# taz.de -- Berlins Grüne Jugend-Chef über Jamaika: „Positionen, die abstoßend sind“
       
       > Caspar Schumacher sieht eine mögliche Jamaika-Koalition kritisch. An
       > seine Partei richtet er eine deutliche Warnung.
       
 (IMG) Bild: Grüne Jugend droht der Mutterpartei mit großem Jamaika-Unwetter
       
       taz: Herr Schumacher, sagen Sie Jamaika oder Schwampel? 
       
       Caspar Schumacher: Wir sagen Jamaika.
       
       Der Grünen Jugend wird ein durchaus kritisches Verhältnis zu dieser
       möglichen Viererkoalition nachgesagt. Ihre Bundessprecherin Jamila Schäfer
       sagte in einem taz-Interview, Jamaika könne die Grünen „zerschreddern“. Wie
       sieht die Berliner Jugendbasis das? 
       
       Genauso. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen wird vielen erst nach und nach
       deutlich, was ein solches Bündnis eigentlich bedeuten würde – nichts Gutes.
       Wir Grünen wurden gewählt, um etwas zu verändern, und nicht, um das
       Schlimmste bei Union und FDP zu verhindern.
       
       Wo sehen Sie „rote Linien“ für mögliche Koalitionsvereinbarungen? 
       
       Klimaschutz, Menschenrechte, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit –
       das ist uns total wichtig. Wir sind klar gegen eine Flüchtlingsobergrenze
       und finden, dass Bleibeperspektiven geschaffen werden müssen. Auch
       Abschiebungen nach Afghanistan wird es mit den Grünen nicht geben.
       
       Sollte es aber zu Kompromissen, etwa bei der Obergrenze, kommen, wie würden
       Sie darauf reagieren? 
       
       Das ist für uns ein No-go. Man kann nicht mit Menschenleben spielen. Bei
       dem Thema sieht man den Rechtsruck, den CDU und CSU derzeit vollziehen – es
       wäre unverantwortlich, wenn wir da mitziehen würden.
       
       Welche Konsequenzen hätte das für Ihr Verhältnis zu den Grünen? 
       
       Ich glaube, dass viele junge Menschen dann aus der Partei austreten würden.
       Das würde ihr massiv schaden. Wir als Grüne Jugend sehen uns auch in der
       Verantwortung, der Stachel der Partei zu sein, und scheuen uns nicht,
       scharfe Kritik zu üben. Das hat man auch bei den Jusos gesehen, als es 2013
       um die Entscheidung für die Große Koalition ging. Die Jusos haben deutliche
       Worte an die SPD gerichtet. Wir würden sogar noch härter kritisieren.
       
       Also nicht mal eine Vier minus, sondern eine Sechs plus für die
       Parteiführung? 
       
       Ja. Ich glaube, dass wir kritikfähiger sind und auch keine Angst haben,
       diese Kritik auszusprechen. Es wäre für ganz viele Mitglieder der Grünen
       Jugend einfach schwer, in der Partei zu bleiben und zu rechtfertigen, warum
       die Mutterpartei jetzt dies und das macht.
       
       Wie sieht das Verhältnis zwischen Partei und Nachwuchs in Berlin aus? 
       
       Wir haben viel Einfluss und werden sehr ernst genommen. In einigen Bezirken
       sind Mitglieder der Grünen Jugend in den Verordnetenversammlungen. Es gibt
       in Tempelhof-Schöneberg sogar einen Listenplatz bei den Grünen, der extra
       für eineN unserer KandidatenInnen reserviert ist.
       
       Und auf Landesebene? 
       
       Wir SprecherInnen, meine Kollegin Louisa und ich, nehmen aktiv an den
       Sitzungen der Abgeordnetenfraktion teil, sind also nicht nur „stille
       Gäste“. Wenn wir das Gefühl haben, dass etwas nicht so cool läuft, aktuell
       etwa die Geschichte mit dem grünen Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel
       in Mitte, scheuen wir uns nicht, öffentlich Kritik zu üben.
       
       Und das wirkt? 
       
       Auf jeden Fall. Machen wir deutlich, dass wir mit einer Sache unzufrieden
       sind, kommen immer Leute auf uns zu, wir treffen uns zu Gesprächen und
       diskutieren das. Das ist allerdings nicht nur so, wenn wir mit einer
       Situation ein Problem haben. Wir waren auch aktiv am Koalitionsvertrag von
       R2G beteiligt. So soll nun geprüft werden, ob für Berlin eine sogenannte
       Bärenkarte – eine solidarische Finanzierung der öffentlichen Verkehrsmittel
       – praktikabel ist. Das haben wir da hineinverhandelt. Darauf sind wir sehr
       stolz.
       
       Was hätte eine Jamaika-Koalition im Bund für Folgen für die Grünen in
       Berlin? 
       
       Das wäre schwierig für uns, vor allem, da die nächste Bundestagswahl und
       die Abgeordnetenhauswahl in Berlin im selben Jahr stattfinden. Da müssten
       wir den Menschen dann erklären, warum wir Rot-Rot-Grün hier als
       fortschrittlich sehen und gleichzeitig im Bund etwas völlig anderes
       mittragen – das kann für die Grünen nicht gut sein.
       
       Wie ist Ihr Verhältnis zu den Nachwuchsorganisationen von CDU und FDP in
       Berlin? 
       
       Wir haben nur im Wahlkampf miteinander zu tun, auf Podiumsdiskussionen
       oder bei größeren Veranstaltungen. Davon abgesehen sind die Unterschiede
       einfach viel zu groß. Und gerade bei der Jungen Union werden Positionen
       vertreten, die wir abstoßend finden.
       
       Können Sie ein Beispiel nennen? 
       
       Wir wollen, dass sich bei Treffen alle wohl fühlen, auch Frauen und
       Transpersonen. Darum führen wir eine quotierte Redeliste. So etwas gibt es
       bei der Jungen Union gar nicht, im Gegenteil, da fallen auch
       diskriminierende Äußerungen – das geht einfach gar nicht.
       
       Und diese Haltung behalten Sie auch jetzt bei? 
       
       Natürlich. Eine Ortsgruppe von uns wurde letztens von JU und JuLis (die
       Jungen Liberalen, Nachwuchsorganisation der FDP; die Red.) zu einem
       Gespräch eingeladen. Daran haben wir teilgenommen, obwohl wir uns
       normalerweise nie mit der JU treffen würden. Davor waren manche noch
       unsicher, ob sie Jamaika eine Chance geben wollen, doch danach stand für
       die meisten von uns fest: Gemeinsamkeiten sind einfach kaum vorhanden.
       
       23 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sophie-Isabel Gunderlach
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bundestagswahl2017
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Grüne Jugend
 (DIR) Deutsche Politik
 (DIR) Jamaika-Koalition
 (DIR) Jamaika-Koalition
 (DIR) Jürgen Trittin
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2021
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Vor den Jamaika-Finanzverhandlungen: Alle für die schwarze Null
       
       Nach Union und FDP bekennen sich auch die Grünen zum Verzicht auf neue
       Schulden. Alle müssen sich von teuren Wünschen verabschieden. Eine Analyse.
       
 (DIR) Koalitionssondierung in Berlin: Das erste Mal an einem Tisch
       
       Die Parteichefs von Union, FDP und Grünen redeten fünf Stunden über
       Jamaika. Was dabei rausgekommen ist? Neun Fragen und Antworten.
       
 (DIR) Comeback von Jürgen Trittin: Geleitschutz oder Torpedo
       
       Jürgen Trittin ist nur noch ein einfacher Grünen-Abgeordneter. Dachten
       manche. Nun verhandelt er mit Merkel über Jamaika. Was will er?
       
 (DIR) Nachwuchsverbände treffen sich: Jugend trainiert für „Jamaika“
       
       In Berlin treffen sich die Jugendverbände von Union, FDP und Grünen. Das
       Kennenlernen zeigt: Vor allem die großen Fragen trennen sie.
       
 (DIR) Grüne Jugend zum Unionskurs: „Jamaika kann uns schreddern“
       
       Die Junggrüne Jamila Schäfer wirft der CSU vor, das Geschäft der AfD zu
       betreiben. Die Grünen würden die 200.000-Begrenzung „nicht mittragen“.