# taz.de -- Millionen-Steuerschuld in Bremen: Mann mit Verbindungen
       
       > Unternehmer Holger Stark machte Millionen, indem er Medien half,
       > Tarifvorschriften zu umgehen, ging pleite und hinterließ einen Berg
       > Steuerschulden.
       
 (IMG) Bild: Sparten bei den Zeitungsausträgern: Stark-Unternehmensgruppe.
       
       BREMEN taz | Der vertrauliche Teil einer Sitzung eines Haushalts- und
       Finanzausschusses dient eigentlich dazu, dass die Exekutive gegenüber der
       Legislative Rechenschaft ablegen kann und muss – über Dinge, die nicht
       sofort in der Zeitung stehen sollten. Am vergangenen Mittwoch wollte ein
       Bremer Bürgerschaftsabgeordneter von der Finanzsenatorin wissen, warum
       eigentlich der Stark-Unternehmensgruppe über Jahre Steuerschulden in
       Millionenhöhe gestundet worden sind.
       
       Solche Fragen des staatlichen Handelns fallen unter das Steuergeheimnis,
       also fragte der Abgeordnete nur, ob die Behörde in solchen hypothetischen
       Fällen üblicherweise mit dem Instrument einer Betriebsprüfung klärt, ob mit
       dem Steuergeld nicht nur eine Insolvenzverschleppung versucht werden soll.
       
       Nein, keine Antwort. Auf keine Nachfrage. Die Senatorin will nichts sagen.
       Behörden geben Parlamentariern ungern Antwort und da spielt es auch
       keinerlei Rolle, dass die Finanzsenatorin Karoline Linnert ein grünes
       Parteibuch hat und der Angeordnete Klaus-Rainer Rupp eines der Linken.
       
       Im Jahr 2014 war die Stark-Unternehmensgruppe zusammengebrochen, ein
       Geflecht von 27 Firmen in 15 Städten mit mehr als 800 Mitarbeitern, über
       deren interne Geldflüsse offenbar auch der Kopf der Gruppe, Holger Stark,
       72, den Überblick verloren hatte.
       
       „Mediendienstleistungen“ waren das Geschäft von Holger Stark, in diversen
       Städten half er den örtlichen Zeitungsunternehmern bei der Ausgliederung
       von Abteilungen. Im Klartext: Wollten Medienunternehmer die tariflichen
       Bindungen unterlaufen oder starke Betriebsräte loswerden – Stark war zu
       Diensten.
       
       In Hamburg, Bremen und bis hinunter nach Nürnberg trugen Stark-Mitarbeiter
       Zeitungen aus, besorgten in den Druckereien die Beilagen-Verteilung oder
       waren wie im Fall Bremen komplett verantwortlich für die
       Anzeigenakquisition. Natürlich mischte sich Stark nicht in das operative
       Geschäft ein, das besorgten die Unternehmen selbst.
       
       In Bremen etwa war der Anzeigenleiter mit Sekretärin und Schreibtisch
       komplett zu der Stark-Tochterfirma SKC übergewechselt. Und dann wieder
       zurück, als Stark Insolvenz anmelden musste. Als nicht alle
       Anzeigen-Mitarbeiter zu der Stark-Tochter wechseln wollten, gab es parallel
       zu der Ausgliederung Dutzende von Verfahren des Weser-Kurier-Verlages vor
       dem Arbeitsgericht.
       
       Die Dienstbarkeit des Holger Stark gegenüber Medienhäusern mag erklären,
       warum in den Zeitungen so wenig über die Pleite steht. In Bremen etwa
       berichtete der lokale Weser Kurier zunächst gar nicht, sondern beeilte sich
       im Sommer 2014, sein Anzeigengeschäft geräuschlos von der
       Stark-Tochterfirma wieder in das eigene Unternehmen zurückzuholen.
       
       Erst nachdem Radio Bremens örtliches TV-Magazin „Buten & Binnen“ Anfang
       Februar 2016 berichtet hatte, musste auch der Weser Kurier nachziehen –
       ohne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, welche Geschäfte man selbst mit
       Stark gemacht hatte. Die Steuerstundung hatte das Stark-Unternehmen in
       einer Zeit gerettet, als der Weser Kurier noch dick im Geschäft mit der
       Stark-Tochter SKC war.
       
       Dieser Bericht lenkte davon mit einem leicht vibrierenden Skandal-Unterton
       ab: Die grüne Finanzsenatorin persönlich habe die Steuerstundung für die
       Stark-Holding mit Sitz in Bremen genehmigt, das werfe ihr jedenfalls einer
       der Anwälte vor.
       
       Diesen Vorwurf gegen Linnert hätte der Weser-Kurier mit einer eigenen
       Recherche überprüfen und aus der Welt schaffen können: Bei einem
       Konkurs-Verfahren hatte eine Mitarbeiterin des Finanzamtes vor Gericht
       gesagt, „die Senatorin“ habe die Steuerstundung gebilligt – damit aber
       nicht die Senatorin persönlich gemeint, sondern deren Behörde. Die
       Senatorin persönlich versichert, sie halte sich aus Prinzip und immer schon
       aus Steuersachen heraus.
       
       Die Details der Steuer-Geschichte werfen die Frage auf, wie so etwas
       möglich ist. Normalerweise stundet das Finanzamt die Steuern für ein paar
       Monate im laufenden Jahr, bei Stark war das anders: Seit 2004 hatte die
       Gruppe ihre Steuern immer wieder nicht fristgerecht zahlen können.
       
       Ab dem November 2010 bis durchgehend zur vorläufigen Insolvenzverwaltung im
       April 2014 führte Stark für keinen einzigen Monat die von ihren Kunden an
       sie gezahlte Umsatzsteuer pünktlich ab. In dieser Zeit wurde für Beträge in
       Millionenhöhe Ratenzahlung gewährt.
       
       „Als im Juni 2011 die vereinbarten Raten auf die Rückstände zusätzlich zu
       den säumigen Umsatzsteuervorauszahlungen nicht gezahlt wurden, wurden die
       Gesamtrückstände nicht fällig gestellt und vollstreckt“, heißt es in einem
       Schriftsatz eines empörten Insolvenzverwalters, „sondern statt dessen eine
       zweijährige Stundung rückständiger Umsatzsteuer in einer Größenordnung von
       damals geschätzt € 3 Mio. ohne Sicherheiten bis zum 27.09.2013 vereinbart.“
       
       Die Insolvenzverwalter sind sauer, weil das Finanzamt sich kurz vor
       Toreschluss 3,5 Millionen Euro durch Beschlagnahme gesichert hat – und die
       anderen Gläubiger nun leer auszugehen drohen. Sie sprechen von Beihilfe zur
       Insolvenzverschleppung.
       
       Vor dem Amtsgericht Bremen, bei dem er mit einem Porsche vorfuhr und
       dennoch angab, auf Sozialhilfe-Niveau zu leben, ist Holger Stark im Januar
       dieses Jahres wegen Insolvenzverschleppung in zwei Fällen und
       Beitragsvorenthaltung in 148 Fällen verurteilt worden – zu einer
       Freiheitsstrafe von 17 Monaten auf Bewährung.
       
       Für seine Unternehmen hat sich Stark offenbar weniger interessiert als für
       die Status-Symbole seines Reichtums. Er liebte teure Autos, soll einen
       McLaren Mercedes SLR besessen haben, den er 2014 an seinen Sohn verkaufte,
       und eine Sammlung von Luxusuhren im Wert von rund 350.000 Euro. Am
       Schönberger Strand, in „Kalifornien“, besaß er eine Strandvilla an der
       schönen Adresse „Deichweg 20“.
       
       Seit seiner Verurteilung hat Stark sich nach London abgemeldet. Ein Schelm,
       wer nun daran denkt, dass dort die Fristen für eine Privatinsolvenz kürzer
       sind. Frühere leitende Mitarbeiter, die er in die Pleite hineingerissen
       hat, gehen davon aus, dass Stark sich meist in Hamburg aufhält, in einer
       Villa. Dort jedenfalls melde sich am Telefon vormittags die Haushälterin,
       nachmittags meist ein männliches „Hallo“.
       
       22 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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