# taz.de -- Frankreichs Anti-Terror-Kampf: Im Internet auf Terroristenfang
       
       > Die französische Polizei recherchiert Kontakte von meist jungen
       > Sympathisanten zum IS-Mitglied Rachid Kassim. Sie habe Zugriff auf
       > Telegram gehabt.
       
 (IMG) Bild: Polizisten vor der Kirche bei Rouen, in der am 26. Juli ein Priester getötet wurde
       
       Keine Woche vergeht ohne Erfolgsmeldung der französischen
       Antiterrorpolizei. Seit September sind rund ein Dutzend Personen, unter
       ihnen vor allem Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren, festgenommen und
       wegen ihrer Attentatspläne inhaftiert worden. Innenminister Bernard
       Cazeneuve kann sich brüsten, die Polizei habe seit Jahresbeginn 360
       Terrorverdächtige hinter Schloss und Riegel gebracht.
       
       Einige von ihnen gestehen im Verhör, sie hätten vorgehabt, in Frankreich
       Messerangriffe zu verüben, um so die Angriffe auf IS in Syrien und Irak zu
       „rächen“. Gemeinsam ist den meisten der mutmaßlichen radikalisierten
       Islamisten, dass sie via Internet mit einem bekannten IS-Mitglied, Rachid
       Kassim, in Kontakt standen. Und genau diese Beziehungen haben die Ermittler
       auf ihre Spur gebracht.
       
       Der Letzte in der Reihe auf der Liste der Kassim-Kontakte wurde am 30.
       September in Clichy bei Paris festgenommen. Der 18-Jährige steht im
       Verdacht, im Auftrag des IS einen Anschlag geplant zu haben. Davor waren in
       Nizza zwei Mittelschülerinnen festgenommen worden, weil die Spur die
       Polizei via Internet zum selben IS-Auftraggeber führte. Die beiden waren
       geständig und sitzen nun in Untersuchungshaft.
       
       Zuvor waren in der Region Paris im Kontext der Verhinderung von Anschlägen
       drei Jugendliche gefasst worden. Anfang September wurden zudem drei Frauen
       verhaftet. Sie hatten vor einem Café gegenüber der Pariser Kathedrale
       Notre-Dame ein Auto mit sechs Gasflaschen geparkt. Anscheinend war die
       Zündvorrichtung der „Autobombe“, die an diesem von Touristen frequentierten
       Platz explodieren sollte, nicht funktionsfähig. Da das Fahrzeug dem Vater
       einer der Verdächtigen gehörte, konnte die Gruppe rasch gefasst werden.
       
       ## Telegram geknackt?
       
       Am erfolgreichsten aber sind die Ermittler bei der Auswertung der Spur in
       die inneren Kreise bei „Telegram Messenger“. Wegen der Verschlüsselung
       dieser in Russland entwickelten Kommunikationssoftware wähnten sich die
       Terroristen vor gängigen Abhörmethoden geschützt. Da alle mit dem
       französischen „Drahtzieher“ Kassim über diesen Kanal in Kontakt standen,
       braucht die Polizei bloß dessen Ansprechpartner zu finden.
       
       Sicherheitsexperten halten es für wenig wahrscheinlich, dass es der
       französischen Polizei gelungen sei, die Verschlüsselungstechnologie von
       Telegram zu knacken. Eher meinen sie, dass sie mit traditionellen Mitteln
       an die entscheidenden Hinweise kam: dank Aussagen von Festgenommenen oder
       der Auswertung ihrer Computer oder Smartphones.
       
       Plausibel sei es, dass die Polizei die abgeschirmten kleinen Netzwerke von
       Stufe zu Stufe zu infiltrieren und so den direkten Kontakt zu Kassims
       Adressen finden konnte. Französische Journalisten haben das vorgemacht.
       Indem sie sich mit einem entsprechenden Profil als Sympathisanten ausgaben,
       gelangten sie nach mehrmonatigen Bemühungen auf Telegram bis in die
       Kontaktgruppe von Adel Kermiche, der an der Ermordung des Priesters in
       Saint-Etienne-du-Rouvray beteiligt war.
       
       Die Kunst besteht demnach darin, mit Stichworten auf Telegram die richtigen
       Leute zu finden und deren Vertrauen zu gewinnen. Das scheint die
       Schwachstelle dieser von IS besonders geschätzten Technologie zu sein, die
       zwar gegen außen als gut abgesichert gilt, aber vor allem der Kommunikation
       dient und damit nie vor einem unbefugten Zuhörer gefeit ist.
       
       11 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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