# taz.de -- Atomkraftwerk in der Ukraine: Saporoschje bleibt weiter am Netz
       
       > Die Laufzeit des größten Atomkraftwerks in Europa wurde verlängert. Doch
       > die Kritiker zweifeln an der Sicherheit des Reaktors.
       
 (IMG) Bild: Anti-Atom-Protest in Kiew, 2007
       
       KIEW taz | Europas größtes Atomkraftwerk, das AKW Saporoschje in der
       Ostukraine, geht in die Laufzeitverlängerung. Am Dienstag beschloss die
       ukrainische Atombehörde einstimmig, die Laufzeit des ersten der insgesamt
       sechs Reaktoren um weitere neun Jahre zu verlängern. Er ist seit Dezember
       1985 am Netz und hat seine ursprünglich auf 30 Jahre ausgelegte Lebenszeit
       erreicht.
       
       „Die Entscheidung zur Laufzeitverlängerung des ersten Reaktors war
       wohlüberlegt und sie ist richtig – gerade vor dem Hintergrund eines Krieges
       im Osten der Ukraine“, sagte Jurij Nedaschkowskij, Chef des ukrainischen
       Atomkonzerns Energoatom. Gleichzeitig teilte er mit, dass in Reaktor 1 alle
       Reparaturen erledigt, veraltete Ausrüstung ersetzt und Maßnahmen zum Schutz
       vor Erdbeben erfolgt seien.
       
       Das ist auch dringend notwendig: Das AKW Saporoschje liegt 250 Kilometer
       von Donezk und 300 Kilometer von Mariupol entfernt. Nahe Mariupol hatte
       erst im August die Erde mit einer Stärke von 4,8 auf der Richterskala
       gebebt.
       
       Auch der Chef des Reaktors Nr. 1 gab sich zufrieden: Die Modernisierung
       garantiere eine zuverlässige und sichere Arbeit des Kraftwerkes, ließ
       Sergej Sezko auf der Homepage des AKW Saporoschje wissen. Dem allerdings
       widersprechen Umweltschützer der größten ukrainischen Umweltorganisation,
       dem „Nationalen ökologischen Zentrum der Ukraine“ (Necu). Sie werfen den
       Atommanagern vor, die Risiken der Laufzeitverlängerung zu unterschätzen.
       Man habe die technischen Unterlagen geprüft und sei zu der Auffassung
       gelangt, dass 13 für die Sicherheit wichtige Maßnahmen nicht durchgeführt
       worden seien, gab die Organisation an.
       
       ## Eigene Stromversorgung fehlt
       
       Insbesondere vermisse man eine bei einem längeren Stromausfall
       erforderliche ausreichende eigene Stromversorgung. Auch fehle ein
       Erdbebenüberwachungssystem. „Es ist sehr voreilig, von einem sicheren
       Betrieb des Reaktors zu sprechen, wenn gewisse geplante Maßnahmen zur
       Erhöhung der Sicherheit nicht abgeschlossen sind“, erklärte Iryna Golovko
       von Necu.
       
       Die Umweltschützer kritisieren auch die Finanzierung der Arbeiten. 2013
       hatten die Europäische Atomgemeinschaft Euratom und die Europäische Bank
       für Wiederaufbau und Entwicklung 600 Millionen Euro für
       Kraftwerksmodernisierungen in der Ukraine zugesagt, die nach Angaben der
       ukrainischen Tageszeitung segodnya.ua insgesamt 1,4 Milliarden Euro kosten
       dürfte.
       
       Necu hält diese Gelder für falsch investiert. „Kredite europäischer
       Strukturen für die ukrainische Atomwirtschaft verfestigen den Status Quo
       eines ineffektiven und veralteten Energiesystems“, sagte Necu-Campaignerin
       Iryna Golovko der taz. „Mit diesen europäischen Geldern wird die
       Laufzeitverlängerung alter Reaktoren sowjetischen Typs finanziert. Mit
       Krediten für die Atomwirtschaft lassen sich die Machthaber nicht
       motivieren, Energie zu sparen oder erneuerbare Energie zu fördern.“
       
       Auch der zweite Reaktor von Saporoschje steht kurz vor der
       Laufzeitverlängerung. Für den 19. September ist hierzu eine öffentliche
       Anhörung angesetzt. Er wäre der sechste von derzeit 15 Reaktoren im Land,
       der seine ursprünglich angelegte Lebenszeit von 30 Jahren überschreiten
       darf.
       
       Die ukrainische Atomwirtschaft, die 50 Prozent des ukrainischen
       Strombedarfs abdeckt, setzt auf Wachstum, sie will die bestehenden
       Kapazitäten unbedingt maximal auslasten. Zwischen dem staatlichen
       Energieversorger Ukrenergo und Energoatom herrscht deswegen aber gerade
       Uneinigkeit: Ukrenergo hatte gefordert, die Kraftwerke häufiger
       hochzufahren und den Zeitplan für Reparaturen zu ändern. Auf diese Weise
       könne man an anderer Stelle sparen, sagte Wsewolod Kowaltschuk,
       Generaldirektor von Ukrenergo: So könne man auf 1,5 Millionen Tonnen der in
       den Kohlekraftwerken verfeuerten Anthrazit-Kohle verzichten, die seit dem
       Konflikt im Osten der Ukraine knapp ist.
       
       Doch die Methode ist umstritten: Die Kraftwerke seien für schnelles Hoch-
       und Runterfahren nicht gebaut, hält Energoatom-Chef Nedaschkowskij
       entgegen. Auf diese Weise habe man schon einmal im AKW Riwne einen
       Generator zerstört.
       
       14 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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