# taz.de -- Marktmacht im Internet: Alle auf einen
       
       > Der Kurznachrichtendienst WhatsApp führt eine
       > Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein. Können wir jetzt alle wechseln? Klar.
       > Aber.
       
 (IMG) Bild: Frohe Kunde – doch über die übrigen Schwächen von WhatsApp wird lieber geschwiegen
       
       Man kann versuchen, sich das mal vorzustellen: Wie es wohl zuging, als sie
       in den Büros von NSA über BND bis zum britischen GCHQ erfahren haben, dass
       WhatsApp ab sofort verschickte Nachrichten von Ende zu Ende verschlüsselt.
       Verzweiflung? So richtig, mit auf den Boden stampfen, Haare raufen, und
       Kopf gegen die Wand schlagen? Oder – Achtung! Verschwörungstheorie –
       Gelassenheit? Weil sie längst von einer bislang unveröffentlichten
       Sicherheitslücke wissen?
       
       Einiges spricht dafür, dass es eher das Szenario mit den Köpfen und der
       Wand gewesen sein wird. Das Team von Openwhispersystems um den in der Szene
       bekannten Moxie Marlinspike hat die Verschlüsselung entwickelt. Lob kommt
       auch von Menschen, die des Verklärens eher unverdächtig sind – etwa [1][dem
       Hacker und Journalisten Jacob Appelbaum]. Eine Milliarde Menschen weltweit
       nutzen WhatsApp. Für einen Teil der Nutzer, die das Betriebssystem Android
       nutzen, gab es WhatsApp-Verschlüsselung schon länger. Die Übrigen
       kommunizierten für Dritte mitlesbar. Davor aber sind nun die
       Kurznachrichten von potenziell allen WhatsApp-Nutzern geschützt. 42
       Milliarden Nachrichten täglich, deren Inhalt sich der Massenüberwachung
       entzieht. Das ist nicht nichts. Das ist ein Fortschritt.
       
       WhatsApp hat hier – wenn auch nicht gerade als Vorreiter – einen Standard
       gesetzt. Genau wie Google, das etwa schon früher die
       Transportverschlüsselung von E-Mails ermöglichte und ein Jahr nach Snowden
       angab, für sein Suchmaschinen-Ranking das Kriterium Verschlüsselung positiv
       zu gewichten. Der Nachteil eines Unternehmens, das den Markt beherrscht,
       ist hier ein Vorteil.
       
       Daher ist nicht das zentrale Problem, dass WhatsApp immer noch eine Reihe
       an Schwächen hat. Dass der Account überflüssigerweise mit der Telefonnummer
       verknüpft ist. Dass der Dienst die persönlichen Kontakte ausliest. Dass die
       Verschlüsselung überhaupt nur zwischen Nutzern mit der neuesten Version
       funktioniert. Alles nicht schön, aber das meiste lösbar, wenn das
       Unternehmen will. Und da sind wir beim wirklichen Problem, beim Haken bei
       der Nutzung des Dienstes: dem Ausgeliefertsein.
       
       ## Priorität sieht anders aus
       
       Warum macht das Unternehmen das eigentlich mit der Verschlüsselung? „Der
       Wunsch, die private Kommunikation von Menschen zu schützen, ist einer der
       wichtigsten Punkte, an den wir bei WhatsApp glauben“, [2][schreiben die
       Gründer]. Gut, so wichtig kann er nicht gewesen sein, schließlich existiert
       die Firma bereits seit 2009. Verschlüsselung gab es damals auch schon. Aber
       eben nicht bei WhatsApp. Was also sollte den Dienst daran hindern – wenn es
       die wirtschaftliche Situation, politischer Druck oder persönliche
       Präferenzen der Chefs einfordern –, das mit der Verschlüsselung wieder
       einzustellen?
       
       Wie viele Nutzer dem Anbieter den Rücken kehren würden, ließ sich bereits
       erleben, nach der Übernahme durch Facebook. Von der groß angelegten
       Kündigungswelle blieben am Ende vor allem Absichtserklärungen übrig.
       
       Doch wenn alle zur Nummer eins rennen, haben es Alternativen schwer. Das
       ist etwa bei Browsern zu sehen, wo Googles Chrome seit einigen Jahren dabei
       ist, Anbieter wie Firefox in die Nische zu schieben. Und damit auch
       Möglichkeiten der privatsphärenfreundlichen Konfiguration. Positive Effekte
       von Marktmacht sind eben eher Einzelfälle. In der Regel ist sie zum
       Nachteil für die Nutzer.
       
       Es kann also nicht schaden, sich beizeiten [3][nach Alternativen
       umzusehen]. So lange es sie noch gibt.
       
       6 Apr 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/ioerror/status/717382870000660480?ref_src=twsrc%5Etfw
 (DIR) [2] https://blog.whatsapp.com/
 (DIR) [3] /!5048039/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) WhatsApp
 (DIR) Datenschutz
 (DIR) Apple
 (DIR) NSA
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Kommunikation
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Twitter
 (DIR) Google
 (DIR) WhatsApp
 (DIR) WhatsApp
 (DIR) Verschlüsselung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ein Plädoyer für das Voice Messaging: Einfach loslabern
       
       Auf den ersten Blick sind WhatsApp Voice Messages eine umständliche
       Zwischenfunktion. Doch ihnen wohnt der sinnliche Zauber des Unperfekten
       inne.
       
 (DIR) Missbrauchsvorwürfe Jacob Appelbaum: Tage der Abrechnung
       
       Jahrelang feierte die Hackerszene Jacob Appelbaum als Helden. Nun gibt es
       schwerwiegende Vorwürfe und viele offene Rechnungen.
       
 (DIR) Kurznachrichtendienst und AGBs: WhatsApp unterliegt vor Gericht
       
       Verbraucherschützer siegen vor Gericht gegen den Kurznachrichtendienst
       WhatsApp. Der muss seine englischen AGBs jetzt übersetzen.
       
 (DIR) EU-Verfahren gegen Google: Android-Betriebssystem bemängelt
       
       Vier von fünf Handys und Tablets weltweit basieren auf Android. Die EU
       wirft Google vor, eigene Produkte zu bevorzugen und so seine Marktstellung
       zu missbrauchen.
       
 (DIR) Sicherheit in Chat-Software: WhatsApp jetzt verschlüsselt
       
       Gute Nachrichten für mehr als eine Milliarde NutzerInnen: WhatsApp schützt
       die gesamte Kommunikation vor möglichen Zugriffen.
       
 (DIR) US-Regierung scheitert an WhatsApp: Ärger mit Verschlüsselung
       
       Die Codierung von WhatsApp soll von einem Richter angeordnete
       Überwachungsmaßnahmen in den USA behindern. Das berichtet die „New York
       Times“.
       
 (DIR) Ranking der Internetkonzerne: Privatsphäre mangelhaft
       
       Konzerne geben wenig auf Nutzerrechte, zeigt die Studie einer
       Non-Profit-Organisation. Selbst die Nummer eins schneidet nicht gut ab.