# taz.de -- Debatte Flucht der Rohingya: Von der Welt verlassen
       
       > Die Staatengemeinschaft lässt die aus Myanmar vertriebenen Rohingya im
       > Stich. Es fehlt der Wille, Asiens größte Flüchtlingskrise zu lösen.
       
 (IMG) Bild: Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch: 827.000 geflüchtete Rohingya leben dort
       
       Nur wer die riesigen Flächen im Südosten von Bangladesch gesehen hat, die
       derzeit zu einem der größten Flüchtlingslager der Welt zusammenwachsen,
       kann erfassen, wie viele Menschen aus dem benachbarten Myanmar (früher
       Birma) vertrieben wurden. Seit Ende August vergangenen Jahres flohen fast
       700.000 muslimische Rohingya vor den Gräueln der myanmarischen Armee über
       die Grenze. Es ist nicht das erste Mal, dass Bangladesch, eines der ärmsten
       Länder Asiens, Rohingya-Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufnimmt; das war
       bereits 1978 und Anfang der 1990er Jahre der Fall. Somit harren im
       Grenzdistrikt Cox’s Bazar mittlerweile mehr als eine Million Hilfesuchende
       aus.
       
       Dass sich Asiens größte Flüchtlingskrise eher verschärft hat, ist klares
       Indiz dafür, dass die internationale Gemeinschaft nicht nur die
       staatenlosen Rohingya im Stich lässt, sondern auch Bangladesch. Letzteres
       ist mit dem Massenansturm überfordert und muss wohl auf Dauer zusehen, wie
       es damit klarkommt. Dabei liegt die Lösung des Problems nicht in
       Bangladesch, sondern beim Nachbarn Myanmar, der die Rohingya als illegale
       Eindringlinge ansieht und ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert, obwohl
       viele seit Generationen in dem mehrheitlich buddhistischen Land leben.
       
       Die Kritik zielt nicht auf die Arbeit jener internationalen
       Hilfsorganisationen in Cox’s Bazar, die versuchen, die Not der Flüchtlinge
       zu lindern. Sie zielt auch nicht auf VertreterInnen der Vereinten Nationen,
       die nach bestmöglichen Kräften versuchen, das ihnen anvertraue Mandat zu
       erfüllen, aber durch Myanmars Regierung daran gehindert werden. So
       entschied die Regierung im Dezember, der UN-Sonderberichterstatterin für
       Menschenrechtsfragen, Yanghee Lee, künftig die Einreise zu verweigern. Lee
       äußerte sich über diese Entscheidung bestürzt und enttäuscht. Die
       Verweigerung der Kooperation „kann nur als starkes Indiz dafür gewertet
       werden, dass im Bundesstaat Rakhine sowie im übrigen Land etwas furchtbar
       Schreckliches vorgehen muss“, hatte sie damals erklärt.
       
       Vielmehr richtet sich die Kritik gegen die politischen Entscheidungsträger
       innerhalb der Weltgemeinschaft, die es – von wenigen Ausnahmen abgesehen –
       bei Lippenbekenntnissen belassen. Man äußert sich „besorgt“ oder
       „erschüttert“, spricht von „ethnischen Säuberungen“ und „Verbrechen gegen
       die Menschlichkeit“. Doch um Konsequenzen zu ziehen, dafür reichen die
       verbal geäußerte Empörung und Erschütterung nicht aus.
       
       ## Halbherzige Sanktionen bringen nichts
       
       Das ist umso verwerflicher, da das brutale Vorgehen des Militärs Strategie
       hatte und keinesfalls zufällig geschah. Denn bereits vor dem 25. August
       2017, als die Miliz Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) Dutzende
       Grenzposten von Polizei und Militär in Myanmars westlichem Bundesstaat
       Rakhine überfiel und die Armee mit einer brutalen Offensive gegen die
       gesamte Rohingya-Volksgruppe antwortete, gab es klare Indizien dafür, dass
       die Verbrechen gezielt geplant und vorbereitet worden waren.
       
       So hatten Medien bereits vor den Angriffen der Rohingya-Miliz
       übereinstimmend von Truppenverstärkungen im Rakhine-Staat berichtet und
       davon, dass die Krisenregion nahezu „abgeriegelt“ worden sei. Nicht zuletzt
       bestätigten Flüchtlinge in Bangladesch, dass Myanmars Militär, das bis
       heute behauptet, die Offensiven hätten sich ausschließlich gegen
       „Terroristen“ gerichtet, auch in jene Dörfer eindrang und sie dem Erdboden
       gleichmachte, wo die ARSA gar nicht zugeschlagen hatte.
       
       Es ist kein Zufall, dass Myanmars Armeechef Min Aung Hlaing die
       Massenflucht der Rohingya ins benachbarte Bangladesch als „Rückkehr der
       Bengalis in deren angestammte Heimat“ bezeichnete. Demnach hat Myanmar gar
       nicht die Absicht, die Angehörigen der muslimischen Volksgruppe wieder
       zurückzunehmen, auch wenn es mit Bangladesch Ende November ein
       entsprechendes Abkommen schloss.
       
       Angesichts von Morden, Folterungen, Massenvergewaltigungen und dem
       Niederbrennen ganzer Dörfer im armen, aber ressourcenreichen Rakhine-Staat
       muss die Frage gestellt werden, was noch passieren muss, ehe sich die
       internationale Gemeinschaft dazu aufrafft, eine entsprechende Resolution zu
       verhängen, welche die Gewalt gegen die Rohingya nicht nur klar verurteilt,
       sondern auch den Weg bereitet für ein globales Waffenembargo gegen Myanmars
       Generäle. Gezielte oder erweiterte Sanktionen einzelner Länder oder
       Staatengruppen, wie sie die EU nun planen, bringen gar nichts, wenn der
       Rest der Weltgemeinschaft nicht mitzieht.
       
       ## Suu Kyi ist Teil des Problems
       
       Wiederholt scheiterte eine Resolution des UN-Sicherheitsrats am Veto
       beziehungsweise am Widerstand Chinas, das schon Myanmars treuester
       Verbündeter war, als das Land noch unter Militärherrschaft gestanden hatte,
       sowie Russlands. Dies zeigt einmal mehr die Handlungsunfähigkeit der
       Vereinten Nationen, die einzig auf mangelndem politischen Willen beruht.
       Zwischendurch einigten sich die Mitglieder des Weltsicherheitsrates
       immerhin auf eine Erklärung, in der das Gremium die Gewalt gegen die
       Rohingya kritisierte und von Myanmars Führung die Wahrung rechtsstaatlicher
       Prinzipien verlangte. Bindend aber waren diese Forderungen nicht.
       
       Nicht zuletzt bleibt die Frage nach juristischer Aufarbeitung offen.
       Unbestritten ist, dass Myanmars Militär unter Armeechef Min Aung Hlaing
       hauptverantwortlich für die Gräuel ist, die Menschenrechtler als
       „Völkermord“ einstufen. Aber auch die De-facto-Regierungschefin und
       Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat sich mitschuldig gemacht.
       Die einstige Oppositionsführerin und frühere politische Gefangene der Junta
       hat moralisch versagt, indem sie die Verbrechen der Militärs wiederholt
       verteidigte. So muss vor allem die westliche Welt lernen, dass Suu Kyi Teil
       des Problems und nicht der Lösung ist. Dass die Weltgemeinschaft handelt,
       ist nicht in Sicht – und damit auch keine Lösung für die verfolgten und
       staatenlosen Rohingya.
       
       6 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicola Glass
       
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