# taz.de -- heute in hamburg: „Bodenhaftung gewinnen“
       
       > BETEILIGUNG In sozial benachteiligten Stadtteilen sinkt die
       > Wahlbeteiligung besonders, was tun?
       
       taz: Herr Zicht, sind Wahlen nur noch etwas für die akademisch ausgebildete
       Mittel- und Oberschicht?
       
       Wilko Zicht: Leider ja. Wenn die Wahlbeteiligung sinkt, dann sinkt sie
       nicht gleichmäßig, sondern vor allem bei den sozial Schwachen. Für das
       Wahlergebnis ist das eine Katastrophe, weil es sozial nicht mehr
       repräsentativ ist.
       
       Mehr als 24.000 Stimmzettel waren bei der vergangenen Landtagswahl in
       Hamburg ungültig. Wie könnte das vermieden werden? 
       
       Man kann besser aufklären, auf welchen Stimmzettel wie viele Kreuze
       gehören. Fast zwei Drittel der ungültigen Stimmen ließen sich mit
       sogenannten Heilungsregeln retten.
       
       Heilungsregeln? 
       
       Stimmzettel mit eindeutigem Wählerwillen sind dann nicht mehr komplett
       ungültig, nur weil zehn statt fünf Kreuze gemacht wurden.
       
       Besonders stark sank die Wahlbeteiligung in den bildungs- und
       finanzschwachen Stadtteilen. Ist das neue Hamburger Wahlrecht zu
       kompliziert?
       
       Nein, wir beobachten das gleiche Phänomen auch bei Bundestags- und
       Europawahlen. Eine sinkende Wahlbeteiligung liegt zum Beispiel daran, dass
       viele Leute nicht mehr das Gefühl haben, eine Landtagswahl wäre für ihr
       persönliches Leben wichtig. Die Parteien sind nicht mehr so stark
       voneinander zu unterscheiden. Sie müssen mehr Mut entwickeln, konträre
       Positionen zu vertreten. Viele Leute haben außerdem das Gefühl, dass die
       Politiker selbst dank Globalisierung nicht mehr handlungsfähig sind.
       
       Liegt die Verantwortung bei den Parteien? 
       
       Ja, sie müssen sich öffnen und mehr Bodenhaftung gewinnen. Das Wahlrecht
       schafft Anreize, kann die Parteien aber nicht zwingen.
       
       Was muss passieren, damit die BürgerInnen wieder erreicht werden? 
       
       Das neue Wahlrecht würde besser funktionieren, wenn sich die Hamburger
       Parteien darauf einlassen würden. Momentan verweigern sie sich dem
       innerparteilichen Wettbewerb und drehen immer wieder an dem Wahlrecht. So
       kann es die gewünschten Effekte nicht entfalten.
       
       Interview: Larissa Robitzsch
       
       „Wählen zukünftig nur noch die Wohlhabenden?“: Podiumsdiskussion mit
       Parteienforscher Lothar Probst, Niklas Im Winkel (Bertelsmann Stiftung),
       Hamburgs Vize-Landeswahlleiter Oliver Rudolf und Wilko Zicht: 18 Uhr,
       Rathauspassage
       
       17 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Larissa Robitzsch
       
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