# taz.de -- Kein Investment in Klimaschänder: Göttingen will sauberes Geld
       
       > Göttingen will sein Geld nicht mehr in Unternehmen stecken, die das Klima
       > schädigen, Waffen bauen oder korrupt sind. Denn das hat unschätzbare
       > Vorteile.
       
 (IMG) Bild: Kein Anlageobjekt für die Stadt Göttingen mehr: Kohlekraftwerke wie das im niedersächsischen Mehrum.
       
       GÖTTINGEN taz | Die Stadt Göttingen wird ihr Geld künftig nachhaltig,
       ökologisch verträglich und nach ethischen Kriterien anlegen. Das hat der
       Finanzausschuss des Rates auf eine Initiative der Grünen beschlossen. Eine
       entsprechende Entscheidung des Kommunalparlamentes wird für diesen Freitag
       erwartet, CDU und FDP wollen den Antrag dem Vernehmen nach ablehnen, sie
       haben aber keine Mehrheit.
       
       Göttingen folgt damit als erste niedersächsische Kommune der sogenannten
       Divestment-Strategie als Richtlinie für Kapitalanlagen. Ähnliche Wege haben
       zuvor schon Bremen, Berlin, Münster und Stuttgart beschritten oder sie
       angekündigt.
       
       ## Nur in nette Unternehmen investieren
       
       Das Finanzvermögen der Stadt Göttingen umfasst knapp 80 Millionen Euro,
       mehrheitlich sind es Pensionsrücklagen. Derzeit sei das Geld überwiegend in
       Form von festverzinslichen Einlagen, Sparkassenbriefen, Festgeldern sowie
       Sparbüchern bei deutschen Instituten angelegt, sagte Verwaltungssprecherin
       Stefanie Ahlborn der taz. Auch Fonds-Anlagen seien dabei. Etwa ein Viertel
       der Summe wird kurzfristig frei.
       
       Die neue Anlagenrichtlinie werde keine Kapitalanlagen bei Unternehmen
       zulassen, die Kinderarbeit duldeten, Militärwaffen herstellten, auf
       Atomkraft und klimaschädliche Energien setzten oder Fracking betrieben,
       sagt die Grünen-Ratsfrau Dagmar Sakowsky.
       
       Angestrebt werden auch weitere ethische Grundsätze. So soll es möglichst
       keine Beteiligung an Unternehmen geben, die Pflanzen und Saatgut
       gentechnisch verändern, Tierversuche für die Herstellung von Kosmetika
       machen oder denen eklatante Bestechungs- oder Korruptionsfälle nachgewiesen
       wurden. Seit Ende April sei auch ein im Auftrag des Landes Berlin
       entwickelter ethisch-ökologischer Aktienindex auf dem Markt, auf den die
       kommunale Finanzverwaltung zurückgreifen könne, sagt Sakowsky.
       
       ## Unschätzbare Vorteile
       
       „Wenn wir Geldanlagen tätigen, dann geben wir den Firmen die Möglichkeit,
       mit diesem Geld zu investieren“, beschreibt Sakowsky das Ziel der
       Initiative: „Wenn wir nachhaltig investieren, hat das in dreifacher
       Hinsicht unschätzbare Vorteile: Die Finanzen sind langfristig auf ein
       sicheres Fundament gestellt, wir fördern unsere nachhaltigen
       Klimaschutzziele und wir entziehen Firmen, die gegen grundsätzliche
       ethische Normen verstoßen, die Finanzierungsgrundlage.“
       
       Der voraussichtliche Beschluss des Göttinger Rates fällt in die Zeit der
       „Globale Divestment Mobilisierung 2017“. Das ist eine Kampagne, in der vom
       5. bis 13. Mai in 39 Ländern für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern
       geworben wird. International ist die Divestment-Bewegung inzwischen gut
       aufgestellt. Nach Angaben der Grünen haben sich knapp 800 Städte,
       Hochschulen und andere Institutionen verpflichtet, ihr Kapital nach
       ethisch-ökologischen Kriterien anzulegen.
       
       Auch der französische Versicherungskonzern Axa und die Allianz haben
       beschlossen, in Zukunft aus Klimaschutzgründen keine Kohleunternehmen mehr
       zu versichern. Die evangelische Kirche in Deutschland hat sich ebenfalls
       der Divestment-Kampagne angeschlossen.
       
       ## Bremen will auch nachhaltig investieren
       
       Praktisch zeitgleich zu Göttingen, haben in Bremen SPD und Grüne
       vorgeschlagen, das Geld des Landes „nach ethischen und ökologischen
       Kriterien“ anzulegen. Bremen darf demnach keine Landesmittel in Unternehmen
       investieren, die Geld mit fossilen und nuklearen Energieträgern verdienen.
       Ausgeschlossen sind Förderung, Transport und Vertrieb sowie
       Energiegewinnung. Ebenso schließt der Antrag Investitionen in Unternehmen
       aus, die mit Kinderarbeit, Kriegswaffen, gentechnisch veränderten Pflanzen
       und Tierversuchen Geld machen.
       
       Am Donnerstag wird in der Bremischen Bürgerschaft über den Antrag
       abgestimmt, eine Mehrheit gilt als sicher. „Diese Woche wird Bremen endlich
       Divestment-Stadt“, sagt Maike Schaefer von den Grünen. Die
       Umwelt-Initiative „Fossil Free Bremen“ will den Beschluss heute Abend mit
       einer „Jubel-Minute“ am Bremer Roland in der Innenstadt feiern.
       
       In Berlin hatte bereits im vergangenen Juni das Abgeordnetenhaus
       beschlossen, öffentliche Gelder aus Unternehmen abzuziehen, „deren
       Geschäftsmodell dem Ziel der Klimaneutralität widerspricht“. Jetzt hat
       Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ein Konzept vorgestellt, mit der
       das Land seine Geldanlagestrategie – es geht vorrangig um Finanzmittel aus
       dem Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Landes Berlin“ in Höhe von rund
       823 Millionen Euro – nach Kriterien der Nachhaltigkeit verändern will.
       
       10 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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