# taz.de -- Prügel für Alexis Tsipras von allen Seiten
       
 (???)  Griechenland
       > stoßen auf Kritik – über alle Parteigrenzen hinweg
       
 (IMG) Bild: Teilnehmerin einer Kundgebung gegen die Regierungspolitik am Sonntag in Athen
       
       Aus Athen Jannis Papadimitriou
       
       So manche Zwischentöne lassen sich kaum in einer anderen Sprache
       wiedergeben, auch wenn die Übersetzung stimmt. Eine solche Schlagzeile
       liefert die Athener Zeitung Eleftheros Typos: „Selbst der Kaffee wird
       besteuert.“
       
       Wer schon einmal mit Griechen unterwegs war, weiß doch, dass „Kaffee
       trinken“ in Hellas einen willkommenen Anlass für alles Mögliche bietet:
       Kettenrauchen, einen Abend am Strand verbringen, ohne Elternaufsicht
       flirten und vielleicht, eben, einen Kaffee trinken. Wenn es nun heißt „der
       Kaffee wird besteuert“, erkennt jeder sofort den Ernst der Lage.
       
       Denn es bleibt nicht beim Kaffee. Neue Steuern auf Zigaretten, Tabak,
       Benzin, Erdgas, Heizöl, Kfz-Zulassungen, Bier, Hotelübernachtungen,
       Kabelfernsehen und Internet kommen spätestens ab 2017 auf die Griechen zu.
       Außerdem wird die Mehrwertsteuer auf 24 Prozent erhöht, womit Lebensmittel,
       Restaurants und alle Dienstleistungen teurer werden.
       
       Ein entsprechendes Gesetz will die links geführte Regierung von Alexis
       Tsipras ins Parlament einbringen. Es wäre der zweite Paukenschlag innerhalb
       von wenigen Tagen, nachdem die Volksvertreter am vergangenen Wochenende
       eine Rentenreform abgesegnet hatten, die milliardenschwere Rentenkürzungen
       vorsieht und die Solidaritätszulage für Geringverdiener abschafft.
       
       Während der Parlamentsdebatte übte Tsipras erstmals so etwas wie
       persönliche Selbstkritik: Auf die Vorwürfe aller Oppositionsparteien, er
       habe die Wähler betrogen und sein Wahlversprechen, die Austeritätspolitik
       zu beenden, über Bord geworfen, erwiderte der Linkspremier: „Sie können uns
       Selbsttäuschung, aber keine Lügen vorwerfen.“ Soll heißen: Ich habe es
       ehrlich gemeint, es hat aber nicht sein sollen.
       
       Wie lange er noch mit einer derartigen Offenheit punkten kann, ist offen.
       Sämtliche Oppositionsparteien haben am Wochenende klargemacht, dass sie auf
       Neuwahlen hinarbeiten. Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften laufen
       Sturm gegen die Sparpolitik. Die Ingenieurkammer TEE hat sogar angekündigt,
       den Regierungschef, der von Beruf Bauingenieur ist, aus ihren Reihen
       auszuschließen.
       
       Zudem wird Tsipras mit zunehmender Kritik von links konfrontiert. Als
       „entartet“ bezeichnet Kommunistenchef Dimitris Koutsoumbas in bisher
       ungeahnter Schärfe die regierende Linkspartei, während die ehemalige
       Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou ihre eigene Linkspartei gründet
       und Tsipras „Volksbetrug“ vorwirft.
       
       Immerhin hält die innerparteiliche Opposition, die sogenannte 53er
       Bewegung, der auch Finanzminister Efklidis Tsakalotos angehört, zum
       Regierungschef. Sie ist nicht so radikal wie die Truppe um den einstigen
       Energieminister Lafazanis, die im vergangenen Sommer den Bruch wagte und
       derzeit mit Protestkundgebungen in der Athener Innenstadt auffällt. Aber
       sie musste schon viele Kröten schlucken. Undsie wird vermutlich nicht
       umjeden Preis an Alexis Tsipras festhalten.
       
       Gesellschaft + Kultur
       
       10 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Papadimitriou
       
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