# taz.de -- Protest gegen Massentierhaltung: Nicht hier – aber auch nicht woanders
       
       > Wo ein großer Viehstall gebaut werden soll, protestiert oft auch eine
       > Bürgerinitiative. Wie im uckermärkischen Jakobshagen. Was sind ihre
       > Argumente?
       
 (IMG) Bild: In Deutschland leben rund 160 Millionen Hühner. Immer mehr sind in riesigen Ställen untergebracht
       
       BERLIN taz | „Überall wo ein Stall gebaut wird, ist der gleiche Flyer
       dagegen im Umlauf“, sagt der Landwirt Stefan Fürstenau. Er will in der
       brandenburgischen Uckermark einen Stall für knapp 40.000 Legehennen in
       Freilandhaltung bauen. „Die Leute haben einfach kein Verständnis für die
       Landwirtschaft. Die ziehen raus aufs Land und suchen hier eine Idylle, die
       es nie gab.“ Eine Redakteurin der lokalen Zeitung sieht das ähnlich. „Die
       Leute aus der Bürgerinitiative, das sind doch alles Berliner.“
       
       Ulrich Hahn und Gert Müller sind Teil der Initiative. Beide sind zugezogen.
       Beide haben eine Wohnung in Berlin. Beide leben aber auch in Jakobshagen,
       knapp zwei Kilometer vom Weiler Eselshütte entfernt, wo der Stall stehen
       soll. Dass sich in der Initiative fast nur Zugezogene engagieren,
       bestätigen sie. „Der Rest hängt halt irgendwie auch mit drin“, sagt Hahn.
       
       Zugezogen oder nicht – im Streit um den Stall in der Uckermark spielt das
       eine große Rolle. Es geht nicht nur um drei Hühner mehr oder weniger im
       Stall. Es geht ums Ganze. Für die einen ist es die Landwirtschaft, von der
       sie leben und in die sie viel investiert haben. Für die anderen gefährdet
       eben diese die Grundlagen unserer Umwelt.
       
       Es scheint: Wo immer derzeit große Ställe gebaut werden sollen, versuchen
       Bürgerinitiativen, die Vorhaben zu stoppen. Zum einen, weil sie befürchten,
       dass sich ihre Lebensqualität vor Ort verschlechtert. So sagen Hahn und
       Müller: Die Luft, die solche Ställe ausstoßen, sei gesundheitsgefährdend.
       Es gebe in der Gegend bereits einige solcher Anlagen. Nachbarn der Ställe
       seien deutlich häufiger krank. „Die Luft auf dem Land ist teilweise schon
       schlechter als in der Stadt“, sagt Hahn.
       
       ## Weltweite Probleme
       
       Beide sorgen sich auch um die Bodenqualität. Der Stall bringe noch mehr
       Gülle und damit mehr Stickstoffbelastung. Da stehe mehr auf dem Spiel als
       das lokale Wohlbefinden, sagt Müller: „Uns geht es nicht nur darum, dass
       der Stall nicht hier gebaut wird, wir wehren uns gegen diese Form der
       Landwirtschaft.“ Wichtiger als die Probleme vor Ort seien die Probleme, die
       durch die industrialisierte Landwirtschaft weltweit entstünden: Die
       Vernichtung etwa von Artenvielfalt. Oder der Hunger durch die billigen
       Exporte, die Bauern in ärmeren Länder in den Bankrott zwängen.
       
       Bauer Fürstenau hat eine andere Sicht auf den Protest. „Landwirtschaft
       stinkt eben auch mal“, sagt er. Aber von der hätten die Berliner eben keine
       Ahnung. „Die denken, dass es bio ist, wenn man nichts macht, aber der Boden
       braucht ja Gülle, das ist ein Kreislauf.“
       
       Gülle als Dünger ist notwendig. Aber weil so viele Tiere gehalten werden,
       gibt es mehr Mist als nötig. Bundesweit sind die Böden dadurch mit zu viel
       Stickstoff belastet. Allerdings: In der Uckermark ist die Belastung ist
       gering.
       
       Doch Hahn und Müller lehnen diese Art intensiver Landwirtschaft insgesamt
       ab. Müller engagiert sich auch gegen eine Schweinemastanlage, die zehn
       Kilometer von Jakobshagen entfernt in Haßleben entstehen soll. Seit zwölf
       Jahren steht der Plan, inzwischen hat der Investor eine Genehmigung für
       36.000 statt 85.000 Schweine – ein Erfolg des Protests. „Bürgerinitiativen
       sind absolut zentral für den Widerstand gegen die industrielle
       Landwirtschaft“, sagt Jens-Martin Rode vom Bund für Umwelt und Naturschutz
       Deutschland (BUND) aus Brandenburg. Der Verein hat einen Leitfaden für
       Bürgerinitiativen entwickelt, der erklärt, wie man sich am besten gegen
       große Anlagen wehrt.
       
       ## 500 Bauvorhaben gestoppt
       
       Etwa 300 Bürgerinitiativen gegen landwirtschaftliche Bauvorhaben gibt es
       aktuell. Durch bundesweite Vernetzung haben sie längst politische Kraft
       entfaltet. „Bürgerinitiativen haben seit 2009 über 500 Bauvorhaben
       gestoppt“ sagt Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
       Landwirtschaft (AbL). Andere Verfahren werden drastisch in die Länge
       gezogen – wie die Schweinemast in Haßleben.
       
       Und was passiert nun mit Landwirt Fürstenau und seinen Stallplänen in
       Eselshütte? Hahn und Müller wollen ihn nun dazu bewegen, den großen Stall
       zumindest nach Biorichtlinien zu führen. Aber Fürstenau winkt ab. Die
       Nachfrage nach Bioeiern sei gestillt.
       
       4 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Pastoors
       
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