# taz.de -- Analyse zur Energiewende: Zwanzig Strompreise für Deutschland
       
       > Die gemeinnützige Einrichtung Agora will mit einer Neugestaltung von
       > Preisen die regionale Stromerzeugung fördern. Das dürfte für Streit
       > sorgen.
       
 (IMG) Bild: Lokaler Strom, etwa aus einer solchen Fotovoltaikanlage, soll günstiger werden
       
       BERLIN taz | Wird der erneuerbare Strom in Zukunft weitestgehend vor Ort
       erzeugt und verbraucht – oder sorgt gerade der Ausbau von Wind- und
       Solaranlagen mit ihrer schwankenden Produktion dafür, dass Strom in Zukunft
       deutlich mehr durchs Land transportiert werden muss? Über kaum eine Frage
       wird unter Energieexperten so leidenschaftlich gestritten wie über diese.
       Denn von der Antwort hängen viele Entscheidungen ab – wie viele neue
       Leitungen gebaut werden und wie viele Speicher benötigt werden.
       
       In diese Debatte schaltet sich nun der Thinktank Agora Energiewende ein,
       der wegen seiner guten Vernetzung mit vielen relevanten Akteuren großen
       Einfluss auf die Energiepolitik hat. In einem 150-seitigen Band, der am
       Dienstag vorgestellt wird und der taz vorab vorlag, analysieren Experten
       die verschiedenen Aspekte der dezentralen Stromerzeugung und leiten daraus
       politische Forderungen ab, die in der Szene für Diskussion sorgen dürften.
       
       Die Autoren schlagen sich weder auf die Seite derjenigen, die von autarken
       Regionen träumen, die sich ohne neue Fernnetze selbst versorgen können,
       noch glauben sie, dass sich alle Probleme mit neuen Leitungen lösen lassen.
       Denn um sicherzustellen, dass Strom unabhängig vom Ort seiner Erzeugung
       jederzeit überall im Land verbraucht werden kann, wären neue Leitungen in
       einem Ausmaß nötig, das „weder volkswirtschaftlich effizient noch der
       Bevölkerung zuzumuten“ wäre, schreibt Agora-Direktor Patrick Graichen im
       Fazit der Publikation.
       
       Daher sei eine Förderung von regionalen Märkten unumgänglich. Graichen
       plädiert dafür, künftig drei Ebenen für den Verbrauch zu unterscheiden.
       Strom, der unmittelbar vor Ort ohne Nutzung öffentlicher Netze verbraucht
       wird; Strom, der in einer „Region“ produziert und verbraucht wird, von
       denen es bundesweit 20 bis 40 geben soll; und Strom, der von einer Region
       in eine andere transportiert wird.
       
       ## Regierung gegen geteilten Strommarkt
       
       Durch die Gestaltung von Steuern und Abgaben soll die Politik dafür sorgen,
       dass der lokale und regionale Verbrauch günstiger ist. Und wenn die
       verfügbaren Leitungen nicht ausreichen, um Strom im gewünschten Ausmaß
       zwischen den Regionen zu transportieren, soll es keine Eingriffe in den
       Markt mehr geben. Bisher sorgen die Netzbetreiber beim sogenannten
       Redispatch auf Kosten aller Stromkunden dafür, dass ein Stromtransport
       quasi simuliert wird, indem im Gebiet mit hoher Nachfrage teure Kraftwerke
       hochgefahren werden, während anderswo preiswertere Kraftwerke abgeschaltet
       werden.
       
       Ein Verzicht auf diese Maßnahme würde dazu führen, dass es in Deutschland
       keinen einheitlichen Großhandelspreis für Strom mehr gibt. „Zwischen den
       Regionen können aufgrund von Netzengpässen Preisunterschiede auftreten“,
       heißt es im Papier. Tendenziell dürfte der Strom im Norden günstiger und im
       Süden teurer werden. Bei der Bundesregierung dürfte dieser Vorschlag auf
       Ablehnung stoßen: Schon gegen eine von der EU angeregte Zweiteilung des
       deutschen Strommarktes hatte es im Bundeswirtschaftsministerium heftigen
       Widerstand gegeben.
       
       An einigen Stellen will Agora den regionalen Stromverbrauch aber auch
       verteuern. Wer etwa Solarstrom vom eigenen Dach nutzt, muss dafür bisher
       keine Netzentgelte bezahlen – obwohl zumindest das örtliche Netz für Zeiten
       ohne Sonne im gleichen Umfang wie zuvor benötigt wird. Eine stärkere
       Beteiligung an den Kosten wäre darum „notwendig und sachlogisch“, heißt es.
       
       27 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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