem – dem Westen
       den Saudis ganz recht war. Der Widersacher auf der Ostseite des Persischen
       Golfes wurde nicht mehr nur noch von George W. Bush als Teil der „Achse des
       Bösen“ bezeichnet und behandelt. Und die Sanktionen gegen Teheran hinderten
       den Iran am Export von Öl und selbst am Zugriff auf Ölgelder auf
       ausländischen Konten.
       
       ## Verhandlungen als Verrat
       
       Riad erwies sich im Gegenzug als zuverlässiger Öllieferant, der sogar
       darauf verzichtete, den Wegfall des iranischen Konkurrenten für
       Preissteigerungen auszunutzen. Umso härter traf es die Führung in Riad, als
       nach der Wahl von Hassan Rohani zum iranischen Präsidenten 2013 die bis
       dahin stagnierenden Verhandlungen über das Atomprogramm an Bedeutung
       gewannen. Dass die USA nach Jahrzehnten der Feindschaft nun mit dem Iran
       verhandelten, erschien den Saudis geradezu als Verrat: Washington war nicht
       bereit, ihr bisheriges Wohlverhalten zu honorieren. Riad zog also
       Konsequenzen.
       
       König Salman hatte, als er die Nachfolge des Anfang des Jahres verstorbenen
       Königs Abdullah angetreten hatte, zwar verkündet, er werde dessen Linie
       fortsetzen. Er hielt sich jedoch nicht daran.
       
       Die Rolle Saudi-Arabiens im Jemen, in Syrien und gegenüber der Hamas
       veränderte sich, und es wurde immer deutlicher, dass Riad seinen
       Führungsanspruch in der Region entschlossener durchzusetzen begann. Wobei
       das Königshaus geflissentlich darüber hinwegsah, dass es sich nun selbst
       massiv in die internen Angelegenheiten der Staaten der Region einmischte
       und ebendieser eigene Vorwurf gegenüber dem Iran dadurch entkräftet wurde.
       
       Ein Vorwurf, der ohnehin nie logisch begründbar war, denn die
       Einflussmöglichkeiten des schiitischen Iran sind in der überwiegend
       sunnitischen Region nun einmal begrenzt. Und auch der Traum vom Export der
       „Islamischen Revolution“ ist nur begrenzt realisierbar.
       
       ## Teheran reagiert auf Riad
       
       Auf den neuen Kurs Riads reagierte Teheran zunächst mit Hohn, etwa auf die
       Ernennung des kaum 30-jährigen Königssohns Prinz Mohammed bin Salman zum
       Verteidigungsminister und damit zum Verantwortlichen für die Angriffe im
       Jemen.
       
       Der „Oberste Führer“ des Iran, Ajatollah Chamenei, mokierte sich, in
       Saudi-Arabien hätten „unerfahrene Jünglinge die Staatsgeschäfte übernommen
       und ersetzen nun Würde mit Barbarei“.
       
       Obgleich eine Polemik, könnte diese Aussage doch verdeutlichen, dass
       Saudi-Arabien sich verrannt hat und der Krieg im Jemen im Iran als sinn-
       und wirkungslose Einmischung wahrgenommen wird. Auch das Königshaus treibt
       die Konfrontation mit dem Iran zumindest verbal voran und gesteht ein, dass
       es kaum etwas mehr fürchtet als die neue Rolle des Iran, die sich aus dem
       Atomabkommen ergeben könnte. Die Rolle nämlich einer ernst zu nehmenden
       Macht, mit der die Welt einmal wird rechnen müssen, wenn es darum geht,
       Krisen in der Region zu begegnen.
       
       Zugegeben: Bis dahin dürfte es noch ein recht weiter Weg sein, aber die
       ersten Schritte sind bereits getan. In Teheran wie in Riad. Besonders aber
       in Washington, wo es um mehr als nur die Krönung der Amtszeit Obamas geht,
       nämlich um den überfälligen Kurswechsel gegenüber Teheran.
       
       Der Iran auf der anderen Seite tut sich noch schwer damit, dem Atomabkommen
       eine Öffnung gegenüber Washington – und nicht nur geldgierigen
       Geschäftemachern aus aller Welt – folgen zu lassen.
       
       28 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Philipp
       
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