# taz.de -- 2. Staffel „Unbreakable Kimmy Schmidt“: Grell, abgedreht und smart
       
       > Ab Freitag läuft die zweite Staffel von Tina Feys „Unbreakable Kimmy
       > Schmidt“ auf Netflix. Die Sitcom ist überzeichnet und realitätsnah
       > zugleich.
       
 (IMG) Bild: US-Komikerin Tina Fey (l.) schrieb „Unbreakable Kimmy Schmidt“, Ellie Kemper spielt die Hauptrolle
       
       Kimmy Schmidt ist kein Opfer. Zumindest verweigert sie sich dem
       gesellschaftlichen Stigma, das ihr angeheftet wird, nachdem die 29-Jährige
       aus dem unterirdischen Bunker eines Weltuntergangskults befreit wird, in
       dem sie und drei weitere Frauen von ihrem Sektenführer 15 Jahre lang
       festgehalten wurden.
       
       Die mediale Öffentlichkeit stürzt sich unmittelbar nach der spektakulären
       Rettungsaktion auf die Befreiten und belegt sie mit dem Hashtag-tauglichen
       Etikett der „Maulwurf-Frauen“, um sie sich als Story zu vereinnahmen.
       
       Doch Kimmy Schmidt hat kein Interesse daran, sich in eine neue Rolle
       drängen und ihr Leben ein weiteres Mal fremdbestimmen zu lassen. Sie
       entschließt sich dazu, in der anonymen Großstadt New York ein neues Leben
       zu beginnen und ihr Schicksal endlich selbst in die Hand zu nehmen. Es
       dauert auch nicht lange, bis sie Unterschlupf in einer WG mit einem
       schwarzen homosexuellen Schauspieler findet und einen Job als Nanny bei
       einer unglücklichen Millionärsgattin. Von nun an heißt es: willkommen im
       Leben!
       
       Die Serie „Unbreakable Kimmy Schmidt“ hätte mit dieser Prämisse auch Stoff
       für eine rutschige Seifenoper oder eine melodramatische Telenovela sein
       können. In den deutschen Fernsehanstalten hätte man sich sicher gut einen
       emotionalen Fernsehfilm vorstellen können, in der eine starke Frau „ihren
       Weg“ geht.
       
       Doch dank der US-Autorin und Komikerin Tina Fey, die die Serie zusammen mit
       Robert Carlock entwickelt und geschrieben hat, ist sie stattdessen zu einer
       der grellsten, abgedrehtesten und smartesten Sitcoms der Gegenwart
       geworden: die Coming-of-Age-Geschichte einer erwachsenen Frau.
       
       ## Aufrichtige Tiefe statt Karikatur
       
       Fey hat die Serie der Schauspielerin Ellie Kemper auf den Leib geschrieben,
       die vor allem durch ihre Rolle in der US-Version der Serie „The Office“
       bekannt wurde. In der Rolle der immer optimistisch-fröhlichen Kimmy kann
       sie ihr Talent erneut unter Beweis stellen, denn trotz des konstant
       überdrehten Tons der Comedy und des kindlich-naiven Charakters ihrer Figur
       schafft sie es dennoch, der Titelfigur eine aufrichtige Tiefe und
       glaubwürdige Autorität zu verleihen, die sie niemals zur Karikatur werden
       lässt.
       
       Daran trägt Tina Fey als Autorin und Vorbild einen großen Anteil. Das
       ehemalige Ensemblemitglied der traditionsreichen Sketch-Show „Saturday
       Night Live“ wurde im US-Wahljahr 2008 durch ihre Auftritte als
       Sarah-Palin-Parodistin weltweit bekannt. Zusammen mit ihrer Freundin Amy
       Poehler („Parks and Recreation“) gehört sie nicht nur zu den besten
       Komikerinnen des US-Fernsehens, sondern auch zu seinen klügsten und
       wichtigsten Autorinnen und Produzentinnen.
       
       Feys TV-Welten sind rasant inszenierte, bunt überzeichnete und
       cartoonartige Abziehbilder der Wirklichkeit, aber eben immer noch eindeutig
       in unserer Realität verankert.
       
       ## Die Gegenwart mit den 90ern konfrontieren
       
       Durch diese Divergenz kann Fey unorthodox und spielerisch mit Themen wie
       Feminismus, Sexismus, den Umgang mit Minderheiten, Medienkritik und
       Popkultur umgehen.
       
       Das hat sie über sieben Staffeln lang in ihrer gefeierten Fernsehsatire „30
       Rock“ getan, in der sie aus dem Alltag hinter den Kulissen einer Comedyshow
       erzählte und selbst die Hauptrolle spielte. Mit „Unbreakable Kimmy Schmidt“
       setzt sie das Prinzip fort.
       
       Ein weiterer Kniff, mit dem sie sich und den Zuschauern einen
       Perspektivenwechsel ermöglicht: Dadurch, dass sie ihre Hauptfigur inmitten
       ihrer wichtigsten Prägungsphase – der Pubertät – anderthalb Jahrzehnte von
       der zeitgeschichtlichen Entwicklung abgeschottet hat, konfrontiert sie die
       Wahrnehmung der Gegenwart mit ihrem unschuldig-utopischen Blick aus den
       neunziger Jahren, ehe der politische und gesellschaftsklimatische
       Wendepunkt des 11. September 2001 alles veränderte.
       
       15 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Mayer
       
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