# taz.de -- Fußballer und Fans ticken aus: Gewalt am Spielfeldrand
       
       > Nach einer Messerattacke am Rande eines Jugendspiels steht der Hamburger
       > Amateurfußball wieder in einem schlechten Licht.
       
 (IMG) Bild: Auf und neben dem Platz: Fußball wird gerne zum Anlass genommen, die Sau rauszulassen
       
       HAMBURG taz | Einmal mehr ist die Gewalt im Hamburger Amateurfußball
       eskaliert: Zwei Männer stritten sich vorige Woche am Rande eines
       Jugendspiels, woraufhin der eine einem anderen ein Messer in den Rücken
       rammte. Zusammen mit seinem 14-jährigen Sohn floh er. Mit Hunden, einem
       Hubschrauber und acht Einsatzwagen suchte die Polizei den Täter und fand
       ihn kurz darauf in seiner Wohnung. Ausgangspunkt des Streits war ein
       Pokalspiel der A-Junioren in Billstedt. „Opfer und Täter waren Zuschauer“,
       sagt Heike Uhde, Sprecherin der Polizei.
       
       Weil sie verschiedener Meinung über das Spielgeschehen waren – es endete
       erst nach Verlängerung und Elfmeterschießen – entwickelte sich ein Streit
       zwischen den beiden. „Es schaukelte sich hoch und abseits des Platzes kam
       es nach Abpfiff dann zur Tat“, berichtet Uhde. Das Opfer wurde
       lebensgefährlich verletzt. Wegen versuchter Tötung sitzt der Mann nun in
       Untersuchungshaft, die Mordkommission ermittelt.
       
       Seitdem das Wetter wieder Punktspiele im Freien zulässt, ist es auf und
       neben den Fußballplätzen auch in Hamburg im Amateurbereich wieder vermehrt
       zu Gewalt gekommen. Wenige Tage vor der Messerattacke war ein
       Schiedsrichter in Wilhelmsburg angegriffen worden. Weil er einen Spieler
       vom Platz stellte, soll er nach dem Abpfiff von Klubverantwortlichen
       getreten worden sein. Dort musste die Polizei mit 16 Einsatzwagen anrücken.
       
       Dass die Gewalt im Amateurfußball steigt, kann Carsten Byernetzki vom
       Hamburger Fußballverband (HFV) allerdings nicht bestätigen: „Bei 60.000
       Spielen pro Jahr sind es recht konstant etwa 40 Vorfälle.“ Darunter fielen
       alle gewalttätigen Vorfälle auf dem Platz wie unter den ZuschauerInnen.
       HFV-Geschäftsführer Karsten Marschner beobachtet jedoch eine andere
       Veränderung: „Die Qualität der Gewalttaten nimmt zu“, sagt er. – Wo früher
       geschubst wurde, wird heute geschlagen.
       
       Die Hamburger Schiedsrichter haben schon vor zwei Jahren auf die aus ihrer
       Sicht unhaltbare Situation aufmerksam gemacht. Der negativen Entwicklung
       versucht der Verband mit „Fairplay-Tagen“, bei denen besonders
       Jugendmannschaften sensibilisiert werden sollen, entgegenzuwirken.
       
       „Auffälligen Vereinen, bei denen wir Probleme sehen, stellen wir
       professionelle Streitschlichter zur Seite“, sagt Byernetzki. Mehr könne der
       Verband nicht tun. Zudem könne der Fußball nicht für jede Tat
       verantwortlich gemacht werden: „Jede Eskalation ist eine zu viel, aber der
       aktuelle Vorfall hätte genauso gut auch am Flughafen stattfinden können“,
       findet Byernetzki. Besonders bei Eskalationen durch ZuschauerInnen sieht
       sich der Verband weitgehend machtlos.
       
       Gewalt im Amateurfußball ist kein neues Phänomen. Die Tübinger Kriminologin
       Thaya Vester hat Hunderte Sportgerichtsurteile durchforstet: Der Fußball
       sorge, ob beim aktiven Spielen oder beim Zuschauen, für Emotionen, die zwar
       den Reiz des Spiels ausmachten, aber auch schnell in Gewalt umschlagen
       könnten. Der Sport sei Auslöser, nicht aber Ursache des Gewaltproblems,
       lautet ihre Erkenntnis.
       
       In erster Linie haben darunter SchiedsrichterInnen zu leiden. Trotz der
       Tatsache, dass die Vorfälle im Promillebereich liegen, gaben laut einer
       anderen Studie bundesweit 62 Prozent der Unparteiischen an, dass ihnen
       schon einmal Gewalt angedroht wurde.
       
       Ein Viertel hat bereits Gewalt durch SpielerInnen, ZuschauerInnen oder
       durch Klubverantwortliche erfahren. Sie wurden bespuckt, bepöbelt, getreten
       und geschlagen. Dabei werden nicht einmal alle Vorfälle im
       Online-Meldesystem der Fußballverbände mitgeteilt.
       
       9 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) André Zuschlag
       
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