# taz.de -- Merkels Ansage an die USA: Rausgerutscht? Nicht mal im Traum!
       
       > Hatte sie schlicht genug von Trumps Mätzchen? Nein. Merkels Ansage, nach
       > der Europa sein Schicksal in die eigene Hand nehmen müsse, ist Kalkül.
       
 (IMG) Bild: Merkel teilt aus gegen Trump – ihr eigentlicher Widersacher aber ist ein ganz anderer
       
       Mag sein, Angela Merkel ist ein bisschen müde gewesen von der hinter ihr
       liegenden Woche. Klima-Dialog in Berlin, öffentliches Obama-Palaver beim
       Kirchentag, Nato-Treffen in Brüssel. Dann der desaströse G7-Gipfel in
       Italien, dominiert und blockiert von der blonden Bombe aus dem Weißen Haus.
       Und schließlich, am Sonntag, noch dieser Termin in Bayern: Bierzelt-Politik
       mit CSU-Chef Horst Seehofer. Gähn.
       
       Mag also sein, das Pensum war ziemlich groß. Aber sicher nicht groß genug,
       als dass Angela Merkel [1][die folgenden Sätze] versehentlich rausgerutscht
       sein könnten: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen
       konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen
       erlebt“, sprach sie im aufgeheizten Truderinger Festzelt. „Und deshalb kann
       ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere
       eigene Hand nehmen.“
       
       Das Echo auf Merkels Einlassungen ist riesig. [2][Washington Post] und
       [3][New York Times] freuen sich ein Loch in den Bauch, weil „Europas
       einflussreichste Anführerin“ politikgestalterisch nicht mehr mit Donald
       Trump zu rechnen scheint. Der [4][Economist] rätselt: „What's brewing in
       Germany?“ Die Antwort ist simpel: In Deutschland braut sich eine
       Bundestagswahl zusammen. Und weil Angela Merkel die gern gewinnen möchte,
       macht sie das nach, was beim Nachbarn gerade so gut funktioniert hat: Sie
       setzt auf das Thema Europa.
       
       Emmanuel Macron, der Flankenspieler aus Paris, hat gezeigt, wie
       Europa-Wahlkampf geht. Seit der Brexit-Entscheidung der Briten und Donald
       Trumps anschließendem Wahlsieg ist die gute alte Europäische Union wieder
       zur smarten Idee geworden. Macrons Versprechen an die WählerInnen lautete:
       Lieber Europa reformieren und gemeinsam gegen Politiker wappnen, die ihr
       Land wie eine Hotelkette führen möchten.
       
       ## Merkel tritt gegen Schulz
       
       Merkel strickt diesen Gedanken weiter und spricht nun gar vom „Schicksal“,
       das „wir Europäer“ in die „eigene Hand“ nehmen müssten. Das wirkt
       sprachlich nicht nur wie eine wuchtige Symphonie; es markiert auch ein „Wir
       gegen die“. Und: Merkel stellt sich damit in eine Reihe mit einem 39 Jahre
       alten Hoffnungsträger, der gern so tut, als käme er politisch out of the
       blue. Was eine schöne Lüge ist.
       
       Innenpolitisch wiederum ist Angela Merkels Bierzeltrede ein weiterer Tritt
       Richtung Martin Schulz. Dass die Spitzenkandidatin der Union dem aktuell
       schwächelnden SPD-Kanzlerkandidaten das Thema EU abzunehmen versucht, würde
       der vermutlich als „Leberhaken“ bezeichnen. Und genau so ist das auch
       gemeint.
       
       Wie bei fast allen Themen der zurückliegenden Wahlperiode kapert die
       Kanzlerin mal wieder frech die Sozi-Themen und rückt sie in die
       gesellschaftliche Mitte. Erst abwehren, dann zustimmen und schließlich so
       tun, als hätte die Union es erfunden – so lief es seit 2013 bei eigentlich
       linken Themen wie dem Mindestlohn, der Frauenquote oder der
       Entwicklungspolitik. Warum sollte es also im Wahlkampf anders sein? Die SPD
       dürfte das nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich ist ihr
       Kanzlerkandidat nachweislich der ausgewiesenere Europa-Experte – da mag
       Merkel noch so viel außenpolitische Expertise haben.
       
       29 May 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Transatlantische-Beziehungen/!5415696
 (DIR) [2] https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/05/28/thanks-to-trump-germany-says-it-cant-rely-on-america-what-does-that-mean/?utm_term=.4ddeed12ba84
 (DIR) [3] https://www.nytimes.com/2017/05/28/world/europe/angela-merkel-trump-alliances-g7-leaders.html?_r=0
 (DIR) [4] http://www.economist.com/blogs/kaffeeklatsch/2017/05/what-s-brewing-germany
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Präsident Trump
 (DIR) Europa
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) G7-Gipfel
 (DIR) Emmanuel Macron
 (DIR) Martin Schulz
 (DIR) Schwerpunkt Krise in Griechenland
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Präsident Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Merkel und Europas Griechenlandpolitik: Einheit? Welches Europa meint sie?
       
       Merkel beschwört Europas Einheitlichkeit. Aber die Griechen darben trotz
       massiver Einsparungen weiter. Dank Schäuble.
       
 (DIR) Transatlantische Beziehungen: Auf dem Tiefpunkt
       
       Kanzlerin und Kanzlerkandidat sind sich einig: Nach der G7-Pleite,
       ausgelöst durch den US-Präsidenten, muss Europa stärker seinen eigenen Weg
       gehen.
       
 (DIR) Münchner Bierzeltrede von CDU und CSU: Mundwinkel zeigen fast nach oben
       
       Bei ihrem Aufritt in Trudering machen Seehofer und Merkel alte Konflikte
       vergessen. Für Ärger sorgen stattdessen „Hau ab!“-rufende AfDler.
       
 (DIR) Trumps Besuch in Europa und Nahost: Der große Knall blieb aus
       
       Nahöstliche Potentaten, Israelis und Europäer wissen nun, woran sie beim
       neuen US-Präsidenten sind. Die Erkenntnisse sind nicht beruhigend.