# taz.de -- Kommentar Kirche in Russland: Staatliche Verdunkelung
       
       > Wer nichts mit der Kirche anfangen kann, hat es in Russland schwer. Das
       > hat weniger mit Religion als mit Herrschaftsansprüchen zu tun.
       
 (IMG) Bild: Ruslan Sokolowskij und seine Mutter vor Gericht
       
       Der Hype ist verflogen. Die Jagd mit dem Smartphone nach den harmlosen
       Pokémon-Monstern gehört längst der Vergangenheit an. Nur in Russland führen
       die Fantasiegeschöpfe noch ein Eigenleben. Soeben wurde Jurastudent Ruslan
       Sokolowskij [1][zu dreieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt]. Er hatte
       es gewagt, in einer Kathedrale nach den Figuren zu suchen, und bei der
       Gelegenheit die Existenz des Schöpfers infrage gestellt.
       
       Agnostiker oder Atheisten wie Sokolowskij haben es in Russland zurzeit
       schwer. Vor kurzem war es noch andersrum. Da musste sich verstecken, wer
       sich zum wahren Glauben bekannte. Indes auch der Glaube kann Mode sein.
       Verfolger von einst wurden über Nacht zu Exegeten der Heiligen Schrift.
       
       Dabei ging einiges schief. Statt Theologie obsiegte im dritten Jahrtausend
       in Moskau wiedermal der Obskurantismus.
       
       Die reaktionäre Strategie des Machterhalts verkauft der Kreml der Welt nun
       als originären Beitrag zur Wahrung traditioneller Werte. Als rettendes
       Prinzip vor Globalisierung, Vermischung, ja – sagen wir es doch offen – dem
       westlichen „Satanismus“.
       
       ## Er glaubte an die Rechtsstaatlichkeit
       
       Staat und Kirche ziehen dabei an einem Strang. Die Trennung zwischen beiden
       kennt Russland nicht wirklich. Die Kirche ist eine staatliche Agentur mit
       ideologischem Herrschaftsauftrag.
       
       Die Verwirrungsstrategie ist von außen nur schwer zu durchschauen. Zumal
       Achtung und Anstand vor Glauben und Gläubigen Kritiker zur Zurückhaltung
       mahnen. Nur sind es diese westlichen Kategorien der Toleranz, mit denen
       Russland geschickt sein politisch-ideologisches Geschäft betreibt.
       
       Jurastudent Sokolowskij hielt es nicht für möglich, dass ein
       Pokémon-Spieler in einer Kirche zu mehreren Jahren Lagerhaft verurteilt
       werden könnte. Im Glauben an Russlands Rechtsstaatlichkeit wollte er den
       Gegenbeweis antreten. Schließlich ist Russland laut Verfassung ein
       weltlicher Staat. Obskurantismus im Staatsgewand ist kein juristisches
       Lehrfach, lediglich eine Frage russischer Lebenserfahrung.
       
       Sokolowskijs Weg zu Gott ist verbarrikadiert. Selbst wenn die Richter eines
       Tages in der Hölle schmoren.
       
       12 May 2017
       
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