# taz.de -- Razzien in Braunschweig und Hannover: Ultras wehren sich
       
       > Die Polizei durchsuchte 101 Wohnungen von Fußballfans in Hannover und
       > Braunschweig. Dagegen wollen die Betroffenen juristisch vorgehen.
       
 (IMG) Bild: Hauptsache gegen Hannover: Braunschweiger Fans.
       
       HANNOVER taz | Fußballfans in Hannover und Braunschweig wollen sich wehren.
       Die Polizeidirektion Hannover und die Bundespolizei hatten am vergangenen
       Mittwoch 101 Wohnungen von Anhängern der Vereine Eintracht Braunschweig und
       Hannover 96 durchsucht – aus vollkommen unterschiedlichen Gründen. Während
       es bei den 92 Verdächtigen aus Braunschweig um Ermittlungen wegen einer
       versuchten Tötung geht, filzten die Beamten die neun Wohnungen in Hannover
       auf der Suche nach Graffiti-Sprayern. Doch in beiden Fällen fühlen sich die
       Fußballfans als Opfer einer willkürlichen Razzia.
       
       Die Durchsuchungen seien eine „reine PR-Show“ gewesen, sagt Rechtsanwalt
       Andreas Hüttl, der sieben Fans vertritt, die von den Hausdurchsuchungen in
       Hannover betroffen sind. Er hat bereits Beschwerde gegen die Razzia beim
       Amtsgericht eingelegt. Die Polizei wolle „möglichst große
       Handlungsbereitschaft gegen Fußballverbrecher zeigen“, vermutet Hüttl.
       
       Die Bundespolizei ermittelt in diesem Fall, weil die Fangruppierung Rising
       Boys Hannover zu ihrem zehnjährigen Jubiläum ein Video ins Netz gestellt
       hat. Zu sehen ist darin, wie Männer mit fleckig-bunt eingefärbten
       Sturmhauben [1][sehr viele Züge, Straßenbahnen und Wände] mit ihrem Logo
       RBH besprühen.
       
       Doch die Sprayer sind vermummt und nicht identifizierbar. Die Polizei hat
       die Hausdurchsuchung nun bei Männern durchgeführt, die während eines
       Fußballspiels in Nürnberg ein Transparent der Rising Boys Hannover gehalten
       haben. Dies sei ein Anfangsverdacht dafür, dass sie Teil der Gruppe RBH
       seien, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Thomas Klinge. Die Beamten
       hätten nun in den Wohnungen nach Skizzen und Farbe auf Kleidungsstücken
       gesucht.
       
       Doch schon der Schluss, dass diejenigen, die das Transparent gehalten
       hätten, Mitglieder der Gruppe seien, sei nur eine Vermutung, sagt Anwalt
       Hüttl. Und dafür, ob die Männer im Stadion auch die Sprayer aus dem Video
       seien, gebe es keine Beweise. „Schon die Grundannahme ist falsch“, sagt
       Hüttl. Die Beschlusslage sei für die Anordnung einer Durchsuchung deshalb
       zu gering.
       
       Zudem habe die Polizei auch während der Razzia die Rechte der Betroffenen
       missachtet. Bei einem seiner Mandanten sei auch das Zimmer eines
       unbeteiligten Mitbewohners durchsucht worden. „Das war ein erkennbar
       separates Zimmer, kein Gemeinschaftsraum“, sagt Hüttl.
       
       Der Anwalt kritisiert zudem „die Einbindung der Medien“. So hätten
       Polizisten Gegenstände wie einen Pullover mit ACAB-(„All Cops Are
       Bastards“-)Logo für die Fotografen vor dem Haus aus dem Fenster gehalten.
       Eine Journalistin soll mit den Polizisten sogar in die Wohnung eines
       Beschuldigten gekommen sein. „Da ist unzweifelhaft, dass das ein Verstoß
       ist“, sagt Hüttl. Die Beamten müssten sicherstellen, dass niemand bei einer
       Durchsuchung bloßgestellt werde.
       
       „Ich bin arg verwundert, wie eine Journalistin da so nah heran kommen
       konnte“, sagt auch Oberstaatsanwalt Klinge. „Die Rechte der Betroffenen
       müssen wir natürlich schützen.“
       
       In Braunschweig ist die Situation anders: Bei dem Nordderby Hannover 96
       gegen Eintracht Braunschweig im April stürmten rund 180 Eintracht-Fans
       einen Bereich der HDI-Arena. Als die Polizei versuchte, die Lage unter
       Kontrolle zu bekommen, schlug ein vermummter Braunschweig-Fan einem
       Polizisten mit einem schweren Brecheisen auf den Helm. Die
       Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Totschlags.
       
       Auf einem Video sei zu sehen, wie der Täter, den Kuhfuß in beiden Händen,
       „mit voller Wucht auf den Schädel“ schlage, sagt Klinge. „Er konnte sich
       nie sicher sein, dass der Polizist nicht dabei stirbt.“
       
       Weil der Täter einer der rund 180 Fans sein müsse, habe die Polizei alle
       Anhänger ausgeschlossen, deren Kleidung oder Körpergröße nicht zu der
       Videoaufnahme passten. Die 92 von den Durchsuchungen Betroffenen seien als
       Täter infrage gekommen. Deshalb hätten die Beamten in ihren Wohnungen nach
       Beweisen wie Kleidungsstücken oder Datenträgern gesucht.
       
       Die Blau-Gelbe-Hilfe, eine Braunschweiger Fanorganisation, geht hingegen
       davon aus, dass die Durchsuchungen „politisch motiviert“ gewesen seien.
       „Die wollten die Ultra-Szene ein bisschen aufmischen“, sagt ein
       Fanvertreter, der anonym bleiben möchte. Zudem habe die Polizei „Einblick
       in die Szene bekommen“ wollen. Die Staatsanwaltschaft bestreitet das.
       
       Die Blau-Gelbe-Hilfe will die Durchsuchungen trotzdem „für unsere
       Mitglieder gerichtlich prüfen lassen“.
       
       22 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://vimeo.com/184548095
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Scharpen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Eintracht Braunschweig
 (DIR) Hannover 96
 (DIR) Nordderby
 (DIR) Durchsuchung
 (DIR) Polizei
 (DIR) Beschwerde
 (DIR) Polizei
 (DIR) Fußball-Bundesliga
 (DIR) Hannover 96
 (DIR) FC St. Pauli
 (DIR) Hannover 96
 (DIR) Hannover 96
 (DIR) Werder Bremen
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Fußballvereine
 (DIR) Ultras
 (DIR) Ultras
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Abgehörte Telefone: Polizei überwacht Fußballfans
       
       Hannovers Polizei behauptet, mit Telefonüberwachung von Fußballfans
       Körperverletzungen verhindert zu haben. Fanhilfe sieht Eingriff in die
       Grundrechte.
       
 (DIR) Eskalation bei Fußballspiel: Anzeige gegen Berliner Polizei
       
       Die Polizei ging beim Auswärtsspiel gegen Hertha BSC rigide gegen
       Werder-Ultras vor. Scharfe Kritik kommt vom Fanprojekt. 26 Ultras
       festgenommen
       
 (DIR) Widerstand bei Hannover 96: „Das ist zu viel unkritische Dankbarkeit“
       
       Vereinsboss Martin Kind will, dass im Profibereich Investoren das Sagen
       haben. Robin Krakau von der Interessenvertretung Pro Verein 1896 wirft dem
       Chef vor, Hannover 96 zu verramschen.
       
 (DIR) Gezielte Einschüchterung: Polizei besucht Pauli-Fan bei der Arbeit
       
       Ein Fan vom FC St. Pauli soll vor seiner Arbeitsstelle von Beamten
       angesprochen worden sein. Die „Braun-Weiße Hilfe“ und Fananwälte halten das
       für Einschüchterung
       
 (DIR) Hannoversche Vereinskultur: Neue Fans unerwünscht
       
       Hannover 96 sucht eigentlich immer neue Mitglieder. Es sei denn, sie stehen
       der Vereinsführung um Klubchef Martin Kind kritisch gegenüber. Dann werden
       sie abgelehnt.
       
 (DIR) Ultras in Braunschweig: Die unerwünschten Störenfriede
       
       Die linken Ultras sind in Braunschweig letztlich am Kampf gegen rechts
       zerbrochen. Der Verein sagt aber, es habe nie ein Problem mit einer rechten
       Szene gegeben.
       
 (DIR) Werder-Präsident über radikale Fans: „Wir würden Rechte niemals dulden“
       
       Der Präsident von Werder Bremen, Hubertus Hess-Grunewald, über Gründe für
       das gute Verhältnis zu linken Ultras und den Kampf gegen Rechte.
       
 (DIR) FC St. Pauli Fans: Nicht ganz gewaltfrei
       
       Während die „Ultrà Sankt Pauli“ geschätzt wird, sind die „New Kidz“ für den
       FC St. Pauli ein Problem.
       
 (DIR) Ultras in Bremen: Fankurve wird nazifrei
       
       Linke Fans von Werder Bremen haben dafür gesorgt, dass Nazis in der
       Ostkurve nicht mehr willkommen sind. Vor 15 Jahren sah das noch ganz anders
       aus.
       
 (DIR) Hardcore-Fußballfans und der DFB: Auch Ultras sind Eventmanager
       
       Fußballferne Inszenierungen können die Hardcorefans genauso gut wie Helene
       Fischer. Sie sind Teil des Geschäfts, das sie verteufeln.
       
 (DIR) Werder-Ultras über Polizei-Ermittlungen: „Das ist wirklich lächerlich“
       
       Die Polizei Bremen ermittelt, weil sie eine Fan-Choreografie der
       Antifa-Ultras „Cercle d’Amis“ für einen Gewaltaufruf hält. Die Ultras
       widersprechen