# taz.de -- Verschleierungsverbot an Schulen: „Strafen bilden kein Vertrauen“
       
       > Niedersachsen will den Niqab an Schulen verbieten. Die Gesetzesnovelle
       > ist laut GEW nicht hilfreich und wird aus rechtspopulistischen Gründen
       > vorangetrieben
       
 (IMG) Bild: Eberhardt Brandt von der GEW ist generell dafür, dass man Menschen ins Gesicht sehen kann
       
       taz: Herr Brandt, eine Verschärfung des Schulgesetzes soll
       Vollverschleierungen an niedersächsischen Schulen verhindern. Halten Sie
       das für sinnvoll? 
       
       Eberhard Brandt: Ich glaube, der Gesetzesvorschlag hilft nicht. Er besagt,
       dass die Schüler nicht durch ihr Verhalten oder ihre Kleidung die
       Kommunikation erschweren dürfen. Das ist zu vage formuliert. Den Schulen
       wird dadurch keine Rechtssicherheit gegeben.
       
       Was kritisieren Sie konkret an dem Vorhaben? 
       
       Vor allem, dass die allgemeine Formulierung Willkür schafft. Wir hatten in
       Niedersachsen schon Fälle, bei denen Schulleiter gesagt haben, dass
       Miniröcke eine bestimmte Mindestlänge haben müssen, sonst dürfen die
       Schülerinnen die Schule nicht betreten. Es hieß, das beeinträchtige die
       Kommunikation, die Schüler und Lehrer wissen gar nicht mehr, wo sie
       hingucken sollen. Es ist nicht eindeutig, was alles unter den
       Gesetzesvorschlag fällt. Was ist, wenn sich Schüler aus Jux etwas um den
       Kopf binden?
       
       Das Gesetz wurde aber wegen des Niqab überarbeitet. 
       
       Diese Pauschalformulierung gibt wahnsinnig viel Freiheit in jede Richtung.
       Es ist unklar, was wir mit SchulleiterInnen machen, die im Sommer
       Anwandlungen kriegen, für die „Sittlichkeit“ zu sorgen. Der
       Gesetzesvorschlag verbietet nicht generell den Niqab, es wird aber die Tür
       geöffnet, Kleidung juristisch streitbar zu machen.
       
       Ist Vollverschleierung tatsächlich ein so großes Problem? 
       
       Es ist eine Sache, die kaum vorkommt. Sie wird von der CDU-Fraktion im
       Landtag aufgeblasen, um rechtspopulistisch vorgehen zu können. In
       Niedersachsen gab es nur zwei bekannte Fälle. Bei anderen Fällen von
       verschleierten Schülerinnen haben die Lehrer auf unspektakuläre Art und
       Weise dafür gesorgt, dass durch pädagogische Einwirkung die Schülerinnen
       erkannten, dass sie eine Vollverschleierung doch nicht wollen. Es wurde
       nicht mit Disziplinarmaßnahmen gedroht. Das ist auch gut, denn Strafen
       bilden kein Vertrauen.
       
       Wie gehen Schulen mit Vollverschleierten um? 
       
       In einem Fall hat eine Schülerin in Belm ihre Niqab in der achten Klasse
       aufgesetzt. Die Schulleitung vertrat die Auffassung, dass man die Schülerin
       auch erkennt, wenn sie verschleiert ist. Sie hat ihren Realschulabschluss
       auch geschafft. Sie wurde lange nicht an die Behörde gemeldet, weil es
       unproblematisch war. Einen anderen Fall gab es in Osnabrück, da habe ich
       die Schulleitung beraten. Es handelte sich um ein liberales Abendkolleg,
       das von vielen Schülerinnen, die Kopftücher tragen, besucht wird. Lehrer
       und Kollegiaten haben über Vollverschleierung an der Schule abgestimmt. Sie
       wollten eine Schülerin nicht in Niqab sehen, weil sie sich zwei Jahre zuvor
       noch nicht so kleidete. Sie waren überzeugt, dass sie damit provozieren
       wollte. Die erwachsene Schülerin durfte dann das Abendkolleg auch nicht
       mehr besuchen. Diese Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht bestätigt.
       Es ist wichtig, von Fall zu Fall zu entscheiden.
       
       Warum kann man den Niqab an Schulen nicht generell verbieten? 
       
       Wir haben ein Spannungsverhältnis zwischen dem persönlichen Rechtsanspruch
       auf Gläubigkeit und dem allgemeinen Bildungsauftrag. Generell bin ich
       dafür, dass der Niqab nicht getragen wird und man sich ins Gesicht schauen
       kann. Die Frage ist, was man tut, um diese Norm durchzusetzen.
       
       Was tragen Schulen dazu bei? 
       
       Sie leisten mehr, als öffentlich wahrgenommen wird. Es ist gut, wenn es
       nicht skandalisiert wird, weil man dann die Fälle in Ruhe klären kann. Man
       muss pädagogischen Einfluss positiv ausüben, um niemanden aufzugeben. Aber
       Schulen müssen auch eine Entscheidung treffen, ab wann sie ausgrenzen, weil
       eine Linie überschritten und der pädagogische Prozess zerstört ist.
       
       21 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Steffens
       
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