# taz.de -- Urteil zum Umgang mit Kindern: Wer den Ex-Partner diskreditiert, zahlt
       
       > Ist die Beziehung kaputt, werden die Kinder oft gegen den Ex-Partner
       > aufgehetzt. In Italien wird das nun hart bestraft. Ein historisches
       > Urteil.
       
 (IMG) Bild: Wenn Eltern streiten, leiden vor allem die Kinder
       
       Dreißigtausend Euro. So viel soll eine italienische Mutter zahlen, weil sie
       ihren Ex-Mann in Anwesenheit des gemeinsamen Sohnes „diskreditiert hat“.
       Ein Zivilgericht in Rom fällte das entsprechende Urteil Anfang September.
       Jetzt wurde auch die Begründung des Urteils veröffentlicht.
       
       Darin heißt es, die Mutter habe durch ihre Äußerungen versäumt, Vater und
       Sohn einander anzunähern und so verhindert, dass das Verhältnis des Sohnes
       zu seinen Eltern ein gesundes Gleichgewicht findet. Dafür bedürfe es beider
       Elternteile gleichermaßen, so das Gericht. Dies sei wichtig für das
       Heranwachsen des Kindes.
       
       Mehr noch: Das Gericht behalte sich vor, in Zukunft in ähnlich gelagerten
       Fällen noch höhere Strafen auszusprechen und möglicherweise auch eine
       Neubewertung des Sorgerechts in Betracht zu ziehen.
       
       Italienische Experten sprechen bereits von einem „historischen Urteil“. Und
       das ist es in der Tat. Aber nicht (nur) wegen der hohen Strafe, die das
       Gericht gegen die Mutter verhängte. Sondern vor allem deshalb, weil hier
       (endlich) etwas bestraft wird, was in den allermeisten Scheidungsfamilien
       gang und gäbe ist – und deshalb bislang kaum jemanden in letzter Konsequenz
       interessierte. Nämlich, dass Paare, die sich trennen, in den meisten Fällen
       nicht gut aufeinander zu sprechen sind, und dass es in der Regel die
       gemeinsamen Kinder sind, die darunter leiden.
       
       ## „Broken-Heart-Syndrom“
       
       Irgendwie ist das ja auch nachvollziehbar: Man trennt sich, weil irgendwas
       Hässliches passiert ist – und sei es nur, dass einer den anderen nicht mehr
       liebt. Damit verbunden sind Schmerzen. In den einschlägigen Magazinen, von
       denen nie jemand zugeben will, dass er sie liest, werden immer wieder
       Wissenschaftler zitiert, die einen der nachfolgenden Punkte erforscht zu
       haben glauben: Starker Liebeskummer verursacht körperliche Schmerzen.
       
       Googeln sie mal „Broken-Heart-Syndrom“. Ist wie ein Herzinfarkt, ohne
       Arterienverkalkung. Liebeskummer führt zu Entzugserscheinungen, ähnlich wie
       das Absetzen harter Drogen. Partner weg: Cold Turkey! rgendein Mittel, das
       ganz sicher gegen Liebeskummer hilft. Ergo: Der Verlust eines geliebten
       Menschen ist so schwer erträglich, dass man eine Medizin dagegen braucht.
       
       Und diese Medizin heißt ziemlich oft Rache. Einfach weil man irrigerweise
       glaubt, die eigenen Schmerzen würde dadurch gelindert, dass derjenige, der
       sie einem zugefügt hat, mindestens genauso schlimme Schmerzen hat.
       
       Zum Beispiel weil er seine Kinder nicht sieht. Oder noch besser – und damit
       wären wir wieder bei der verurteilten Mutter aus Rom: Weil die eigenen
       Kinder den Partner gar nicht erst sehen wollen, weil sie ihn für einen
       schlechten Menschen halten. Und wie erreicht man das? Richtig. Man macht
       den Ex-Partner vor dem eigenen Nachwuchs schlecht. Kinderspiel.
       
       ## Klick. Weg.
       
       Bei mir zum Beispiel hat das hervorragend geklappt. Zehn Jahre lang habe
       ich nicht mit meinem Vater gesprochen, nachdem sich meine Eltern getrennt
       hatten. Immer wenn er anrief, habe ich den Hörer einfach wieder aufgelegt.
       Klick. Weg. Bis ich irgendwann alt genug war, um zu begreifen, dass meist
       nicht nur einer von beiden Schuld an einer Trennung hat – und dass es in
       den seltensten Fällen einen „Guten“ und einen „Bösen“ gibt. Aber da waren
       die zehn Jahre schon rum.
       
       Das perfide an solchen Rachefeldzügen ist – mögen sie nun bewusst oder
       unbewusst vonstatten gehen (oft ist es Letzteres): Den Kindern bleibt
       nichts anderes übrig, als sich auf eine Seite ziehen zu lassen. Vor allem,
       wenn sie noch jünger sind. Sie sind schlicht abhängig. Emotional in erster
       Linie. Schließlich wollen sie geliebt und anerkannt werden, am besten von
       dem Elternteil, bei dem sie wohnen, das ihnen die Wäsche wäscht und etwas
       zu essen macht.
       
       Aber auch sonst. Etwas Erschütternderes als die Trennung der Eltern gibt es
       kaum. Also suchen sie Harmonie und Stabilität. Und die erreicht man unter
       anderem dadurch, das man zumindest ein Elternteil glücklich macht.
       
       Das alles hat bislang nur Psychotherapeuten interessiert. Kein Wunder. Die
       verdienen ja daran. Ideal wäre, wenn künftig auch deutsche RichterInnen
       nach diesen Kriterien urteilen würden. Von mir aus könnte die verhängte
       Strafe zur Abschreckung noch sehr viel höher sein.
       
       20 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marlene Halser
       
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