# taz.de -- Krieg in der Ostukraine: Gequält, vergewaltigt, totgeprügelt
       
       > NGOs berichten von tausenden Fällen schwerster Menschenrechtsverletzungen
       > im Donbass. Die meisten in den von Rebellen kontrollierten Gebieten.
       
 (IMG) Bild: Das Dorf Elenowka im Donezker Gebiet nach einem Angriff Ende April 2016
       
       BERLIN taz | „Ich bat sie darum, mich nicht zu schlagen, und sagte ihnen,
       dass ich schwanger sei. Sie meinten bloß. es sei gut, wenn ein
       scheiß-ukrainischer Balg stirbt. Sie drückten Zigaretten auf mir aus. Ich
       war im dritten Monat und fing nach den Schlägen stark an zu bluten. Dann
       verlor ich das Bewusstsein …“
       
       Die Frau, die das sagt, ist eine Zeugin im Report „Die Hölle überleben“,
       der seit einigen Wochen vorliegt. Sie ist eine von denjenigen, die in den
       von pro-russischen Kämpfern kontrollierten Gebieten Lugansk und Donezk
       verschleppt, gefangen gehalten und misshandelt wurden.
       
       17 ukrainische Menschenrechtsorganisationen haben vom März bis November
       2015 über 150 Zeugenaussagen zur Folter im Donbass zusammengetragen und
       ausgewertet. Insgesamt sind laut Bericht mehr als 4.000 Fälle von
       Verschleppungen und Folter dokumentiert.
       
       Seit über zwei Jahren sind die ostukrainischen Gebiete Lugansk und Donezk
       hart umkämpft. Im Konflikt zwischen den von Russland unterstützten
       Separatisten und der ukrainischen Armee haben bis jetzt über 9.000 Menschen
       ihr Leben verloren.
       
       ## Brüchige Waffenruhe
       
       Das Minsker Abkommen vom Februar 2015 sieht unter anderem den Abzug
       schwerer Waffen, die Wahlen in den von Rebellen kontrollierten Gebieten
       sowie eine Amnestie für alle Kämpfer vor. Die vereinbarte Waffenruhe wird
       jedoch immer wieder verletzt.
       
       Dass Zivilisten und Militärangehörige im Donbass systematisch misshandelt
       werden, ist nichts Neues. Erschreckend ist jedoch das Ausmaß der Folter.
       Die Zeugen berichten von Erniedrigungen, Zwangsarbeit, Scheinerschießungen,
       Schlägen, Elektroschocks, Vergewaltigungen in mindestens 79
       Foltergefängnissen. Einige dieser Gefängnisse sind seit der Befreiung der
       Orte durch die ukrainische Armee wieder zugänglich.
       
       Die überwiegende Zahl der Misshandlungen wurde in den von Rebellen
       kontrollierten Gebieten verortet. Laut Report sollen 58 namentlich bekannte
       russische Bürger daran beteiligt gewesen sein. Auch das hat eine neue
       Qualität, beteuert Russland doch bis jetzt, mit den Kriegshandlungen im
       Osten der Ukraine nichts zu tun zu haben. Folter und Misshandlungen wurden
       auch auf der ukrainischen Seite dokumentiert. In solchen Fällen würde dem
       Bericht zufolge die Staatsanwaltschaft vermitteln.
       
       Alexander Pawljutschenko (52) ist stellvertretender Direktor der Kharkiw
       Human Rights Protection Group und Vorsitzender der ukrainischen
       Helsinki-Gruppe. Er war einer der Initiatoren der Koalition „Gerechtigkeit
       für den Frieden im Donbass“ , der 17 Menschenrechtsorganisationen
       angehören. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, das Verbrechen im Donbass zu
       dokumentieren und an das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den
       Haag (IStGH) weiterzuleiten.
       
       ## Hand mit einem Hammer zertrümmert
       
       „Wir haben eindeutige Beweise, dass Alexander Sahartschenko
       (Ministerpräsident der international nicht anerkannten Volksrepublik
       Donezk, Red.) einem unserer Zeugen mit einem Hammer die Hand zertrümmert
       hat. Er müsste vor Gericht gestellt werden. Stattdessen verhandelt er in
       Minsk. Laut Minsker Abkommen sollen alle diese Menschen amnestiert werden.
       Auch diejenigen, die vergewaltigt und gemordet haben. Für mich ein Unding.“
       
       Die Osteuropa-Expertin der Grünen, Marieluise Beck, warf im
       Deutschlandradio Kultur den westlichen Politikern vor, „auf Wahlen in
       Donbass zu pochen“. Solange es dort jedoch Folter, Bedrohungen und
       Einschüchterungen gebe, könnten keine fairen und freien Wahlen stattfinden.
       
       18 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Irina Serdyuk
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Donbass
 (DIR) Minsker Abkommen
 (DIR) Volksrepublik Lugansk
 (DIR) Volksrepublik Donezk
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Grüne Bremen
 (DIR) Müll
 (DIR) Russland
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR)  taz на русском языке
 (DIR) Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Strafgefangene in der Ostukraine: Zwangsarbeit zum Nulltarif
       
       In der Ostukraine müssen tausende Inhaftierte unter schweren
       Menschenrechtsverletzungen ihre Strafe verbüßen.
       
 (DIR) Marieluise Beck über ihren Rückzug: „Bremen macht sich klein“
       
       Die Bremer Grüne Marieluise Beck sitzt seit 30 Jahren im Bundestag. Obwohl
       sie es gern getan hätte, wird sie 2017 nicht erneut kandidieren.
       
 (DIR) Proteste im ukrainischen Lemberg: Endzeit auf der Müllkippe
       
       Wiederholt brennt es auf einer Deponie. Die Bevölkerung macht den rechten
       Bürgermeister verantwortlich – und lädt Müll im Rathaus ab.
       
 (DIR) Nach dem Eurovision Songcontest: „Unser Feind ist das Putin-Regime“
       
       Die Ukrainerin Jamala siegt beim ESC, der Russe Lazarev landet auf Platz
       drei. Die Politik in beiden Ländern lässt das nicht kalt.
       
 (DIR) Ein Jahr „Minsk II“ in der Ostukraine: Vermintes Terrain, verlorenes Land
       
       Von „Neurussland“ ist keine Rede mehr – aber Frieden finden die Menschen
       nicht. Die Umsetzung von „Minsk II“ kommt nach einem Jahr kaum voran.
       
 (DIR) Krieg in der Ostukraine: Waffen ruhen doch nicht
       
       An Neujahr und Weihnachten sollte im Donbass eigentlich Feuerpause
       herrschen. Doch beide Seiten melden Beschuss durch den Gegner.
       
 (DIR) Waffenstillstand in der Ukraine: Ruhe an der Ostfront
       
       Für den Jahreswechsel ist in der Ostukraine eine Waffenruhe in Kraft.
       Beobachter fürchten ein baldiges, erneutes Aufflammen der Kämpfe.