# taz.de -- Erneuerbare Energien sind benachteiligt: Alte Meiler verstopfen die Netze
       
       > Gutachten des niedersächsischen Umweltministeriums: Dreckige Kraftwerke
       > müssen viel weniger Strom liefern, damit die Versorgung sicher ist.
       
 (IMG) Bild: Soll Abgabe bezahlen, wenn es trotz eines Netzengpasses Strom produziert: Atomkraftwerk Grohnde.
       
       HANNOVER taz | Wie viel Strom aus Braunkohle- und Atomkraftwerken ist
       nötig, damit die Stromversorgung sicher ist? Könnten nicht auch Windräder
       einen Teil des Grundbedarfs abdecken? Um diese Fragen zu klären, hat das
       niedersächsische Umweltministerium das Energie-Forschungszentrum
       Niedersachsen (EFZN) mit einem Gutachten beauftragt. Die Wissenschaftler
       kommen darin zu dem Schluss, dass nicht einmal die Hälfte der
       durchschnittlich von konventionellen Meilern produzierten Leistung nötig
       wäre, um das Stromnetz sicher zu betreiben.
       
       Für die Betreiber von Solaranlagen oder Windparks könnte das große
       Auswirkungen haben. Denn bisher ist es so, dass bei einem Überangebot an
       Strom im Netz häufig Anlagen heruntergeregelt werden, die erneuerbare
       Energien produzieren – trotz deren gesetzlich festgelegten
       Einspeisevorrangs. „Mit erheblichen Kosten für die Verbraucher“, kritisiert
       Umweltminister Stefan Wenzel.
       
       Denn die Betreiber bekommen eine Entschädigung dafür, dass sie keinen Strom
       produzieren dürfen. Im Jahr 2015 lagen die Kosten dafür laut Wenzel bei
       rund 480 Millionen Euro – Tendenz steigend. In diesem Jahr sind es schon
       360 Millionen Euro, die auf die Stromkunden umgelegt werden.
       
       Der Minister fordert nun, dass auch Braunkohle- und Atomkraftwerke
       flexibler auf Schwankungen reagierten, etwa wenn bei Sonnenschein und Wind
       sehr viel erneuerbare Energien produziert werden. Denn die konventionellen
       Produzenten lägen „wie ein Brett im Markt“, sagt Wenzel. Der
       Einspeisevorrang der Erneuerbaren dürfe nicht länger ignoriert werden. „Wir
       wollten die Energiewende nicht, um regenerative Energien zugunsten von
       Atomkraft und Braunkohle abzuregeln“, sagt Wenzel.
       
       ## AKWs und KKW produzieren konstant durch
       
       Das Problem ist, dass der Ausbau des Stromnetzes nicht hinterher kommt.
       Während im Norden immer mehr Windkraftanlagen gebaut werden, hinkt der
       Netzausbau wegen des bundesweiten Streits um die Trassenführung hinterher.
       Im Stromnetz muss jedoch konstant eine Frequenz von 50 Hertz gehalten
       werden. Verbrauch und Produktion müssen sich dafür die Waage halten, sonst
       steigt oder sinkt die Hertzzahl und Schwankungen würden Geräte bei den
       Stromverbrauchern beschädigen.
       
       Deshalb darf nicht zu viel Strom ins Netz eingespeist werden, und es werden
       bei Bedarf Anlagen abgeschaltet. Doch die deutschen Atom- und
       Braunkohlekraftwerke produzieren laut Umweltministerium nahezu konstant
       durch – immerzu rund 20 bis 25 Gigawatt, selbst wenn es auf dem Markt wegen
       des Überangebots kein Geld für den Strom gibt, sondern sogar Negativpreise.
       
       Laut dem Gutachten des EFZN würden jedoch zehn Gigawattstunden ausreichen,
       um die Sicherheit der Netze zu garantieren. Die konventionelle
       Mindestleistung, die beim bisherigen Ausbau der Netze und der erneuerbaren
       Energien noch gebraucht wird, wird Must-run genannt.
       
       ## Minister Wenzel fordert Netzbelastungsumlage
       
       Die Betreiber konventioneller Kraftwerke haben ein Interesse daran, den
       Must-run hochzuhalten, selbst wenn sie mit dem Strom für eine gewisse
       Zeitspanne nichts verdienen, sondern vielleicht sogar etwas dafür bezahlen
       müssen, dass sie den Strom loswerden.
       
       Zum einen verkaufen sie den Strom nicht nur an der Börse, sondern haben
       auch unabhängige Verträge und Preisvereinbarungen mit Großkunden. Zum
       andern verkaufen viele Betreiber auch die bei der Produktion anfallende
       Wärme. Auch das Ab- und Anschalten des Kraftwerks kostet Geld und
       beispielsweise Atomkraftwerke können nicht für kurze Zeiträume
       ausgeschaltet werden.
       
       Das bestätigt Volker Raffel von Preussen Elektra, einer Eon-Tochter. Es sei
       allerdings möglich, dass sie ihre Leistung sehr schnell nach oben und unten
       anpassen. Das passiere auch, etwa wenn die Solarenergie nach
       Sonnenuntergang abnehme. „Die Kernkraftwerke können helfen, starke
       Änderungen im Netz auszugleichen“, sagt Raffel.
       
       Minister Wenzel reicht das nicht. Er möchte Anreize entwickeln, damit
       konventionelle Kraftwerke noch flexibler werden – etwa mit einer
       Netzbelastungsumlage. Nach dieser Idee müssten die konventionellen
       Kraftwerke eine Abgabe zahlen, wenn sie trotz Netzengpässen dauerhaft Strom
       produzieren. Das würde die Verbraucher entlasten, die momentan nicht nur
       für den Strom, sondern auch für die Abregelung der Erneuerbaren zahlen
       müssen.
       
       Das Problem ist nur, dass all dies nicht auf niedersächsischer Ebene
       entschieden wird. Minister Wenzel appelliert deshalb an
       Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), den Einspeisevorrang
       für erneuerbare Energien durchzusetzen. Die Umweltministerkonferenz hat am
       vergangenen Freitag beschlossen, Wenzels Initiative zu unterstützen und
       den Bund gebeten, den Must-run bei konventionellen Kraftwerken zu
       überprüfen.
       
       10 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Scharpen
       
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