# taz.de -- Die Wahrheit: Lustiges Löwenschießen
       
       > Höges Tierwelt: Das Ende der Monarchie wurde längst eingeläutet. Was
       > heute nicht spricht, ist nicht mehr königlich, sondern Freiwild.
       
 (IMG) Bild: Der König ist tot – es lebe das Katzenartige.
       
       Mit den Löwen passieren seltsame Sachen und das nicht erst seitdem jüngst
       „Welt-Löwen-Tag“ war. Es fing schon mit der Französischen Revolution an:
       1792 erlaubte die Nationalversammlung eine Fortexistenz der königlichen
       Menagerie nur unter der Bedingung, dass der Löwe nicht mehr als „König der
       Tiere“ firmieren durfte. Ab da gehörte er bloß noch zu den „Katzenartigen“,
       ansonsten änderte sich nicht viel für den Löwen in Paris. Der
       Revolutionshistoriker Jules Michelet träumte jedoch zur gleichen Zeit
       davon, die gefangen gehaltenen Löwen wie die Sklaven zu befreien – und
       ihnen die wahre Naturgeschichte vorzutragen.
       
       2002 berichtete der Spiegel: „Der Tod des einäugigen Löwen Marjan im Zoo
       der afghanischen Hauptstadt Kabul hat Tierfreunde in aller Welt
       erschüttert. Er hatte die Invasion der Sowjetunion, den Bürgerkrieg, die
       Taliban und zuletzt die US-Bombenangriffe überlebt. Das Tier kam 1974 mit
       Hilfe des Kölner Zoos nach Kabul. Als vor einiger Zeit ein Taliban-Kämpfer
       in den Käfig kletterte, um seine Tapferkeit zu beweisen, fraß Marjan ihn.
       Der Bruder des Taliban warf daraufhin eine Granate auf ihn, weshalb er am
       Ende halb blind und lahm sein Dasein fristete.“
       
       Aber seit 2014 hat der Zoo in Kabul wieder einen neuen Löwen. Dazu die
       Welt: „Er fristete ein trostloses Dasein auf dem Dach einer Luxusvilla in
       Kabul – nun ist der Löwe Mardschan die Attraktion im Tierpark. Ein
       afghanischer Geschäftsmann hatte vor einem Jahr für 20.000 Dollar das Junge
       gekauft. Die Raubkatze hauste auf seinem Palast, ansonsten vernachlässigte
       er das Löwenjunge sträflich. Die Tierschutzbehörde nahmen es schließlich in
       Obhut. Diese Woche präsentierte der Zoo den wieder aufgepäppelten Löwen als
       neue Attraktion.“
       
       ## Der Zahnarzt hat es getan
       
       Jetzt, im Sommer 2015, sorgt ein Löwe in Zimbabwe für Schlagzeilen: Cecil.
       Der 13-jährige Rudelführer war die Attraktion des „Hwange National Parks“ –
       bis er Ende Juni von einem US-Großwildjäger erschossen wurde. 2009 war
       Cecil mit seinem Bruder in einen Kampf mit einem anderen Rudelführer
       geraten, wobei er verwundet und sein Bruder getötet wurde. Aber auch ihr
       Gegner war verletzt worden – so schwer, dass die Parkranger ihn schließlich
       erschossen. Cecil hatte sich derweil in einen anderen Teil des Parks
       zurückgezogen, wo er ein eigenes Rudel „erwarb“ und sich mit einem Löwen
       namens Jericho anfreundete. Ihre zwei Rudel umfassten zuletzt sechs
       Weibchen und ein Dutzend Kinder.
       
       Cecil hatte man 1999 einen GPS-Chip unter die Haut transplantiert, seit
       2008 wurde sein Leben von Zoologen der Oxford University wissenschaftlich
       begleitet. Er war an die Nähe der Menschen gewohnt, mit dem Auto konnte man
       sich ihm bis auf zehn Meter nähern, ohne dass er unruhig wurde. Das machte
       ihn laut Wikipedia „so populär“.
       
       Der Zahnarzt und Hobbyjäger Walter Palmer, der Cecil erschoss, zahlte
       angeblich 50.000 Dollar an den Jagdwild-Vermittler Theo Bronkhorst, um
       Cecil zu töten. Dazu wurde der Löwe mit Fleisch aus dem Nationalpark heraus
       und auf ein Privatgelände gelockt, das einem Einheimischen namens Honest
       Ndlovu gehörte. Dort schoss Palmer mit Pfeil und Bogen (dpa spricht von
       einer Armbrust) auf Cecil, wobei er ihn verwundete. Erst 40 Stunden später
       fand er ihn im Busch, wo er den Löwen erschoss. Anschließend trennte er
       Cecils Fell und seinen Kopf ab.
       
       Während Palmer sich kürzlich von den USA aus für seine Tat entschuldigte,
       wurden seine einheimischen Helfer festgenommen. Der Generalstaatsanwalt von
       Zimbabwe fordert die Auslieferung von Palmer. In den USA forderten
       inzwischen über 100.000 Menschen ebenfalls seine Auslieferung an Zimbabwe.
       Cecils Tod sei eine „vermeidbare Tragödie“ gewesen, die den Bedarf an
       strengeren Gesetzen verdeutliche, meinte ein demokratischer Senator im
       US-Kongress. Das für Artenschutz zuständige US-Innenministerium schlug vor,
       den afrikanischen Löwen als gefährdete Art einzustufen.
       
       ## Mit Kamerafallen auf die Pirsch
       
       Absurderweise wurden und werden in Zoos jedoch immer wieder viele Jungtiere
       getötet, weil die Löwen sich auch in Gefangenschaft fleißig vermehren – und
       es nicht genug Abnehmer für Nachwuchs gibt. Für die frei lebenden Löwen,
       die immer weniger werden, ebenso wie die ihnen zur Verfügung stehenden
       Freiflächen, gilt wenigstens in Zimbabwe nun, dass die Großwildjagd rigoros
       verboten wird.
       
       Das Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie fand jetzt
       einen zivilisatorischen Kompromiss, dem die Doppelbedeutung von „shoot“ –
       Erschießen und Filmen – zugrunde liegt. Die Forscher hatten in den letzten
       Wäldern einiger westafrikanischer Staaten „Kamerafallen“ aufgestellt. Diese
       lieferten ihnen 7.000 Stunden Material. Sie werden von den Wissenschaftlern
       in kurze Sequenzen aufgeteilt und ins Netz gestellt. Und dann sollen wir
       (User) uns einzelne Teile davon angucken und all jene Stellen markieren, wo
       ein Schimpanse durchs Bild läuft. Ihn sozusagen virtuell erschießen.
       
       Die Primatenforscher müssen dann nicht das ganze Material alleine sichten,
       wir „Citizen-Scientists“ leisten die Vorarbeit für sie. Als eine Art
       Treiber, um, wie es heißt, „neue Erkenntnisse über die Lebensweisen und
       Vorkommen wild lebender Schimpansen in unterschiedlichen Lebensräumen“ zu
       gewinnen. Die Leipziger versprechen sich davon „Hinweise zur Entstehung des
       modernen Menschen.“ Also, wie wir wurden, was wir sind.
       
       24 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Helmut Höge
       
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