# taz.de -- CSU-Parteitag ohne Merkel: Angst vorm Ausgebuhtwerden
       
       > Aus Furcht vor den Delegierten soll Merkel lieber nicht zum CSU-Parteitag
       > fahren. Für die einen ein Tiefpunkt, für die anderen eine Erleichterung.
       
 (IMG) Bild: Man geht sich lieber aus dem Weg
       
       BERLIN/MÜNCHEN dpa | An eine solch verfahrene Lage können sich selbst die
       Alten in der CDU und CSU nicht erinnern. Weil die Stimmung zwischen den
       beiden Vorsitzenden derart im Eimer ist, soll Angela Merkel lieber nicht
       zum CSU-Parteitag am 4. und 5. November nach München kommen. Zu groß die
       Gefahr, dass Christsoziale aus Frust über viele Flüchtlinge und Probleme
       bei deren Integration die CDU-Chefin ausgebuht hätten. Das hätte nicht nur
       die Kanzlerin beschädigt, sondern auch den Ministerpräsidenten Horst
       Seehofer, dem dann mangelnde Durchsetzungskraft in seiner CSU vorgeworfen
       worden wäre. Also geht man sich lieber aus dem Weg. „Eine komische
       Situation, und der Union eigentlich unwürdig“, sagt ein
       CDU-Vorstandsmitglied.
       
       Merkel und Seehofer haben am Freitagabend sehr lange mit weiteren
       Unionsspitzen im Kanzleramt in Berlin zusammengesessen, um über die
       Rentenpolitik zu streiten. Seehofer will wie schon im Wahlkampf 2013 die
       Rente für ältere Mütter erhöhen – schließlich habe das schon einmal viele
       Wählerstimmen gebracht. Merkel und ein großer Teil ihrer CDU halten das für
       rückwärtsgewandt und eine unzumutbare Belastung der jüngeren Generation.
       Unter vier Augen verständigten sie sich dann noch über Merkels
       Nicht-Auftritt beim CSU-Parteitag – in der ganzen schmutzigen
       Auseinandersetzung vielleicht die sauberste Lösung.
       
       „Wir sind übereinstimmend der Meinung, die Positionen die wir am Ende
       gemeinsam vertreten, müssen ehrliche Positionen sein“, sagte Seehofer
       wohlwissen schon am vergangenen Montag in einem ZDF-Interview. „Wir müssen
       inhaltlich keine Inszenierung aufführen, es muss belastbar sein für die
       Mitglieder und die Bevölkerung.“ Es bleibt trotzdem ein Tabubruch. Merkel
       war von 2000 bis 2015 auf allen CSU-Parteitagen.
       
       Beide bekannten in den vergangenen Wochen, sie könnten mit dem Dissens zur
       Zuwanderung leben. Dieser Dissens, der jetzt zur Absage an den Kongress
       geführt hat, ist die monatelange Forderung der CSU nach einer Obergrenze
       für die Aufnahme von Flüchtlingen und Merkels ebenso lange strikte
       Ablehnung. Beide Seite halten stur an ihrer Linie fest. Für Seehofer muss
       dieser Punkt längst nicht mehr im Konsens geklärt werden: In der
       Vergangenheit habe die CSU immer wieder Punkte vertreten, die die CDU
       anders sehe, sagte er.
       
       Merkel dürfte inzwischen froh sein, nicht nach München zu müssen. Die Lust
       auf CSU-Parteitage ist ihr nach der Demütigung auf offener Bühne im letzten
       Jahr gründlich vergangenen – Seehofer kanzelte sie wegen der
       Flüchtlingskrise damals über 15 Minuten ab, während sie ohne Mikro daneben
       stand. Außerdem hat sie ja immer noch nicht bekanntgegeben, ob sie eine
       vierte Kanzlerkandidatur anstrebt. Das hätte es selbst Merkel-Anhängern in
       der CSU schwer gemacht, Aufbruchstimmung zu verspüren und zu versprühen.
       
       ## Die bayerische Landtagswahl im Blick
       
       Auch in der CSU ist nach der Entscheidung gegen die Einladung kaum jemand
       traurig. Offen ist noch, ob sich Merkel beim CDU-Parteitag Anfang Dezember
       in Essen revanchieren und Seehofer das Fernbleiben nahelegen wird – was
       durchaus nicht ihrer Art entspräche. In der CDU hieß es am Samstag nach der
       CSU-Parteitagsentscheidung: „Wir sind bei der inhaltlichen Verständigung
       auf einem sehr guten Weg.“
       
       Für Seehofer geht es aber nicht nur um die Union und die Bundestagswahl.
       Der CSU-Chef hat längst die Ende 2018 anstehende Landtagswahl im Freistaat
       im Blick. Bei beiden Abstimmungen geht es laut Seehofer für die CSU um die
       politische Existenz. Nachdem Merkel die gesamte Union in den vergangenen
       Jahren schrittweise in die Mitte bewegte, will die CSU deshalb nun den
       Rückwärtsgang einlegen.
       
       Maßgabe für die Christsozialen ist dabei der alte Satz von Ex-CSU-Chef
       Franz Josef Strauß: „Rechts von der Union darf es keine demokratisch
       legitimierte Partei geben.“ Und genau dafür soll der Parteitag am nächsten
       Freitag und Samstag in München die Weichen stellen. Dies zeigt sich in den
       beiden Leitanträgen, die der Parteitag auf Vorlage des Vorstandes
       beschließen soll. Darin ruft die CSU offen zum Kampf gegen den politischen
       Islam und gegen mögliche rot-rot-grüne Koalitionen auf.
       
       Bei den Wahlen helfen soll auch das neue Grundsatzprogramm der CSU Mit dem
       schlichten Titel „Die Ordnung“. Es soll den Mitgliedern und allen
       potenziellen Wählern helfen, sich in der schnell verändernden Welt neu
       zurechtzufinden. Wer kulturelle Verlustängste verspürt, weil mehr Muslime
       in Deutschland leben, wer Angst vor Terroranschlägen vor der eigenen
       Haustür hat, wer den sozialen und wirtschaftlichen Abstieg befürchtet –
       alle sollen wieder in der Union eine politische Heimat finden und nicht zur
       AfD laufen müssen.
       
       Die CSU weiß aber, dass sie auch die CDU braucht. Deshalb ist es für sie
       nur folgerichtig, sich abseits aller Streitigkeiten wieder auf die Suche
       nach gemeinsamen Zielen für die Union zu machen.
       
       29 Oct 2016
       
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