# taz.de -- Streit über rechtsextremen Lehrer: Er ist wieder da
       
       > An einer Hamburger Grundschule verunsichert die rechtsextreme
       > Vergangenheit eines Lehrers das Kollegium. Die Schulleitung glaubt an
       > einen Gesinnungswandel
       
 (IMG) Bild: Keine Berührungsängste mit Nazis: Die Vergangenheit eines Hamburger Grundschullehrers bereitet den Kollegen Sorgen
       
       HAMBURG taz | Er ist wieder da: Es ist zehn Jahre her, da musste der Lehrer
       Jochen S. eine katholische Grundschule wegen seiner rechtsextremen
       Verstrickungen verlassen. Seit Sommer vergangenen Jahres unterrichtet er
       nun wieder – Mathematik an einer staatlichen Grundschule in Hamburg. Im
       Kollegium herrscht nun große Verunsicherung. Doch die Schulleiterin ist auf
       Nachfragen der taz zurückhaltend: „Bitte wenden Sie sich an den
       Pressesprecher meiner Behörde.“
       
       Dass die Schulleitung ausweicht, überrascht Nissar Gardi von „empower“,
       einer Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt, wenig. Lehrer der
       Schule hatten sich an die Beratungsstelle gewandt und um Hilfe gebeten. Auf
       einer Lehrerkonferenz soll die Schulleiterin auf die politischen
       Hintergründe der neuen Lehrkraft hingewiesen worden sein, hatte einer der
       Kollegen Gardi berichtet. Eher zufällig war er auf die politische
       Vergangenheit des Kollegen aufmerksam geworden, weil ein anderer Lehrer
       dessen Namen bei Google gesucht hatte.
       
       Die Suche ergab, dass S. als Student in Wiesbaden für die NPD kandidiert
       hatte. Mitte der 90er Jahre lud er für die Schülerburschenschaft „Pennale
       Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg“ zu Veranstaltungen mit
       Rechtsextremen ein. Die Chattia-Homepage zeigt ihn als „Alten Herrn“ beim
       altgermanischen Julfest. Der Hamburger Verfassungsschutz stuft die
       Burschenschaft bis heute als „rechtsextrem“ ein. Im März 2007 war S. an
       einer Veranstaltung beteiligt, bei der der Holocaustleugner Klaus Kaping
       auftrat. Den hatte ein Gericht bereits dafür verurteilt, dass er im
       Zusammenhang mit Auschwitz in Bezug auf die Opferzahlen von einer
       „talmudischen Lüge“ geschrieben hatte. Familie S. hatte auch das Postfach
       der „Einheit Nord“, der 2009 verbotenen „Heimatreuen Deutschen Jugend“
       geführt. Der Sohn ist Aktivist der neurechten Identitären Bewegung, die vom
       Verfassungsschutz beobachtet wird.
       
       ## Seine Frau nannte sich im Fernsehen „rechtsradikal“
       
       Es war Frau S., ebenfalls Grundschullehrerin, die 2007 durch ein Interview
       aufgefallen war. Dem WDR sagte sie: „Ich höre eben lieber ‚Ausländer raus‘,
       als ‚Deutschland verrecke‘“, und betonte, sie könne durchaus als
       „rechtsradikal“ verstanden werden. Nach mehreren Medienberichten wurde sie
       in den Innendienst versetzt –, Jochen S. musste die katholische Schule
       verlassen.
       
       Heute steht die Hamburger Schulleiterin vor einem Problem: Sie soll den
       anderen Lehrern angeboten haben, dass sich an sie wenden solle, wer
       Schwierigkeiten mit S. bekomme. Zugleich soll sie versichert haben, dass
       der neue Lehrer heute nichts mehr mit seiner Vergangenheit zu tun habe. So
       wurde es Gardi berichtet. Nach Aussage des Lehrers soll der Schulleitung
       eine entsprechende Bescheinigung vorliegen, sagt die Mitarbeiterin der
       Beratungsstelle. Diese Bescheinigung sei den Kollegen auf Wunsch aber nicht
       gezeigt worden.
       
       Zu den in Aussicht gestellten Gesprächen sei es kaum gekommen, erzählt
       Gardi. Den Kollegen sei stattdessen Verschwiegenheit nahegelegt worden,
       heißt es. Zu diesem Vorwürfen will sich die Schulleiterin gegenüber der taz
       nicht äußern. Der Sprecher der Schulbehörde Peter Albrecht wiederum betont,
       dass die Schule selbst für die Einstellung ihres Personals zuständig sei.
       
       ## Die Schulbehörde geht von Gesinnungswandel aus
       
       An die Behörde hatte sich auch die Schule gewandt, denn S. war in seiner
       Bewerbung mit seiner Vergangenheit offen umgegangen. „Die Personalabteilung
       überprüfte“, so Albrecht, und kam zu dem Schluss, dass nichts gegen eine
       Einstellung als Vertretungskraft spreche. Man ging davon aus, dass S. mit
       der früheren Gesinnung gebrochen habe. Der Verfassungsschutz soll in die
       Entscheidung involviert gewesen sein. Einen Gesinnungswandel nehmen ihm
       seine Kollegen aber nicht ab. Auch Gardi ist skeptisch: Es gehe ja nicht
       nur um jemanden, der als Jugendlicher in einer rechten Clique gewesen sei.
       Dagegen reiche es den Sicherheitsbehörden oft aus, wenn jemand nicht mehr
       bei Aktionen auffalle.
       
       Behördensprecher Albrecht betont, dass der Lehrer sehr genau beobachtet
       werde. Was Gardi verwundert, ist, dass der Elternrat der Schule, auf die
       viele Kinder mit Migrationshintergrund gehen, bisher nicht über den
       Hintergrund des Lehrers informiert wurde.
       
       19 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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