# taz.de -- Kommentar islamistischer Terror: Keine Opfer zweiter Klasse
       
       > Islamistischer Terror ist keine Reaktion auf politisches Fehlverhalten.
       > Das Problem ist, dass es keinen gemeinsamen Kampf gegen den IS gibt.
       
 (IMG) Bild: Der Terror macht keine Unterschiede – Trauer in istanbul
       
       Im Angesicht von so vielen Toten und Verletzten wie am Istanbuler Flughafen
       ist Ehrlichkeit angebracht. In unseren Köpfen existieren immer noch zwei
       Kategorien von Terroropfern: die einen, die in Paris oder Brüssel starben
       und deren Tod uns bis ins Mark trifft. Und die anderen, die schon so oft in
       der Türkei, dem Irak oder Israel getötet wurden und die der Westen mit
       distanzierter Anteilnahme bedenkt. Wir heißen sehr schnell Charlie, Paris
       und Brüssel, aber viel zögerlicher Istanbul, Bamako, Bagdad oder Tel Aviv.
       
       Größere Nähe löst größere Betroffenheit aus – das ist eine Erklärung, und
       sie ist durchaus schlüssig. Implizit schwingt aber auch immer mit, dass der
       islamistische Terror in manchen Regionen Teil eines lokalen Konflikts ist.
       Die Opfer sind unseres Mitgefühls würdig, aber wir identifizieren uns nicht
       mit ihnen.
       
       Doch diese Sicht ist gleichzeitig Irrtum und Irrsinn. Die Attentäter von
       Istanbul, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit der Terrormiliz
       „Islamischer Staat“ (IS) angehörten, wollten die Weltöffentlichkeit an
       Brüssel und Paris erinnern. Sie machen keinen Unterschied – und wir sollten
       es auch nicht tun.
       
       Islamistischer Terror ist keine Reaktion auf politisches Fehlverhalten,
       sondern ein Angriff auf alles, was nicht der eigenen extremistischen
       Weltsicht entspricht. Das kann ein Land mit einer Regierung wie der von
       Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan sein, die dem IS nicht einmal
       annähernd religiös genug ist, oder ein säkularer Staat wie Frankreich.
       
       Bundeskanzlerin Merkel hat der Türkei sogleich versichert, „dass wir uns im
       Kampf gegen den Terrorismus vereint sehen“. Doch diese Behauptung ist von
       keinerlei Tatsachen getrübt. Das Problem ist ja gerade, dass es keinen
       gemeinsamen Kampf gegen den IS gibt. Die USA und auch Deutschland
       kooperieren mit den Kurden im Nordirak – der einzigen militärischen Kraft,
       die ernsthaft den IS-Milizen entgegentritt. Nato-Partner Türkei dagegen
       sieht alles Kurdische als Angriff auf die türkische Souveränität an.
       Erdoğan toleriert lieber Dschihadisten, als in den Verdacht zu geraten, auf
       derselben Seite wie die Kurden zu stehen.
       
       Wenn es der Nato nicht gelingt, eine Lösung zu finden und islamistischen
       Terrororganisationen gemeinsam entgegenzutreten, dann werden sich neue
       Terrorangriffe nicht verhindern lassen.
       
       29 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silke Mertins
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Istanbul
 (DIR) „Islamischer Staat“ (IS)
 (DIR) Schwerpunkt Islamistischer Terror
 (DIR) Terror
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) Kurden
 (DIR) Schwerpunkt Islamistischer Terror
 (DIR) Internet
 (DIR) Schwerpunkt Facebook
 (DIR) Irak
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) Istanbul
 (DIR) Istanbul
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Istanbul
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Möglicher Terroranschlag in Brüssel: Zwei Polizisten niedergestochen
       
       Einem Beamten stach er in den Hals, dem anderen in den Bauch. Die belgische
       Bundesanwaltschaft geht von einem terroristischen Hintergrund des
       Angreifers aus.
       
 (DIR) Regisseur über Hass im Internet: „Ein Trainingscamp der Radikalität“
       
       Der Theatermacher Arne Vogelgesang untersucht die Strukturen des
       Hate-Entertainments von Rechten und Dschihadisten im Netz – anhand
       ästhetischer Strategien.
       
 (DIR) Angehörige von Terroropfern: Facebook auf Schadenersatz verklagt
       
       Mehrere US-Familien von Anschlagsopfern im Nahen Osten haben Facebook
       verklagt, weil das Netzwerk radikalen Islamisten eine Plattform geboten
       habe.
       
 (DIR) Bombenanschlag im Irak: Mehr als 200 Todesopfer in Bagdad
       
       Bei einem Anschlag in der irakischen Hauptstadt wurden am Sonntag hunderte
       Menschen getötet. Bekannt hat sich die Terrormiliz „IS“.
       
 (DIR) Anschlag auf Istanbuler Flughafen: Wie der IS nach Istanbul kam
       
       Die Attentäter von Istanbul hatten offenbar russische Pässe. Seit Wochen
       gab es eine Warnung vor einem IS-Anschlag am Flughafen.
       
 (DIR) Nach dem Anschlag in Istanbul: Hoffnung für zwei Tage
       
       Die türkische Regierung hatte begonnen, sich Israel und Russland wieder
       anzunähern. Wie wird der Anschlag in Istanbul die Versöhnung torpedieren?
       
 (DIR) Nach dem Anschlag in Istanbul: Drehkreuz zwischen Kontinenten
       
       Der Flugverkehr ist mittlerweile eine der wichtigsten Wachstumsbranchen der
       Türkei. Auch deshalb spielt die Regierung den Anschlag herunter.
       
 (DIR) Nach dem Anschlag in Istanbul: Flughafen nimmt Betrieb wieder auf
       
       Nach dem Anschlag mit 36 Toten herrscht am Flughafen von Istanbul wieder
       Betrieb. In Berlin soll am Abend das Brandenburger Tor in türkischen Farben
       erstrahlen.
       
 (DIR) Selbstmordanschlag in Istanbul: Getroffen sind alle
       
       Der Anschlag auf Istanbuls größten Flughafen zeigt eine neue Dimension des
       Terrors. Die Regierung versucht, Sicherheit vorzugaukeln.
       
 (DIR) Anschlag in Istanbul: Mehr als 30 Tote
       
       Ein Anschlag auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen erschüttert die Türkei.
       Drei Selbstmordattentäter reißen viele Menschen mit in den Tod.