# taz.de -- Formen des Klimaprotests: Ganz in Weiß
       
       > Was wirkt wie eine Ode an den Malermeister, ist weit mehr: Der
       > geschlechtslose Wanderanzug in Weiß ist unter Blockier*innen en vogue.
       
 (IMG) Bild: Dem Blockiererkostüm werden beste Chancen eingeräumt, einer der Frühjahrstrends 2016 zu sein.
       
       Es war der Laufsteg ihres klaren Understatements, eine Kulisse der
       Natürlichkeit, viel fokussierter konnotiert, viel schüchterner
       kontextualisiert als die schrille Zeitgeistigkeit eines Karl Lagerfeld und
       seiner Jünger, wenn sie in Paris Prêt-à-porter präsentieren – mit ihren
       schrillen Haschmichs im Hintergrund und einsamen, mageren Kätzchen im
       Vordergrund.
       
       Links und rechts dieses sehr deutschen Modeschaulaufs: Herbstbraunes
       Wildgras (siehe Foto) in der Mitte die stolze Linie eines Trampelpfads im
       Tagebau Vereinigtes Schleenhain, Braunkohlerevier Mitteldeutschland. Hier
       wird präsentiert, was im Trend liegt: Ein leichter Stoff, vom Kopf bis zu
       den Füßen multifunktional, gebrauchsfertig, mit großer Beinfreiheit und
       einer Schutzkapuze. 100 Prozent Propylen. Das ist das Blockiererkostüm.
       
       Die Ganzkörperkleider, Marke Malerbedarf, wirken uneitel, fast wie eine Ode
       an den Streicher. Doch inzwischen sorgt der geschlechtslose Wanderanzug,
       dessen betonte Weiße zu einer gewissen Form friedfertiger Aufmüpfigkeit
       inspirieren soll, selbst in Paris für Aufsehen, meist in Kombination mit
       einer dezenten Atemmaske, einer sich subversiv gebenden Politisierung sowie
       einer Schuhmode, die sich ganz der Funktionalität verschrieben hat.
       
       Gleich in mehreren Schauen wurde der Modegruß in den vergangenen Tagen in
       Deutschland präsentiert: Im Schleenhain, nahe Leipzig, sowieso. Aber auch
       am Kraftwerk Niederaußem, im rheinischen Braunkohlerevier, ketteten sich
       rund 20 Kenner gar zusätzlich mit Ketten aneinander. Am Montag besetzten
       weitere von ihnen einen Abraumbagger in Jänschwalde und eine
       Kohletransportbrücke in Welzow-Süd, beides im Kohlerevier Lausitz. Sie alle
       vereinte ihr zeitlos weißer Chic, koloriert mit markigen Botschaften wie:
       „Digger, hier ist Ende Gelände!“ und „Hier wird das Klima verhandelt!“
       
       ## Die Konturlosigkeit des Anzugs
       
       Sicher, es soll mit dieser erschwinglichen Einstiegsmode auch auf eine
       gebrauchsfertige Alternative zu den modisch eher lahmen Signalen aus Paris
       verwiesen werden, wo derzeit wieder in besonderer Dichte der zeitlose
       Herrenanzug dominiert.
       
       Polypropylen, 1954 erstmals von Karl Rehn synthetisiert, tauge dagegen
       hervorragend, um etwa in grundsätzlich abzuschaffenden Braunkohelrevieren
       übergroße Körperverschmutzungen zu vermeiden, sagen die Fürsprecher; der
       Anzug garantiere zudem ein gewisses Maß an Anonymität in einem Kollektiv,
       das bedacht sei, das Gemeinsame stets zu betonen. Drittens wirke die
       weißliche Farbgebung, im Gegensatz zum einst beliebten, aber doch schroff
       wirkenden Kleiderschwarz der achtziger Jahre weniger angsteinflößend.
       
       Und viertens, so sagt einer, der den Anzug trägt, sei es ein besonderer
       Reiz, den vermeintlich mit Bauarbeiterklischees konnotierten, im Volksmund
       verachteten Maleranzug mit einer neuen Form der Geschlechtslosigkeit zu
       füllen: „Die Konturlosigkeit dieses Anzugs“, sagt er, „hat etwas
       Befreiendes.“
       
       Und so wird deutlich, warum dem Blockiererkostüm auch unter den
       Frühjahrstrends 2016 beste Chancen eingeräumt werden. Dann wollen zu
       Pfingsten Tausende Menschen ins Lausitzer Braunkohlerevier strömen. Es wird
       ein Schaulaufen werden, auch mit weiteren Uniformierten. Aber die
       Trendsetter kommen, sagen sie, ganz in Weiß.
       
       8 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Ende Gelände!
 (DIR) Lausitz
 (DIR) Braunkohle
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Anonyme Aktivistin gegen Braunkohle: Zwei Monate Knast für Klimaprotest
       
       Braunkohle namenlos attackiert: Die Frau, die ihren Namen verschweigt, hat
       einem Polizisten einen blauen Fleck verpasst.
       
 (DIR) Nach den Klima-Protesten in Paris: Drei Monate Haft für Demonstranten
       
       Vor Beginn der Klimakonferenz kam es, trotz Verbot, zu Protesten – und zu
       teils gewalttätigen Ausschreitungen. Dafür gab es nun harte Haft- und
       Geldstrafen.
       
 (DIR) Umweltaktivismus im arabischen Raum: Der Klima-Frühling
       
       Die Revolutionsbewegungen haben vielen Aktivisten Mut gemacht. Sie
       engagieren sich für die Umwelt – oft unter schwierigen Bedingungen.
       
 (DIR) Kommentar Klimakonferenz in Paris: Protest im Zeichen des Terrors
       
       Demoverbote, Razzien und Hausarreste gegen den Klimaprotest: Der Einsatz
       von Antiterrorgesetzen gegen Aktivisten stärkt Demokratiefeinde.
       
 (DIR) Proteste zur Klimakonferenz: Tränengas im Märchenpark
       
       Paris sollte ein Happening der Umweltbewegungen werden. Dann wurden alle
       Demonstrationen verboten. Wie protestiert es sich im Notstand?