# taz.de -- Mögliche Abwahl des Direktmandats: Frauke Petry wankt weiter
       
       > Sie war die große Hoffnung. Nun will der rechte Rand der AfD Frauke Petry
       > loswerden. Beim Parteitag stand die Abwahl ihres Direktmandats zur
       > Diskussion.
       
 (IMG) Bild: Petry hat mit ihren Alleingängen viele gegen sich aufgebracht
       
       Viele AfDler schauen am Sonntagvormittag zur Bauernschänke in der kleinen
       Stadt Dohna in der Sächsischen Schweiz. Denn in dieser rustikalen
       Gaststätte ist der Parteitag des AfD-Kreisverbands Sächsische
       Schweiz-Osterzgebirge zusammengekommen. 52 Mitglieder, dazu noch einmal so
       viele Gäste, so erzählt es Rolf Süßmann, der Pressesprecher, am Telefon.
       Unter Punkt sechs haben es mehrere Anträge auf die Tagesordnung geschafft,
       die es in sich haben – und bundesweit für die AfD von Bedeutung sind. Es
       geht um die Bundestagswahl im September.
       
       Frauke Petry, eine der beiden ParteichefInnen, ist hier im
       Bundestagswahlkreis 158 die Direktkandidatin der Partei. Der Wahlkreis
       wurde ihr angetragen, war im vergangenen Jahr aus ihrem Umfeld zu hören. Im
       Herbst wurde die 42-Jährige mit 92 Prozent der Stimmen zur Direktkandidatin
       gewählt.
       
       Doch das passt nun manchen nicht mehr. Der Parteitag am Sonntag soll über
       Abwahlanträge zu Petrys Direktkandidatur abstimmen. Und so mancher in der
       AfD befürchtet nun neue Negativschlagzeilen über den Dauerzwist in der
       Partei, die die Zustimmung für die Rechtspopulisten weiter in Richtung
       5-Prozent-Hürde abrutschen lassen könnte. Wenn Frauke Petry abgewählt
       werde, sei die AfD „beim Projekt 4,8“ sagt Uwe Wurlitzer, Generalsekretär
       der sächsischen AfD und enger Vertrauter Petrys.
       
       Entscheidend für den ist die Abstimmung in Röhrsdorf nicht. Sie steht auf
       Platz eins der sächsischen Landesliste; zieht die AfD in den Bundestag ein,
       wäre Petrys Platz formal sicher. Aber die Abwahl als Direktkandidatin wäre
       eine weitere Degradierung der einst mächtigen Parteichefin. Und so manches
       Parteimitglied, das Petry bislang als „völlig schmerzfrei“ und
       „machtbesessen“ beschrieben hat, rätselt inzwischen darüber, ob sie nicht
       noch vor der Bundestagswahl aufgeben wird.
       
       ## Einfach des Kämpfens müde
       
       Petry, die auch sächsische Landes- und Fraktionsvorsitzende ist, ist an
       diesem Sonntagmorgen nicht in die Röhrsdorfer Bauernschänke gekommen. In
       Sachsen seien Sommerferien, hat ihr Büro in Dresden schon im Vorfeld auf
       Anfrage mitgeteilt. Das soll bedeuten, dass Petry in Urlaub ist. Mit
       schwingt aber auch: In den Sommerferien einen Parteitag zu veranstalten,
       ist eigentlich nicht zulässig. Die Beschlüsse könnten anfechtbar sein.
       Petrys Gegner hatten schon Anfang Juni einen Versuch gestartet, doch der
       Kreisparteitag wurde wegen möglicher Formfehler verschoben.
       
       Vielleicht aber ist Petry, die vor wenigen Wochen ihr fünftes Kind bekommen
       hat, einfach des Kämpfens müde. Oder will sich nicht noch einmal so
       demütigen lassen wie auf dem Bundesparteitag im April.
       
       Lange sah es so aus, als sei die Sächsin mit dem dunklen Kurzhaarschnitt
       die natürliche Spitzenkandidatin und künftige Fraktionschefin der AfD im
       Bundestag. Seit sie im Sommer 2015 den Machtkampf gegen Bernd Lucke gewann,
       ist Petry das bekannteste Gesicht der AfD.
       
       Petry hatte sich im Kampf gegen Lucke mit dem rechten Flügel der Partei
       verbündet. Jetzt macht ihr Co-Chef Jörg Meuthen, der einst als
       Wirtschaftsliberaler galt, mit AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und dessen Fans
       gemeinsame Sache. Petry dagegen ist beim rechten Flügel der Partei
       verhasst, [1][spätestens seit sie Ausschlussverfahren gegen Höcke und
       dessen Anhänger Jens Maier betrieb], ein Dresdener Richter, der Verständnis
       für den norwegischen Rechtsterroristen und Massenmörder Anders Breivik
       geäußert hat.
       
       ## Von der Partei isoliert
       
       Petry hat mit ihren Alleingängen viele gegen sich aufgebracht. Auch
       Meuthen, den sie erst an ihre Seite holte und dann lange wie einen
       Stellvertreter abkanzelte. Seit Petry im vergangenen Jahr nach Stuttgart
       reiste und öffentlichkeitswirksam in den Konflikt um die antisemitischen
       Äußerungen des Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon eingriff, den Meuthen
       nicht gelöst bekam, geht zwischen den beiden gar nichts mehr.
       
       Im Bundesvorstand hat sich Petry zunehmend isoliert. Sie sei
       beratungsresistent und spreche sich nur noch mit NRW-Landeschef Marcus
       Pretzell ab, mit dem sie inzwischen verheiratet ist und einen Sohn hat,
       heißt es. Manche in der Partei behaupten gar, Pretzell habe Petry
       verdorben. Besonders derb hat das der ehemalige Focus-Redakteur Michael
       Klonovsky ausgedrückt, den Petry einst als Spindoktor eingestellt hatte.
       Petry sei vielleicht die talentierteste Politikerin der AfD, schrieb
       Klonovsky, doch sie werde von Pretzell gesteuert, „einer Hochstaplerfigur
       (…) mit krankhaftem Drang zur Intrige“ – und sei deshalb eine Gefahr für
       die Partei. Zweifellos ist Pretzells Einfluss auf Petry groß, doch die
       Vorstellung, dass sie sein willenloses Werkzeug sei, dürfte auch einiges
       über Klonovskys Frauenbild aussagen.
       
       Viele gingen davon aus, dass Petry alleinige Spitzenkandidatin werden will,
       Meuthen tat sich mit Höcke und AfD-Vizechef Alexander Gauland zusammen, um
       das zu verhindern. In dem Konflikt ging es weniger um politische
       Inhalte,denn um Macht- und Strategiefragen. Inhaltlich ist Petry flexibel,
       in der Partei kursierten lange böse Sprüche darüber, man wisse gar nicht
       genau, wofür die Parteichefin eigentlich stehe. Mal will sie den Begriff
       „völkisch“ wieder positiv besetzen oder fordert, dass jede deutsche Frau
       drei Kinder kriege und dass man in letzter Konsequenz Flüchtlinge mit
       Schüssen am illegalen Grenzübertritt hindern müsse. Dann streitet sie für
       eine Abgrenzung zum extrem rechten Rand, um WählerInnen aus der Mitte nicht
       zu verprellen.
       
       Monatelang äußerte sich Petry nicht zu einer möglichen Spitzenkandidatur,
       Bundesvorstand und Parteimitglieder sprachen sich unterdessen in
       Abstimmungen gegen eine einzelne SpitzenkandidatIn und für eine Teamlösung
       aus. Gauland, der zwar gerne wie ein Gentleman aus dem englischen Landadel
       auftritt, aber auch ein gewiefter Machtpolitiker ist, hatte Petry
       öffentlich angeboten, mit ihr zusammen antreten zu wollen. Das Verhältnis
       der beiden ist zerrüttet, das ist bekannt; Petry ging darauf nicht ein.
       Alles schien auf einen Showdown beim Bundesparteitag Ende April in Köln
       hinzudeuten.
       
       ## Die Plätze neben ihr sind meist leer
       
       Am Montag vor dem Bundesparteitag lud Petry JournalistInnen ins Haus der
       Bundespressekonferenz in Berlin, es sollte um die Medienpolitik der
       sächsischen AfD-Fraktion gehen. Die hochschwangere Petry, die monatelang
       extrem angespannt war und im Gespräch mit Journalisten oft zickig reagiert
       hatte, wirkte plötzlich gelöst. Fragen zur Spitzenkandidatur aber blockte
       sie ab.
       
       Am Mittwoch dann überraschte sie alle mit einer Videobotschaft, die sie auf
       ihrer Facebookseite veröffentlichte. Sie stehe weder für eine alleinige
       noch für die Spitzenkandidatur eines Teams zur Verfügung, sagte Petry den
       ZuschauerInnen. Und forderte ihre Partei auf, sich auf dem Bundesparteitag
       auf einen realpolitischen Kurs festzulegen, um regierungsfähig zu werden.
       
       Doch ihr „Zukunftsantrag“ schaffte es in Köln nicht einmal auf die
       Tagesordnung, auch der Versuch ihrer Unterstützer, die Wahl von
       Spitzenkandidaten grundsätzlich zu verhindern, scheiterte. Das Kalkül
       dahinter: Ohne Spitzenkandidaten wäre die Parteichefin automatisch die
       Nummer eins im Wahlkampf gewesen. Für ihre Eingangsrede erhielt Petry
       freundlichen Applaus, umjubelt aber wurde ihr Co-Chef Meuthen für eine
       populistische Tirade – auch dann noch, als er sie direkt angriff. Das
       alles: eine Demütigung der Parteichefin.
       
       Danach saß Petry Stunde um Stunde ganz am Rand des Vorstandstisches auf der
       Bühne, die Plätze neben ihr meist leer, starrte auf ihr Handy oder
       streichelte ihren Schwangerschaftsbauch.
       
       ## Mögliche Klage gegen Frauke Petry
       
       Zu ihren SpitzenkandidatInnen wählten die Delegierten Gauland und Alice
       Weidel. Dass ausgerechnet die beiden sich angesichts eines geleakten Chats
       einer WhatsApp-Gruppe der sachsen-anhaltinischen AfD („Deutschland den
       Deutschen“) Ende Juni gezwungen sahen, ihrerseits in einer Videobotschaft
       zu betonen, „dumpfe Parolen“ passten nicht zum AfD-Programm, und sich damit
       ebenfalls für einen realpolitischen Kurs einsetzten, dürfte Petry kaum
       getröstet haben.
       
       Der AfD-Chefin droht außerdem auch von anderer Seite Ungemach. Die
       Dresdener Staatsanwaltschaft hat vor einigen Wochen beim Sächsischen
       Landtag die [2][Aufhebung ihrer Immunität beantragt], Hintergrund ist ein
       möglicher Meineid im Wahlprüfungsausschuss des Parlaments im November 2015.
       Das ist keine Kleinigkeit, auf Meineid steht eine Haftstrafe von mindestens
       einem Jahr.
       
       In der Bauernschänke in Dohna-Röhrsdorf ist die Debatte „heiß“, wie einer
       der Petry-Gegner twittert. Am frühen Nachmittag beschließt der Parteitag
       eine geheime Abstimmung. 52 Mitglieder sind stimmberechtigt. 19 stimmen für
       die Abwahl, 33 dagegen.
       
       Über die Aufhebung der Immunität wird der zuständige Landtagsausschuss
       voraussichtlich am 17. August entscheiden. Der AfD-Chefin droht kurz vor
       der Bundestagswahl die Anklage. Schon sind aus der AfD erste Stimmen zu
       hören, in diesem Fall könne Petry nicht für den Bundestag kandidieren. Es
       bleibt eng für Frauke Petry.
       
       9 Jul 2017
       
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