# taz.de -- Die Wahrheit: Automatentod
       
       > Wenn der Pfandrückgeber den Kunden im Getränkemarkt piepend und fiepend
       > den Krieg erklärt, dann hilft nichts mehr – nur noch die Pumpgun.
       
 (IMG) Bild: Da chillt er noch: Der Hitchbot auf Vancouver Island.
       
       Es piept. Sobald ich dieses Piepen höre, läuft der Countdown zu meiner
       Gewaltfantasie. Ich stehe mit drei Bierflaschen im Getränkemarkt vor dem
       Automaten für die Pfandrückgabe. Hinter mir hat sich bereits eine kleine
       Schlange gebildet. Da wartet ein Rentner mit Leergut auf der Ladefläche
       seines Rollators. „Geht wieder nix! Da kennt sich doch keiner mehr aus!“,
       schimpft er und sucht zur Bestätigung meinen ausweichenden Blick. Dabei hat
       er recht.
       
       Ich mag Cola Zero, es ist die E-Zigarette unter den Softdrinks. Der Automat
       mag sie auch, er hat die Flaschen alle gern geschluckt. Die erste
       Bierflasche aber hat er mir nach prüfendem Geruckel und Gerolle auf seinen
       gummierten Laufbändern kommentarlos wieder ausgespuckt. Jetzt streikt er
       und macht sich mit panischen Geräuschen bemerkbar. Sein
       benutzerfreundliches Farbdisplay leuchtet gelb: „Bedienung rufen!“ Es
       piept.
       
       Es piept ein mannshoher T-705 der norwegischen Marke Tomra. An Tomra sind
       auch die Banker von JP Morgan beteiligt. Zufälle gibt’s! Das Nachbargerät
       streikt schon länger, jetzt fiepen und winseln beide Automaten um die
       Wette. Als Freund elektronischer Musik ergötze ich mich vorübergehend am
       leicht versetzten Zusammenklang ihrer minimalistischen Akkorde. Ein Brian
       Eno auf Speed hätte das komponiert haben können. Oder ein depressiver
       Philip Glass. Der Rentner tritt von einem Bein aufs andere, schaut sich um
       und ruft ins Ungefähre: „Hallo? Kommt da mal einer?“
       
       Aus dem Ungefähren ruft die einzige Bedienung zurück: „Ja-haa! Nur die
       Ruhe! Komme doch gleich!“ Der Verkäufer war eben schon da, es hat nicht
       geklappt, er ist alleine im Laden – unterstützt nur von seinen unkündbaren,
       gleichwohl aber ebenfalls nicht sozialversicherungpflichtigen
       Blechkollegen. Gehetzt bedient er die drohende Schlange an der Kasse.
       Gerade öffnet er zum dritten Mal in Folge das automatische
       Altersschutzgesetzrollgitter vor den Zigaretten, es schnurrt mit
       aufreizender Langsamkeit nach oben.
       
       Ich beuge mich ein wenig vor, als könnte ein Blick in den Schlund des T-705
       hier irgendwie die Dinge voranbringen. Mir atmet ein abgründiger Geruch
       entgegen, der jeden Trinker schlagartig zur Besinnung bringen müsste. Nun
       stehe ich hier schon wie ein Bittsteller seit zehn Minuten in meinem
       Schweiß, um mir von einem stinkenden Roboter für meine drei Bierflaschen
       einen Bon in Höhe von exakt 45 Cent auszahlen zu lassen. Das ist der
       Fortschritt. Uns geht’s gut. Wir sparen, wo wir nur können. Besser leben.
       Es piept.
       
       Und jetzt geht’s los. Mit einem wütenden Ruck löst sich der Automat aus
       seiner Verankerung. Putz rieselt, Mauersteine knirschen und zerbröseln. Mit
       rotierenden Kanonen verwandelt der transformierte T-705 die Regale in
       splitternde Wolken aus umherschwirrendem Glas und verdampfendem Apfelsaft,
       Rotwein, Bier. Und Blut, überall Blut. Auf dem Display leuchtet: „Bedienung
       töten!“ Auf meiner Flucht hinaus kommt mir der Verkäufer mit einer Pumpgun
       entgegen: „Nur die Ruhe“, sagt er: „Das haben wir gleich!“
       
       31 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arno Frank
       
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