# taz.de -- Wiener Rabbiner über Potsdamer Streit: „Das ist fast wie Rufmord“
       
       > Walter Rothschild kritisiert die Entscheidung seiner Rabbinerkonferenz,
       > den Studenten Armin Langer wegen Kritik am Zentralrat zu strafen.
       
 (IMG) Bild: Ohne Absprache gehandelt? Henry Brandt, Vorsitzender der Rabbinerkonferenz, auf dem 97. Kirchentag in Osnabrück
       
       taz: Herr Rothschild, der Rabbinerstudent Armin Langer am Potsdamer
       Abraham-Geiger-Kolleg, erhielt nach seiner Kritik am Zentralrat der Juden
       ein Prüfungverbot. Zuvor soll Ihre Allgemeine Rabbinerkonferenz
       disziplinarische Maßnahmen gegen Langer gefordert haben. Wie kam es dazu? 
       
       Walter Rothschild: Das wüsste ich auch gern. Wie kann der Vorsitzende der
       Rabbinerkonferenz, Henry Brandt, in unser aller Namen sprechen, ohne uns zu
       fragen? Ich konnte an der fraglichen Sitzung im November nicht teilnehmen.
       Aber ich hätte gern gewusst: Gab es dazu eine Abstimmung? Warum wurde ich
       nicht über die Entscheidung informiert? Ich habe vor einer Woche um ein
       Protokoll der Sitzung gebeten, warte aber immer noch auf eine Antwort.
       
       Muss die Rabbinerkonferenz solche Entscheidungen einstimmig treffen? 
       
       Nein. In besonderen Fällen kann es auch sein, dass der Vorsitzende
       vorprescht und uns später informiert. Aber in diesem Fall lag keine solche
       Dringlichkeit vor. Und ich hätte zumindest erwartet, dass man mich darüber
       informiert. Mein Gefühl sagt mir deshalb, Rabbiner Brandt hat eigenmächtig
       in unserem Namen gehandelt.
       
       Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, behauptet, er hätte
       auf diese Entscheidung keinen Einfluss gehabt. Ist das glaubhaft? 
       
       Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, von wem die Initiative dann
       ausging. Der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Rabbiner Professor Walter
       Homolka, war auch nicht bei der Sitzung im November dabei. Aber er und
       mehrere andere Mitglieder der Rabbinerkonferenz sind durch ihre Arbeit für
       das Kolleg befangen. Die Rabbinerkonferenz wird komplett vom Zentralrat
       finanziert. Umso mehr darf die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen nicht
       infrage stehen.
       
       Was wird Armin Langer denn eigentlich vorgeworfen – jenseits des
       taz-Kommentars, für den er sich entschuldigt hat? 
       
       Gute Frage. Armin Langer ist schon in Budapest, wo er aufgewachsen ist,
       angeeckt, weil er gegen die Regierung und offen schwul war. Dass er auch
       hier für Kontroversen sorgt, ist keine Überraschung. Aber plötzlich heißt
       es, er sei zu weit gegangen. Ich kann mir das nicht erklären, vielleicht
       spielen auch persönliche Gründe eine Rolle. Er war Praktikant an unserer
       liberalen Gemeinde in Wien und hat dort einen guten Eindruck gemacht. Und
       von einem Tag auf den anderen erfahren wir, dass er aus dem Kolleg geworfen
       wird? Das ist schlechter Stil.
       
       Das Geiger-Kolleg behauptet, sein Engagement im jüdisch-muslimischen Dialog
       habe keine Rolle gespielt. In internen Mails wurde dieser aber als „heikel“
       bezeichnet. Was meinen Sie? 
       
       Es gab schon vorher Kritik an ihm: Langer sei naiv und arbeite mit den
       falschen Gruppen zusammen. Aber wer entscheidet, was die richtigen Gruppen
       sind? Das Problem ist: Das Abraham-Geiger-Kolleg hat kein funktionierendes
       Kontrollgremium, und das Procedere ist höchst fragwürdig. Normalerweise
       müsste eine Person sich verteidigen dürfen. Es gibt auch kein
       Berufungsverfahren und keinen studentischen Vertreter im wissenschaftlichen
       Beirat. So hat man den Eindruck: Der Rektor entscheidet das eigenmächtig
       und alle anderen nicken diese Entscheidung ab. Wo bleibt denn da die
       Fairness?
       
       Und inhaltlich: Wie bewerten Sie, dass Armin Langer dem Zentralratschef
       Josef Schuster Rassismus vorgeworfen hat? 
       
       Ich teile seine Aussagen nicht. Aber ich verteidige sein Recht, gehört zu
       werden. Er hat sich ja sogar entschuldigt. Und wenn Herr Schuster sagt, er
       sei nicht beleidigt und habe keinen Einfluss auf die Entscheidung genommen,
       dann frage ich mich: warum dann diese Überreaktion? Es hätte viele andere
       Möglichkeiten gegeben, die weniger dramatisch sind als ein Rauswurf. Aber
       wenn ihm die Rabbinerkonferenz die Fähigkeit zum Rabbiner abspricht, dann
       ist das fast wie Rufmord. Denn Menschen entwickeln sich schließlich weiter.
       
       10 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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