# taz.de -- Grenfell Tower in London: Es schwelt weiter
       
       > Die Kritik an der britischen Premierministerin May verschärft sich. Die
       > Untersuchungen der Brandursache gehen nur schleppend voran.
       
 (IMG) Bild: Schreckliche Bilder vom Brand des Grenfell Tower
       
       LONDON taz | Nach dem Feuer in einem Hochhaus in London kochten am
       Wochenende bei einer Demonstration die Emotionen weiter hoch. Mit Rufen wie
       „Wir fordern Gerechtigkeit!“ und „Mörder!“ stürmten Anwohner zusammen mit
       Lobbygruppen das Rathaus von Kensington und Chelsea. Einer der
       Organisatoren, Mustafa al-Mansur, erklärte, man sei vor allem mit der
       Reaktion und Hilfsbereitschaft der städtischen Behörde unzufrieden.
       
       Laut Berichten gab es nach dem Unglück nur begrenzte Hilfe für die
       Überlebenden aus dem Grenfell Tower. Auch wenn Unmengen an Kleidern und
       Hilfsgütern in die Gemeindezentren gebracht worden waren – für manche
       Betroffene wurden nur 10 Pfund Hilfe pro Tag zur Verfügung gestellt. Und
       sie bekamen keine Antwort darauf, wo sie denn unterkommen sollten.
       
       Auch empörte das seltsame Verhalten von Premierministerin Theresa May. Sie
       unterließ es zunächst, Angehörige der Opfer aufzusuchen, sondern stattete
       am Donnerstag lediglich den Hilfskräften und Rettungseinheiten einen Besuch
       ab. Dort kündigte sie einen öffentlichen Untersuchungsausschuss an.
       
       Oppositionschef Jeremy Corbyn und Londons Bürgermeister Sadiq Khan zeigten
       hingegen Präsenz – am Freitag trat sogar die betagte Königin in Begleitung
       Prinz Williams zu einem Besuch bei den Opfern an. Michael Portillo,
       ehemaliges konservatives Schwergewicht, monierte: „May zeigt keine
       Menschlichkeit.“
       
       Als sie sich am Freitagnachmittag doch noch am Tatort blicken ließ, musste
       sie sich eine wohlverdiente Tirade von Beschimpfungen gefallen lassen. Sie
       kündigte eine Soforthilfe über 5 Millionen Pfund für die Überlebenden und
       Opfer an. Im anschließenden Interview mit der BBC beantwortete May jedoch
       keine einzige Frage, sondern wiederholte lediglich ihre Zusagen.
       
       In den britischen Medien herrschte seltene Einigkeit: Sogar die
       rechtszentrische Boulevardzeitung Daily Mail bespöttelte Mays Verhalten.
       Auch versammelten sich am Samstag wieder zahlreiche Demonstranten, diesmal
       in der Downing Street. May blies daraufhin die Teilnahme an den
       Geburtstagsfeiern der Queen ab und stellte sich stattdessen den
       Protestierenden. Die offizielle Reaktion auf das Feuer sei nicht adäquat
       gewesen sei, ließ Theresa May daraufhin verkünden.
       
       Die Zahl der Toten stieg am Wochenende offiziell auf 58. Die Durchsuchung
       des abgebrannten Hochhauses ist noch nicht abgeschlossen. Bekannt wurde,
       dass bei der Renovierung des Baus angeblich bewusst eine Wärmedämmung aus
       Aluminium und brennbaren Polystyrol namens Reynobond RE verwendet wurde, um
       Kosten von etwa 5.000 Pfund einzusparen. Die Verwendung dieses Materials
       ist in vielen Ländern verboten, auch in Großbritannien – allerdings nur bei
       Gebäuden über 18 Metern Höhe.
       
       Die Aktivistin Pilgrim Tucker gab an, dass sie nicht verstehe, warum die
       Außenwand bei der Sanierung wichtiger erschien als die Wartung auch der
       Notlichter. Geschweige der Installation einer Sprinkleranlage.
       
       18 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn
       
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