# taz.de -- der rechte rand: Rechte Gewalt auf Demonstrationen
       
       Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die
       Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord
       beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich. 
       
       In den Göttinger Polizei-Bulletins zum Aufmarsch der NPD in Göttingen am
       29. Oktober 2005 tauchen die Angriffe nicht auf. Auch gegenüber der Presse
       erwähnte Göttingens Polizeipräsident Hans Wargel die gewalttätigen
       Übergriffe der militanten NPD-Sympathisanten nicht. Gleich nach dem
       Aufmarsch in der niedersächsischen Universitätsstadt griffen Neonazis
       jedoch mehrmals linksalternative Jugendliche an. Die Fakten hätten nicht
       vorgelegen, sagt ein Polizeisprecher. Außerdem sei eine „andere
       Dienststelle zuständig“.
       
       Die rechte Gewalt auf Demos geht immer wieder von Ordnern mit
       NPD-Parteibuch aus. Seit Jahren leitet beispielsweise NPD-Mitglied Manfred
       Börm aus Handorf bei Lüneburg einen Ordnertrupp, der Parteiveranstaltungen
       und aufmärsche absichern soll. „Wir ermitteln wegen gefährlicher
       Körperverletzung in drei Fällen“, bestätigt die Northeimer Polizei auf
       Nachfrage der taz. Da die Täter noch nicht genau bestimmt seien, möchte der
       Ermittler nichts zu deren Parteifunktion sagen.
       
       Nach Darstellung der Northeimer Polizei fielen die Neonazis kaum dreißig
       Minuten, nachdem der Regionalzug nach Northeim Göttingen verlassen hatte,
       über eine junge Frau her. Sie übergossen die 17-Jährige mit Bier und
       schlugen sie. Mit einer schweren Knieverletzung musste sie ins Krankenhaus.
       Am Northeimer Bahnhof ging die Gruppe von etwa 45 Neonazis dann weiter
       gegen linksalternativ aussehende Jugendliche vor. In einer Unterführung
       sprühten sie einem jungen Mann Reizgas ins Gesicht. Wenige Minuten später
       fragten Rechte zwei Jugendliche: „Seid ihr bei der Demo gegen den
       Neonaziaufmarsch gewesen? Wenn ja, dann habt ihr jetzt ein Problem.“ Als
       die Jugendlichen über die Gleise flohen, warfen die Neonazis Steine
       hinterher. Einen trafen sie am Kopf, so dass er medizinisch behandelt
       werden musste. Schlimmeres verhinderte ein zufällig anwesender Polizist
       außer Dienst und ein Feuerwehrmann. Die Polizei traf erst später mit drei
       Beamten ein.
       
       Die „Antifaschistische Linke Internationale“ wirft nun der Polizei vor, die
       Personalien der Rechten nicht festgestellt zu haben. Die Beamten sollen
       erklärt haben, es sei nichts geschehen, um den Zugbetrieb nicht länger
       aufzuhalten. Der Staatsschutz wertet nun Videoaufnahmen vom Bahnhof und
       Zeugenaussagen aus.
       
       Nicht zur Verhandlung gekommen ist bisher ein Fall im
       schleswig-holsteinischen Steinburg. Dort schlugen am 4. Dezember 2004
       NPD-Ordner auf Anweisung von Börm auf Gegendemonstranten ein, die bei der
       NPD-Veranstaltung zur schleswig-holsteinischen Landtagswahl Steine geworfen
       hatten. Als ein Rechter mit einem Stuhl auf eine am Boden liegende
       Demonstrantin einschlagen wollte, gab ein Zivilbeamter zwei „Signalschüsse“
       ab. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen.
       
       Auch gegen Manfred Börm, Jahrgang 1950, wurde ermittelt. Den Behörden ist
       das NPD-Bundes- und Landesvorstandsmitglied bekannt: Ende der 1970er-Jahre
       machte der heutige Bauunternehmer an einem Überfall auf das Nato-Lager
       Bergen-Hohn mit. Wegen Beteiligung an einer „kriminellen Vereinigung“ wurde
       Börm im „Bückeburger Prozess“ 1978 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach
       der Haft blieb er seiner Gesinnung treu, wie der Verfassungsschutz betont.
       Als „Gauleiter“ führte er in Niedersachsen die Wiking-Jugend mit an, welche
       1994 wegen „Wesensverwandtschaft“ zur Hitler-Jugend verboten wurde.
       
       Die Verurteilung schadete weder Börms politischer noch beruflicher
       Karriere. In seinem Betrieb bildet er Maurer aus. „Er hat immer wieder
       einen Lehrling“, weiß die Kreishandwerkskammer. Die Ausbildungserlaubnis
       könne aber nicht so einfach entzogen werden. Beschwerden seien bei ihnen
       auch noch nie eingegangen.
       
       7 Nov 2005
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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