# taz.de -- Rechtsextreme in Frankreich: Zerreißprobe im Front National
       
       > Uneinigkeit und eine gewisse Ratlosigkeit dominieren die Führungsspitze
       > des FN. Das Risiko einer Spaltung ist gewachsen. Es geht um die EU.
       
 (IMG) Bild: Florian Philippot (r.) muss womöglich für die Unzufriedenheit mit Marine Le Pen (l.) herhalten
       
       PARIS taz | Der rechtsextreme Front National (FN) will seine schmutzige
       Wäsche nicht an die Öffentlichkeit tragen. Die Debatte über die Zukunft
       fand darum im Rahmen eines Seminars der Parteiführung hinter verschlossenen
       Türen statt. Am Wochenende zog das von Parteichefin Marine Le Pen
       einberufene FN-Politbüro in der Zentrale von Nanterre bei Paris Bilanz.
       
       Die Situation der Rechtsextremisten ist paradox: Noch nie hatte der FN bei
       Präsidentschaftswahlen so viele Stimmen bekommen wie im Ende April mit
       Marine Le Pen. Sie unterlag danach aber in der Stichwahl gegen Emmanuel
       Macron klar. Noch nie hatte der FN auch bei der Wahl der Abgeordneten mit
       dem sehr nachteiligen Mehrheitswahlrecht so viele Sitze erobert wie im
       Juni.
       
       Also Grund zu Stolz und Freude? Nein, ganz im Gegenteil. Die Mitstreiter
       von Le Pen hatten viel mehr erwartet als einen Achtungserfolg. Kaum jemand
       bestreitet intern, dass die Präsidentschaftskampagne schlecht organisiert
       und noch schlechter inszeniert wurde.
       
       Die Kandidatin hat nach fast einhelliger Ansicht ihr Fernsehduell gegen
       Macron total verpatzt. Die Schuld daran wird weniger der Parteichefin
       selbst zugeschoben als vielmehr ihren Beratern. Noch existiert in dieser
       von ihrem Vater gegründeten Partei ein Chefkult, der es kaum zulässt, die
       Autorität der Vorsitzenden offen infrage zu stellen.
       
       An ihrer Stelle sitzt hingegen der bisherige FN-Chefstratege und Ideologe
       Florian Philippot auf dem Schleudersitz. Das zumindest sehen die Anhänger
       einer orthodoxen rechtsradikalen Linie so. Sie wollen die Partei zurück auf
       ihre rechtsextremen Prioritäten des Nationalismus gegen die Immigration
       drängen.
       
       ## Intrigiert der Vater gegen die Tochter?
       
       Mit seinen teils von links importierten sozialpolitischen Versprechungen
       und der europapolitischen Achse eines Austritts aus der EU und dem Euro
       habe Philippot die Leute bloß verwirrt, argumentieren sie.
       
       Selbst Marine Le Pen war während ihrer Wahlkampagne nicht in der Lage zu
       sagen, ob der FN nun klar für ein „Frexit“ samt Austritt aus der
       Währungsgemeinschaft sei oder nur eine Volksabstimmung dazu wünsche. Die
       heutige Kehrtwende in dieser Frage erklärt sich vielleicht auch mit
       Meinungsumfragen, die ergeben, dass eine Mehrheit der Franzosen und
       Französinnen am Euro festhalten wollen.
       
       Es ist nicht unwahrscheinlich, dass hinter den Kulissen der offiziell
       ausgeschlossene Jean-Marie Le Pen gegen Philippot und seinen
       „souveränistischen“ Flügel oder sogar gegen die eigene Tochter intrigiert.
       
       Alles Vertuschen nützt nichts: Der FN steckt mitten in einer Zerreißprobe.
       Es geht um die politische Ausrichtung und die Strategie, aber auch um das
       Auftreten und sogar den Parteinamen, den Marine Le Pen selber eher als
       Relikt aus den Gründungsjahren betrachtet, das ihren Versuchen, die Partei
       „salonfähig“ zu machen, zuwider läuft.
       
       Der interne Streit geht unvermindert weiter. Im Herbst sollen sich die
       Mitglieder bei einer Befragung zur Orientierung äußern. Das ist eine
       Premiere in dieser Partei, die nicht gerade für Basisdemokratie berühmt
       ist. Man kann dies auch als Anzeichen dafür interpretieren, dass das Risiko
       einer Spaltung besonders stark ist. Philippot hat vorsorglich bereits eine
       eigene Bewegung, „Les Patriotes“, gegründet. Er weiß, dass er seit Marine
       Le Pens Niederlage als Sündenbock designiert ist.
       
       23 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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