# taz.de -- Wada-Kongress in Lausanne: Mittellose Sittenwächter
       
       > Auf dem Wada-Kongress denkt man über bessere Konzepte der Finanzierung
       > des Antidopingkampfs nach. Geld ist im Sport ja reichlich im Umlauf.
       
 (IMG) Bild: Filme gucken, Doping verhindern, Antidopingkampf behindern: Sportfunktionäre haben viel zu tun.
       
       LAUSANNE taz | Der Kampf gegen Doping ist kräftezehrend. Und er hinterlässt
       Spuren. Bei Wada-Generalsekretär David Howman, seit 2003 im Amt, wurden die
       Furchen von Jahr zu Jahr tiefer. Der Neuseeländer verlässt im Juni die
       Welt-Anti-Doping-Agentur. Kurz vor seinem Abschied las er Partnern und
       vermeintlichen Partnern noch einmal die Leviten.
       
       Zu Beginn des dreitägigen ADO-Kongress der Wada in Lausanne von Montag bis
       zum heutigen Mittwoch warf Howman sich freilich noch als treuer Diener
       seiner Agentur in die Verteidigungsschlacht. Nach Bekanntwerden des
       Dopingausmaßes in Russland sowie der Probleme in Kenia und Äthiopien,
       Marokko, der Ukraine und Weißrussland forderte Wada-Athletensprecherin
       Beckie Scott die Agentur zu härteren Maßnahmen auf.
       
       Howman machte für Kontrolldefizite vor allem den Mangel an Geld
       verantwortlich. „Das Verhältnis vom Wada-Etat und den Einnahmen einzelner
       Sportler ist krass.“ Konkret spielte er gegenüber der taz auf die Relation
       zwischen 20 Millionen Dollar Wada-Jahresetat und knapp 30 Millionen Dollar
       Einnahmen der Tennisspielerin Maria Scharapowa an, die jüngst der Einnahme
       des verbotenen Herzmedikaments Meldonium überführt wurde.
       
       „Da wird so viel Verantwortung auf unsere Schultern gelegt, aber nicht
       genug Geld gegeben, um dieser Verantwortung auch gerecht zu werden. Das ist
       nicht fair. Vor allen Dingen, wenn die Leute dann die Wada kritisieren und
       sagen, mach dies und mach das. Wir würden das gern machen. Aber wir
       brauchen auch das Geld dafür“, machte Howman seinem Herzen Luft.
       
       ## Geld aus den TV-Rechten?
       
       Der Generalsekretär hat seine Mitarbeiter auf seiner Seite. Bei einer
       Abstimmung während des Symposiums über die größten Hindernisse eines
       erfolgreichen Antidopingkampfes votierten 57 Prozent für den Punkt des
       Geldmangels. 19 Prozent hielten inkonsistente Antidopingpolitik für das
       größte Hindernis, jeweils 11 Prozent sahen in zunehmender Korruption des
       Umfelds von Sportlern sowie Unentschlossenheit der Stakeholder die
       wichtigste Ursache, und nur zwei Prozent wollten den schwarzen Peter der
       organisierten Kriminalität zuschieben.
       
       Howman klagte nicht nur – er hatte auch Ideen, wie die Wada zu Geld kommen
       soll. „Was wäre, wenn die Sportindustrie einen Prozentsatz von ihren
       TV-Rechten nähme, sagen wir 0,5 Prozent, und das in den Integritätsbereich
       steckte? Integrity meint nicht nur Antidoping, sondern auch Match Fixing,
       Korruption und so weiter“, überlegte Howman laut.
       
       Und das kleine Finanzierungsbrainstorming brachte eine weitere Idee ans
       Tageslicht. „In der Wirtschaft ist es doch so, dass bei Verdacht auf
       unzureichende Compliance diejenigen, die untersucht werden, an den Kosten
       der Untersuchung beteiligt werden. Das fördert ungemein die Bereitschaft
       zur konstruktiven Zusammenarbeit“, meinte Howman. Die Idee sei ihm im
       Kontext der Ermittlungen der Unabhängigen Wada-Kommission zu Russland
       gekommen.
       
       ## Politischer Gegenwind
       
       Rückwirkend für Russland könne man das nicht anwenden, schränkte er ein.
       Aber die nächsten Untersuchungen stehen ja an. Wada-Präsident Craig Reedie
       kündigte an, das Ermittlungspaket neu zu schnüren und auf andere Sportarten
       jenseits der Leichtathletik in Russland sowie die Läufernationen Kenia,
       Äthiopien und Marokko sowie die Ukraine und Weißrussland auszuweiten.
       
       Genau diese Länder stehen auch im Fokus der Weltleichtathletik.
       IAAF-Präsident Sebastian Coe gab ihnen am Freitag eine Frist bis 5. April,
       Löcher im Antidopingprogramm zu beseitigen. Andernfalls steht auch für sie
       die Olympiateilnahme auf dem Spiel.
       
       Allerdings könnte da der Bock zum Gärtner gemacht werden. Wie sagte doch
       Generalsekretär Howman so offen wie selten zuvor auf seinem letzten
       Wada-Symposium: „Wir wissen von vielen Ländern, dass sie vor Großevents
       ihre Sportler testen, um die Schande eines positiven Dopingfalls während
       des Wettkampfes zu vermeiden.“ Wer da auffliegt, wird nur nicht
       mitgenommen, aber eben nicht sanktioniert. Wer Kontrollen durch bessere
       Aufstellung der Verbände organisieren will wie Lord Coe, sorgt für
       Feigenblätter, aber nicht für wirksame Dopingbekämpfung.
       
       Wie stark der politische Gegenwind ist, ließ sich auch aus einer anderen
       Bemerkung Howmans ablesen: „Wir haben immer wieder vorgeschlagen, dass die
       Proben aus den Trainingskontrollen länger als drei Monate gelagert werden
       können. Die Geldgeber der Wada (also die Vertreter der Staaten, Anmerkung
       der Redaktion) haben das aber abgelehnt.“ Die Geldgeber des
       Antidopingkampfes befürworten die publicityträchtige Nachauswertung der
       Proben von den Olympischen Spielen – der Proben also, die vorher schon
       durch diverse nationale Filter gelaufen sind. Das alles riecht sehr unschön
       nach organisierter Dopingkontrollvermeidung im Weltsport.
       
       16 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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