# taz.de -- Lieblingssport in Kuba: Fußball ist das neue Baseball
       
       > Immer mehr Kubaner wenden sich von ihrer Lieblingssportart Baseball ab.
       > Der Fußball gewinnt dagegen an Beliebtheit.
       
 (IMG) Bild: Ist der kubanische Baseball ganz unten angekommen?
       
       SANTIAGO DE CUBA taz | Guillermón Moncada steht auf dem überdimensionierten
       bunten Schild neben dem Eingang zum Baseball-Stadion von Santiago de Cuba.
       Enrique Puertocarrero steht daneben und wartet auf seinen Freund Juan
       Navarete, der hinter dem Fahrer auf einem alten MZ-Motorrad angebraust
       kommt. Die beiden sind spät dran, denn aus dem Stadion ist schon das
       charakteristische Klacken der Schläger zu hören, wenn sie auf die
       korkummantelte Kugel treffen. 3:0 steht es, als die beiden das Stadion
       betreten, allerdings für den Gast, die Huracanes de Mayabeque.
       
       Die beiden machen lange Gesichter, denn eigentlich ist bei ihrem Klub,
       Santiago de Cuba, gerade wieder ein Aufwärtstrend festzustellen. „Dafür ist
       der Coach verantwortlich. Nach vielen Abgängen hat er so langsam wieder
       eine neue Mannschaft aufgebaut“, erklärt Juan Navarete.
       
       Der Coach, der in Santiago de Cuba die Weichen neu stellt, ist ein alter
       Bekannter: Orestes Kindelán. Der Mann mit der sauber rasierten Glatze ist
       eine Béisbol-Legende Kubas, hat 487 Homeruns in der kubanischen Liga
       geschlagen, drei Olympiatitel gewonnen und im April 2017 den Posten des
       Chef-Coaches der Avispas, der Wespen, aus Santiago de Cuba übernommen.
       
       Großen Sport gab es hier im Süden der Pazifikinsel, im Guillermón Moncada,
       schon länger nicht zu sehen. Der letzte Meistertitel datiert aus der Saison
       2008 und die Talfahrt des achtfachen kubanischen Meisters geht einher mit
       sinkenden Erfolgen auf internationaler Ebene. Während die Cracks von der
       Insel früher die Baseball-Weltmeisterschaften fast nach Belieben
       dominierten und auch beim Clásico Mundial der Profis eine gute Figur
       machten, verloren sie in diesem Jahr gegen Nationen wie Israel und Holland
       – wahrlich keine Baseball-Großmächte.
       
       ## Manche gehen auch legal ins Ausland
       
       Das hat Gründe, so Béisbol-Fan Navarete. „Immer früher wagen die Talente
       der kubanischen Serie Nacional den Sprung in die großen Ligen.“ Sie setzten
       sich bei Auslandsreisen der Nationalmannschaft ab oder verlassen illegal
       die Insel in Richtung Dominikanische Republik oder Mexiko.
       
       Das hat seit Ende der 1980er Jahre Tradition; und mehr als siebzig Stars
       von der Insel nennt eine im Internet kursierende Liste, auf der nur die
       ganz großen Namen aufgeführt sind. Zu denen gehört Adeiny Hechavarría, der
       2009 aus Santiago Richtung Mexiko flüchtete und nun bei den Tampa Bay Reys
       spielt. Die Spieler, die Kuba verlassen, um professionell auf höchstem
       Level zu spielen, werden immer jünger.
       
       Ein Beispiel: Luis Robert Moirán. Der 19-Jährige wurde von den Chicago
       White Sox am 27. Mai 2107 vorgestellt. 25 Millionen US-Dollar investiert
       die Equipe in den jungen, unerfahrenen Mann, und solche Summen lassen
       Vorbehalte gegenüber dem Wechsel in ein fremdes Land wie Butter in der
       Sonne schmelzen.
       
       „Unser Team hat aber nicht nur an Qualität wegen Abwanderung in die USA
       verloren, sondern auch weil mehrere Spieler ganz legal ins Ausland gegangen
       sind – nach Japan oder Mexiko“, erklärt Juan Navarete. Das ist seit dem 1.
       Januar 2014 möglich, denn seitdem sind Auslandsverträge mit der japanischen
       oder der mexikanischen Liga legal, um der Republikflucht entgegenzuwirken.
       Das funktioniert mehr oder minder, aber auch darunter leidet die Qualität
       der Liga, murren die Fans. Die registrieren allerdings auch, dass Fußball
       beim Nachwuchs immer beliebter wird.
       
       ## Vor der großen Baseball-Krise
       
       In Santiago de Cuba, neben Pinar del Río, Villa Clara und den Industriales
       aus Havanna eines der dominierenden Teams der letzten zwanzig Jahre, sieht
       man immer öfter den Ball zwischen kleinen Toren rollen. Embleme von Real
       Madrid und dem FC Barcelona schmücken hier und da Hauswände. „Unsere chicos
       haben den Fußball entdeckt, unter anderem weil hier Spitzenspieler der
       spanischen, aber auch der englischen und der deutschen Liga übertragen
       werden und viel mehr als früher über Fußball berichtet wird“, so Enrique
       Puertocarrero.
       
       „Im Gegensatz zum Baseball ist Santiago im Fußball im Juli Meister geworden
       – ich glaube, zum ersten Mal“, sagt er. Dafür ist ein italienischer Coach,
       Lorenzo Mambrini, mitverantwortlich, und der Titel hat dafür gesorgt, dass
       Fußball in Santiago nun noch populärer ist als zuvor. Lange dominierten
       Mannschaften wie Villa Clara oder Ciego de Ávila die kubanische Liga.
       
       Doch mittlerweile ist fútbol auch in den beiden größten Städten des Landes
       populär, wodurch den Trainern mehr Talente zur Verfügung stehen. Das sorgt
       im Umkehrschluss dafür, dass Baseball mit dem Fußball um den Nachwuchs
       konkurrieren muss, was Fans wie Juan Navarete nicht begeistert. Mit dem
       Spiel seines Teams ist er heute von Inning zu Inning zufriedener. Schon im
       dritten Inning hat sein Team ausglichen.
       
       Das wird im halb gefüllten Rund mit Beifall quittiert und ständig kommen
       weitere Zuschauer, die erst auf die kaputte Anzeigentafel gucken und sich
       dann beim Sitznachbarn über Spielstand und -verlauf informieren. Nach dem
       fünften Inning steht es 9:4 für die Schützlinge von Orestes Kindelán. 14:4
       endet das Spiel, und für die Juan Navarete ist Santiago auf einem guten
       Weg, das Niemandsland der Tabelle zu verlassen. „Diese Saison könnten wir
       mal wieder unter den ersten vier der Tabelle landen“, hofft er. In dieser
       Tabellenregion war Santiago lange Jahre angesiedelt – vor der großen
       Baseball-Krise.
       
       6 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julio Abreu Valvidia
       
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