# taz.de -- Koalitionsverhandlung in Sachsen-Anhalt: SPD will wieder Junior werden
       
       > Nach kritischer Rückschau ist sich der SPD-Parteitag einig: Die Koalition
       > mit CDU und Grünen ist die beste Lösung, aber nicht um jeden Preis.
       
 (IMG) Bild: Die zurückgetretene SPD-Landeschefin Katrin Budde beobachtet in Halle das Geschehen
       
       HALLE taz | In Sachsen-Anhalt ist der Weg für die Aufnahme von
       Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, SPD und Grünen frei. Am Sonnabend
       stimmten auf einem außerordentlichen Parteitag der Landes-SPD in Halle 90
       von 100 Delegierten dem Eintritt in förmliche Verhandlungen zu.
       
       Vorausgegangen waren zweiwöchige Sondierungsgespräche auf Spitzenebene und
       in zehn Arbeitsgruppen. Die Union mit dem alten und wahrscheinlichen neuen
       Ministerpräsidenten Reiner Haseloff schloss eine tolerierte
       Minderheitsregierung aus und lud zu Koalitionsverhandlungen ein.
       
       Am Freitagabend hatte bereits ein kleiner Parteitag der Bündnisgrünen ohne
       Gegenstimmen bei nur drei Enthaltungen für Koalitionsverhandlungen
       gestimmt. Die so genannte Kenia-Koalition bietet die einzige Möglichkeit
       einer Regierungsbildung ohne Linke oder AfD.
       
       Das Votum der SPD-Delegierten für eine fortgesetzte Regierungsbeteiligung
       nach fünf Jahren Schwarz-Rot scheint überwältigend, war aber in der
       Aussprache wie schon in den Wochen nach der Wahlniederlage umstritten. Am
       13.März büßten die Sozialdemokraten zwischen Altmark und Burgenland fast
       die Hälfte ihrer Stimmen ein und sackten auf 10,6 Prozent ab. Deshalb sei
       eigentlich eine Erneuerung in der Opposition nötig, meinten auch in Halle
       einige Delegierte.
       
       ## Kein Geld für Neuwahlen
       
       Auch die stellvertretende Landesvorsitzende Katja Pähle, die nach dem
       Rücktritt von Spitzenkandidatin Katrin Budde die Sondierungsgespräche
       geleitete hatte, räumte das Risiko ein, als Juniorpartner in der kommenden
       Regierung erneut an Profil zu verlieren. Gleichzeitig forderte Pähle,
       auffällig schwarz-rot gekleidet, aber, die Verantwortung gegenüber dem Land
       ein, das sonst unregierbar würde. Andernfalls drohende Neuwahlen seien
       außerdem für die SPD wenig erfolgversprechend und personell und finanziell
       nicht zu stemmen.
       
       Die Parteitagsdebatte war geprägt von kritischer Rückschau und Appellen an
       künftig vereintes Handeln. So wurde die schuldenfreie Politik des
       scheidenden Finanzministers Jens Bullerjahn zwar gelobt. Sein Sparkurs auch
       in Bildungs- und Sozialfragen aber habe ureigenen SPD-Politikfeldern nicht
       gut getan.
       
       Überdies habe die SPD ihre Erfolge als Juniorpartner der CDU im Wahlkampf
       schlecht verkauft. Größtes Manko aber sei mangelnde Bürgernähe gewesen. Man
       müsse die Probleme der Menschen ernst nehmen, die nicht von vornherein als
       rechts oder asylfeindlich abzustempeln seien, und die mit ihrer
       Unzufriedenheit nun von der AfD eingefangen worden sind.
       
       ## „Buddisten“ draußen
       
       Da sei bislang zu viel „von oben dirigiert worden“, wurde verhaltene Kritik
       an der bisherigen Spitzenkandidatin Katrin Budde laut. Ebenso oft wurde ihr
       aber auch für 26 Jahre Arbeit in der Sozialdemokratie gedankt.
       
       Der Kreis der „Buddisten“ ist derweil im neu gewählten Landesvorstand kaum
       noch vertreten. Lediglich ihr Nachfolger im Fraktionsvorsitz, der
       Gewerkschafter Andreas Steppuhn, gilt als ihr Vertrauter.
       
       Der frühere Landesvorsitzende und Innenminister Holger Hövelmann forderte
       in einer geradezu väterlichen Ansprache dazu auf, „ein Klima zu schaffen,
       wo Kritik nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist“. Und der Kandidat für
       den Landesvorsitz, der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka,
       forderte in seiner Bewerbungsrede eine Abkehr „vom Lagerdenken und vom
       Flügelstreit“.
       
       ## Zwei Übel zur Wahl
       
       Das 96-Prozent-Ergebnis, mit dem Lischka schließlich gewählt und mit langem
       Applaus bedacht wurde, spiegelt den Wunsch nach Einigkeit als einziger
       Chance wider, aus dem historischen Tief herauszukommen. In Gesprächen am
       Rande war zu erfahren, wie die Genossen unter dem Dilemma leiden, zwischen
       zwei Übeln wählen zu müssen.
       
       Eine in fünf Jahren für Wähler attraktive Partei könne sich weder als
       kleinste Oppositionsfraktion noch als Regierungspartner wirklich
       profilieren, wird befürchtet. Letzteres aber will man unbedingt versuchen,
       „sichtbarer werden“, wie Lischka sagte. Die als Stellvertreterin
       wiedergewählte Katja Pähle hatte bereits angekündigt, „nicht um jeden
       Preis“ eine Koalitionsvereinbarung abzuschließen.
       
       Ihre Sechs-Punkte-Agenda will die SPD in den am Montag beginnenden
       Verhandlungen deshalb durchsetzen. Mehr Lehrer und Polizisten sollen
       eingestellt, die Hochschulen sicherer finanziert werden. Die kommunale
       Finanzausstattung soll um 100 Millionen Euro aufgestockt, ein
       Investitionsprogramm aufgelegt werden.
       
       Das geforderte kommunale Beschäftigungsprogramm klingt sehr nach der
       Linken, während man bei Demokratieförderung und beim bürgerschaftlichen
       Engagement an einem Strang mit dem grünen Partner ziehen dürfte. In der
       Woche nach dem 17.April sollen die Verhandlungsergebnisse noch einmal auf
       einem Parteitag debattiert werden.
       
       2 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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