# taz.de -- Helpling-Gründer Benedikt Franke: „Wir bekämpfen den Schwarzmarkt“
       
       > Die Plattform Helpling vermittelt Putzkräfte. Eine Sozialversicherung
       > bekommen die Dienstleister nicht – schließlich sei er kein Arbeitgeber,
       > sagt Gründer Franke.
       
 (IMG) Bild: „Über die Hälfte derjenigen, die Helpling nutzen, waren vorher auf dem Schwarzmarkt tätig“
       
       taz: Herr Franke, es ist jetzt 15 Uhr. Wie viel Geld haben Sie heute schon
       verdient? 
       
       Benedikt Franke: Ich könnte Ihnen das sagen, tue es aber nicht. Doch Sie
       haben recht: Das Praktische an einem Online-Business ist, wir wissen zu
       jedem Zeitpunkt, wie viel an welchem Ort umgesetzt wird.
       
       Sie sind Gründer eines der schillerndsten Start-up-Unternehmen
       Deutschlands. Es gibt etwa 10.000 Reinigungskräfte bei Helpling, richtig? 
       
       Ja, die Zahl liegt in dem Bereich.
       
       Wenn alle etwa zwei Stunden am Tag arbeiten, kommen Sie auf einen Umsatz
       von rund 1,1 Millionen Euro im Monat. 
       
       Wir veröffentlichen keine Umsatzzahlen. Aber das ist eine gute Schätzung.
       
       Lassen Sie uns über Verantwortung reden. Wer sich über Helpling vermitteln
       lässt, unterliegt einer exakten Leistungsbewertung. Die Reinigungskräfte
       werden auf Ihrer Plattform mit Sternchen bewertet. 
       
       Wir nutzen die Bewertungen, um herauszufinden, wie zufrieden Kunden mit
       einzelnen Dienstleistern sind. Gleichzeitig ermöglicht die Bewertung den
       Reinigungskräften eine Rückmeldung zu ihrer Arbeit. Wir nehmen negative
       Bewertungen aber zum Anlass, mit beiden Seiten zu sprechen. Es gibt keine
       Diktatur der Sterne.
       
       Warum wollen Sie als Unternehmen keine Verantwortung für die soziale
       Absicherung derjenigen übernehmen, die die Arbeit machen, die man bei Ihnen
       buchen kann? 
       
       Weil es die Komplexität der Situation nicht zulässt. Doch wenn wir durch
       technische Entwicklung ohne weitere Kosten und ohne Aufwand ein Modell
       finden würden, dass Privathaushalte die Leute auch in diesem Bereich direkt
       anstellen könnten, wäre das natürlich der Traum. Heute ist die einzige
       legale Alternative für die Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister in
       den meisten Fällen die Selbstständigkeit.
       
       Sie würden also gern Leute anstellen, ohne Arbeitgeberpflichten zu
       erfüllen. Solange das nicht geht, sind Ihre Dienstleister*innen
       selbstständig. Sie zahlen keine Sozialabgaben, kein Urlaubsgeld oder
       Ersatz, wenn jemand krank wird. Sie tun alles, um zu vermeiden, für einen
       Arbeitgeber gehalten zu werden. 
       
       Weil wir kein Arbeitgeber sind. Unser Angebot führt zu einem
       Kundenverhältnis zwischen denjenigen, die eine Leistung anbieten, und
       denjenigen, die die Leistung in Anspruch nehmen. Wir vermitteln zwischen
       ihnen. Diese Vermittlung hat für alle Seiten einen finanziellen und
       übrigens auch einen gesellschaftlichen Wert.
       
       Früher war es verschrien, wenn Unternehmen keine Verantwortung für die
       soziale Absicherung von Arbeitnehmern übernahmen. Heute ist das, was manche
       als Plattformökonomie bezeichnen, das beste Erfolgsmodell für hohe
       Gewinnmargen von smarten Unternehmern wie Ihnen, die sich damit
       herausreden, nur zu vermitteln. 
       
       Mit Verlaub: Sie sehen das zu eindimensional. Wir sind ja nicht die, die
       auf einem Zauberberg im Silicon Valley leben. Wir sind Teil der deutschen
       Gesellschaft. Ich glaube, wir teilen mit vielen eine gemeinsame
       Zielvorstellung: Wie können wir die Chancen von Technologie nutzen und
       dabei Errungenschaften wie die soziale Sicherung erhalten? Natürlich müssen
       wir darüber reden, welche gesellschaftlichen Auswirkungen verschiedene
       Geschäftsmodelle haben. Aber wir müssen diese Diskussionen auch sachlich
       führen. Bei der Plattform-Ökonomie geht es zunächst einfach darum,
       Technologien zu nutzen, um Kosten zu reduzieren. Die Menschen sollen direkt
       miteinander zusammenarbeiten, ohne einen aufgeblähten Verwaltungsapparat.
       Das ist die Grundidee.
       
       Die Grundidee ist aber etwas anderes als die Konsequenz, die daraus
       entsteht. 
       
       Sie haben ja recht damit, dass etwa die Solo-Selbstständigkeit durch die
       Plattform-Ökonomie nun sichtbarer wird. Das ist eine Erwerbstätigkeit, die
       besonders schwer Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen erhält. Deswegen
       werden wir häufig mit solchen Vorwürfen konfrontiert. Aber zu Unrecht. Wir
       haben das Problem doch nicht erst geschaffen. Im Gegenteil: Wir leisten
       unseren Beitrag dazu, die Arbeitsbedingungen in diesem Sektor transparenter
       und damit besser zu gestalten.
       
       Wie das denn? 
       
       Jeder, der Vollzeit als abhängig Beschäftigter in der
       Dienstleistungsbranche tätig sein will, kann morgen irgendwo anfangen. Wir
       spezialisieren uns mit Helpling auf den Markt für haushaltsnahe
       Dienstleistungen. Dieser Markt ist heute zu 80 Prozent ein Schwarzmarkt.
       Sie kritisieren, dass wir nicht als Arbeitgeber auftreten. Wir holen aber
       mit unserem Angebot Tausende Menschen aus der Schwarzarbeit und
       legalisieren ihre Arbeitsverhältnisse. Das hat vor uns in diesem Ausmaß
       noch niemand geschafft.
       
       Wie viele Menschen arbeiten wegen Ihnen nicht mehr schwarz? 
       
       Wir wissen, dass über die Hälfte derjenigen, die Helpling nutzen, vorher
       auf dem Schwarzmarkt tätig waren.
       
       Wenn der Schwarzmarkt Ihr großer Gegner ist: Ist Ihr Unternehmen dann
       sozial? 
       
       Nein, das würde ich nicht sagen. Aber dem Schwarzmarkt ein
       konkurrenzfähiges Angebot entgegenzustellen hat, denke ich,
       gesellschaftlich sehr positive Folgen. Es gibt auch eine Umkehrung der
       Machtverhältnisse für die Reinigungskräfte, die wir vermitteln und für die
       wir eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben. Vor Helpling waren
       sie, losgelöst von jeglichen Schutzrechten, auf dem Schwarzmarkt unterwegs.
       Sie waren in einer Abhängigkeitsbeziehung von einzelnen Kunden. Über unsere
       Plattform bekommen sie Entscheidungsfreiheit. Das führt doch immerhin zu
       einer gewissen Souveränität und klaren Regeln.
       
       Dann lassen Sie uns über diese Regeln sprechen. Sie nehmen eine
       Vermittlungskommission von rund 20 Prozent für jede geleistete
       Arbeitsstunde. Dabei programmieren Sie im Prinzip nur die App und machen
       Werbung. Wie viel bleibt den Putzkräften von Ihren Stundenlöhnen übrig, so
       8 bis 9 Euro? 
       
       Das hängt davon ab, was für eine Steuerklasse eine Person hat, ob sie
       Krankenversicherung zahlen muss, ob sie mehrwertsteuerpflichtig ist. Sehr
       viele Leute, die Helpling nutzen, machen das als Nebentätigkeit. In den
       meisten Fällen liegt das Nettoeinkommen 2 bis 3 Euro über der von Ihnen
       genannten Zahl.
       
       Sie legen Wert darauf, nicht für einen Arbeitgeber gehalten zu werden. Wenn
       Sie nur vermitteln, warum haben Sie dann einen Stundenlohn festgesetzt, dem
       sich alle beugen müssen? 
       
       Wir wollen nicht, dass es einen Wettbewerb der Preisuntergrenzen gibt. Was
       wir mit Sicherheit nie machen werden, ist, die Preise nach unten
       freizugeben. Der Festpreis wird momentan sehr geschätzt.
       
       Der könnte also auch einfach zwei Euro höher sein? 
       
       Von uns aus gerne, wenn es dem Markt entspricht. Es ist doch so: Was die
       Preisstruktur angeht, haben wir deckungsgleiche Interessen mit den
       Dienstleistern, die wir vermitteln. Wir wollen natürlich, dass das Volumen,
       das über unsere Plattform abgewickelt wird, so hoch ist wie möglich. Auch
       deshalb haben wir die Preise im Jahr 2016 deutlich angehoben, allerdings
       abhängig von der Region. In München wird vom Kunden ein Preis von 18,50
       Euro pro Stunde gezahlt, in Hamburg 15,90 Euro und in Berlin 13,90 Euro.
       Helpling ist langfristig nur konkurrenzfähig, wenn wir den
       Reinigungskräften und Dienstleistern das beste Angebot machen.
       
       Was Sie von anderen in der Branche unterscheidet, ist, dass Sie sehr offen
       darüber reden. 
       
       Das hat auch einen Grund. Wir haben ähnliche Interessen wie ein Großteil
       der Gesellschaft. Und wir haben das Gefühl, es gibt für die von uns
       vermittelten Dienstleister kein Sprachrohr. Auch deswegen gibt es ja einen
       relativ geringen politischen Handlungswillen, sich dieser Situation
       anzunehmen.
       
       Was müsste denn politisch passieren, wenn es nach Ihnen ginge? 
       
       Solo-Selbstständige mit geringem Einkommen sind von zwei Themen betroffen:
       Sie haben besonders hohe Kosten für soziale Sicherung, und gleichzeitig
       haben sie keine hohen Ansprüche. Es muss, denke ich, zu einer
       gesellschaftlichen Aufwertung ihrer Leistungen kommen. Solo-Selbständige
       müssen ordentlichen Zugang zur Sozialversicherung erhalten.
       
       Nur dass Sie als Unternehmer damit nichts zu tun haben wollen. Den Zugang
       zur Sozialversicherung müsste also der Staat bezuschussen. Wie
       rechtfertigen Sie das? 
       
       Die zentrale Frage ist für mich, ob die Bekämpfung des Schwarzmarkts das
       rechtfertigt. Ich denke, schon.
       
       4 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valerie Höhne
       
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