# taz.de -- EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: EU-Abgeordnete wollen Pause
       
       > Im Parlament der Europäischen Union mehren sich Stimmen, die einen
       > temporären Stopp der Gespräche mit der Türkei fordern. Wertlos, meint
       > Erdoğan.
       
 (IMG) Bild: Sieht nach den gescheiterten Putsch-Versuch überall die Gülen-Bewegung: Recep Tayyip Erdoğan
       
       STRAßBURG/ISTANBUL dpa | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan misst
       der bevorstehenden Abstimmung im EU-Parlament zu einem möglichen Einfrieren
       der Beitrittsgespräche mit seinem Land keinerlei Bedeutung bei. „Egal wie
       das Resultat ausfällt: Diese Abstimmung hat für uns keinen Wert“, sagte
       Erdoğan bei einer Wirtschaftskonferenz islamischer Staaten am Mittwoch in
       Istanbul.
       
       „Alleine dass das Europaparlament sich an so eine Abstimmung macht, ist
       Ausdruck dafür, dass es Terrororganisationen in Schutz nimmt und sich an
       deren Seite stellt“, sagte Erdoğan. Er kritisierte erneut, die verbotene
       kurdische Arbeiterpartei PKK könne in der EU ungehindert agieren.
       
       Im Europäischen Parlament formiert sich derzeit eine breite Mehrheit für
       das Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Gleichzeitig
       warnten bei der Plenardebatte am Dienstag einige Abgeordnete vor einem
       vollständigen Abbruch des Dialogs. „Ein weiter so kann es nicht geben“,
       sagte der Abgeordnete der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP),
       Manfred Weber (CSU), in Straßburg. Seine Fraktion, die größte Gruppe im
       EU-Parlament, unterstütze deswegen die Forderung, die Beitrittsgespräche
       zunächst einzufrieren – „nicht abzubrechen“, betonte er dabei.
       
       Auch der Chef der sozialistischen Fraktion, Gianni Pitella, sagte: „Wir
       sind offen für einen Dialog in der Zukunft.“ Zuvor hatte er sich ebenfalls
       für eine Aussetzung der Verhandlungen ausgesprochen. Die Fraktionsführerin
       der Grünen, Rebecca Harms, sagte: „Es wäre für mich sehr traurig, wenn nach
       zwölf Jahren Engagement in der Türkeipolitik wir sämtliche Brücken in die
       Türkei verlieren würden.“
       
       ## 36.000 Menschen in U-Haft
       
       Am Donnerstag wollen die Abgeordneten über eine entsprechende Resolution
       abstimmen. An der genauen Formulierung wird noch gefeilt. Hintergrund ist
       die Verhaftungswelle in der Türkei nach dem Putschversuch Mitte Juli. Nach
       Medienangaben sitzen dort derzeit mehr als 36.000 Menschen in
       Untersuchungshaft, denen Verbindungen zur Bewegung um den in den USA
       lebenden Prediger Fethullah Gülen vorgeworfen werden. Die türkische Führung
       macht diese für den Putschversuch verantwortlich.
       
       Wirklich Druck ausüben könnte die EU auf die Türkei nach Ansicht der
       Grünen-Abgeordneten Ska Keller allerdings nur, wenn sie die Verhandlungen
       über eine Erweiterung der Zollunion sowie den Flüchtlingspakt infrage
       stellte. An diesen Abkommen sei die Türkei nämlich interessiert.
       
       ## Aufforderung nicht bindend
       
       Bindend wäre eine Aufforderung des Parlaments, die Beitrittsgespräche auf
       Eis zu legen, nicht. Die seit 2005 laufenden Verhandlungen führt nämlich
       die EU-Kommission. Theoretisch müsste die Brüsseler Behörde bei einem
       „schwerwiegenden und anhaltenden Verstoß“ der Türkei gegen europäische
       Grundwerte aber einen zumindest vorübergehenden Stopp empfehlen. Am Ende
       liegt die Entscheidung bei den Mitgliedstaaten.
       
       Die EU-Außenbeauftragte und Vize-Präsidentin der EU-Kommission Federica
       Mogherini warb während der Debatte jedoch dafür, die Gesprächskanäle offen
       zu halten. Dies sei der beste Weg, die Demokratie in der Türkei zu stärken.
       „Wir brauchen einen regelmäßigen, gegenseitigen Dialog.“
       
       23 Nov 2016
       
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