# taz.de -- Investoren-Macht vs. Mitglieder-Demokratie: Wem gehört der Fußball?
       
       > Der Präsident von Hannover 96 hält die Aktienmehrheit an der
       > Profiabteilung seines Vereins – nun will er dort auch das Sagen haben.
       
 (IMG) Bild: Präsident von Hannover 96: der Unternehmer Martin Kind.
       
       HANNOVER taz | Im Fall Hannover 96 geht es um die Macht im Klub. Wer darf
       über den Profifußball in der Stadt bestimmen und wer nicht? Auf diese Frage
       muss die Deutsche Fußball-Liga (DFL) eine Antwort finden. Über den Fall
       hinaus zeigt das Beispiel Hannover, dass der deutsche Fußball sich
       entscheiden muss: Will man eher der Breite gerecht werden – oder fördert
       man ein System, mit dem die Wahrscheinlichkeit auf internationale
       Spitzenergebnisse steigt?
       
       Fest jedenfalls steht: So wie sich auch die gesamtgesellschaftlichen
       Strukturen zu wandeln scheinen, steckt auch die Kickerbranche in einem
       Prozess der Veränderung. Wo Bindungen an Parteien und Konfessionen
       abnehmen, bleibt das Vereinswesen nicht unberührt. Amateurklubs, vor allem
       in ländlichen Gebieten, spüren das längst. Die Lust aufs Ehrenamt,
       essenzielle Quelle für die Basis, hat abgenommen. Individualität verträgt
       sich nicht unbedingt mit dem Gemeinschaftssport Fußball. Dem Volkssport
       läuft das Volk davon.
       
       Und im Profibereich? Da sterben die Fans, da stirbt der leidenschaftliche
       Kuttenträger aus. Wer in Hamburg geboren wird, könnte dem HSV anhängen,
       genauso gut aber auch Bayern München, Manchester United oder Real Madrid.
       Das treue Mitglied wird zum Kunden, ein Trend, der nicht neu ist, sich aber
       verstärkt. Und dennoch boomt die Branche, weil die Kundschaft (noch)
       Schlange steht. Sie wird aber wählerischer. Spitzenklasse statt
       Mittelklasse ist gefragt, nur wenige Ausnahmen – siehe FC St. Pauli –
       bestätigen die Regel.
       
       Spitzenklasse, zumal internationale, kostet Geld. Weil die bekannten
       Quellen – Eintrittsgelder, TV-Gelder, Sponsoren, Fanartikel-Verkäufe –
       endlich sind, hat die Suche nach neuem Kapital längst begonnen. Als
       scheinbar lukrative Lösung bieten sich Investoren an. Klubs, die Anteile
       ihrer Profifußball-Abteilung verkaufen, können derzeit hohe Erlöse
       erzielen. In Hannover ist dies schon zu 100 Prozent geschehen. Für
       vergleichsweise eher bescheidene 13 Millionen Euro halten vier Hannoveraner
       Geschäftsmänner, darunter Vereinschef Martin Kind und Drogeriemarkt-König
       Dirk Roßmann, alle Kapitalanteile an der Profifußballabteilung der Hannover
       96 GmbH & Co. KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien). Nur die
       Stimmanteile liegen noch zu 100 Prozent beim Mutterverein, dem
       Hannoverschen Sport-Verein von 1896 e. V. – wegen der 50+1-Regel.
       
       50+1-Befürworter, allen voran Andreas Rettig, Geschäftsführer des FC St.
       Pauli, sagen: 50+1 ist das Erfolgsgeheimnis des deutschen Fußballs. Ganz
       praktisch heißt 50+1: Der gemeinnützige Mutterverein (e. V.) muss über
       mindestens 51 Prozent der Stimmen am ausgegliederten Profibetrieb verfügen
       – die Investoren dürfen nur maximal 49 Prozent halten. So ist garantiert,
       dass der e. V. die vollständige Entscheidungsmacht hat, theoretisch
       jedenfalls.
       
       ## Deutscher Fußball gilt als investorenfeindlich
       
       In Deutschland bestimmen also nicht unbedingt diejenigen, die das meiste
       Geld geben; sondern – zumindest in der Theorie – die einfachen Mitglieder,
       wie sich ihr Klub aufstellen soll. Sie wählen Vorstände und Aufsichtsräte,
       können ihr Misstrauen wirksam kundtun – und satzungsgemäße Initiativen
       anschieben. Auch dann, wenn Investoren im Klub mit eingebunden sind. Der
       deutsche Fußballmarkt gilt deshalb als investorenfeindlich.
       
       Die DFL muss abwägen: 50+1 schwächen – dann erhält der deutsche Markt viel
       frisches Kapital, während im Gegenzug die Mitglieder ihr Stimmrecht über
       den Profifußball verlieren. Oder: 50+1 beibehalten – dann droht die
       Zweitklassigkeit im europäischen Vergleich. In Paris, Manchester oder
       Mailand herrscht längst die globale Finanzelite, die für einen Spieler wie
       Neymar 222 Millionen Euro ausgibt.
       
       30 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Joram
       
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