# taz.de -- Debatte über G20 in Hamburg: Unklare Haltung zu Gewalt
       
       > Bei der Diskussion über das Aufräumen nach G20 gibt es in der
       > Patriotischen Gesellschaft wenig Fragen, ein interessantes Detail zu
       > übergriffigen Polizisten und eine Forderung
       
 (IMG) Bild: Autonome Szene: eine machtlose Masse
       
       HAMBURG taz | Die Männer auf dem Podium kommen aus, vorsichtig gesagt,
       unterschiedlichen Welten. Geklatscht hat das Publikum für alle: den
       Verleger und Ex-Terroristen Karl-Heinz Dellwo, den Staatsrechtler und
       früheren schleswig-holsteinischen Innenminister Hans Peter Bull (SPD), den
       Intendanten des Thalia-Theaters, Joachim Lux, und den Fraktionsvorsitzenden
       der Hamburger SPD, Andreas Dressel. Von daher war es erst einmal schwierig
       zu sagen, wo die Sympathien lagen bei den Leuten, die in die Patriotische
       Gesellschaft gekommen waren, um zu erfahren, wie die Erfahrung des
       G20-Gipfels Hamburg verändert hat.
       
       Karl-Heinz Dellwo sagt, dass ihm der Satz eines Polizeidirektors nicht aus
       dem Kopf gegangen sei. Der habe gesagt: „Wir werden euch alle kriegen“, und
       dieses „euch“, so klinge es, dürfe man jagen. Das entspreche seinem,
       Dellwos, Eindruck vor Ort: Vor den Wasserwerfern und der
       Hightech-Ausrüstung der Polizei seien jene anderen von vorneherein „eine
       machtlose Masse“ gewesen. „Die politische Kaste möchte nicht mehr gestört
       werden“, sagte Dellwo.
       
       Danach gab es Beifall, auch, aber nicht nur, von den SchülerInnen in den
       letzten Reihen, deren Anwesenheit dem Lehrplan geschuldet schien. Das war
       das Erfrischende an diesem Abend: dass das Publikum zumindest aus
       verschiedenen Schattierungen der üblichen Verdächtigen zusammengesetzt war,
       aus den SchülerInnen, die viel, aber nicht immer mit ihren Handys
       beschäftigt waren, aus Männern mit langen Zöpfen und Frauen in Blazern aus
       guter Wolle.
       
       Man könnte sagen, dass die Beiträge von Dellwos Nachbarn auf dem Podium
       ebenfalls nicht gänzlich unerwartbar waren: dass Bull die Polizei als
       Ganzes in Schutz nahm, die „nicht den Kapitalismus verteidigt, sondern die
       öffentliche Sicherheit“ – „dafür können Sie auch mal klatschen“.
       
       Naheliegend, dass SPD-Mann Dressel betonte, dass Zehntausende friedlich
       demonstriert hätten und einräumte, dass man vor dem Gipfel mehr mit den
       BürgerInnen hätte sprechen sollen. Naheliegend, dass sich der
       Anti-Atom-Veteran Lux vor allem an Dellwo abarbeitete, dass er ihm
       zustimmte, Systeme jeder Art misstrauisch zu betrachten, um ihn dann wegen
       seiner unklaren Haltung zur Gewalt anzukarren. „Man muss die Beweislast
       umkehren“, forderte Lux: Die autonome Szene habe vor dem Gipfel massiv mit
       Gewalt gedroht. Beifall.
       
       Nichts ganz Neues also. Aber doch ein Austausch von Standpunkten. Ein
       Forum, in dem trotz allem so etwas wie ein Gespräch beginnt. Und ein paar
       interessante Details abwirft: dass die SPD bei den Bundestagswahlen in den
       von den Ausschreitungen betroffenen Stadtteilen überproportional Stimmen
       verloren hat. Nicht an rechts, sondern an die Parteien links von ihr. Dass
       fast die Hälfte der internen Ermittlungen gegen übergriffige Polizeibeamte
       nicht durch Anzeigen von außen ins Rollen gekommen sind, sondern durch den
       Apparat selbst.
       
       Nichts Neues, dass das Publikum im Anschluss keine Fragen stellte, sondern
       trotz Nachhakens bei Koreferaten blieb. Und vor allem eines forderte: mehr
       Gespräch der PolitikerInnen mit den BürgerInnen.
       
       Das mag nicht spektakulär sein, aber deutlich.
       
       Am Ende schloss Joachim Lux an das an, was Moderator Becker zu Beginn
       sagte: dass niemand über die Inhalte von G20 diskutiere. „Die großen Themen
       sind untergegangen“, sagte Lux. „Hunderttausende werden mit unseren
       Steuergeldern im Mittelmeer umgebracht.“ Aber dann ging es erst mal weiter
       mit den Themen, die mehr Konjunktur haben. Etwa der Frage, ob es Strategie
       war oder nicht, dass in einem Demo-Camp keine Polizeikontrollen
       stattfanden.
       
       6 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Friederike Gräff
       
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