# taz.de -- Völkerrechtler über Handelskriege: „Auch Deutschland hatte Schutzzölle“
       
       > Was sie schon immer über Handelskriege wissen wollten: Der Erlanger
       > Völkerrechtler Markus Krajewski erklärt die Grundlagen.
       
 (IMG) Bild: Zölle für Importe sind typische Mittel, mit denen Staaten ihre Beziehungen regeln
       
       taz: Herr Krajewski, jetzt mal für alle, die keine Weltwirtschaftsexperten
       sind – der „Handelskrieg“ zwischen den USA und Europa ist erst mal
       abgesagt, oder? 
       
       Markus Krajewski: Von einem Handelskrieg sollte man nicht vorschnell
       sprechen – aber einen Konflikt gibt es natürlich. Und der ist auch noch
       nicht abgesagt. Die USA haben die Schutzzölle gegenüber der EU ja nur
       [1][vorläufig ausgesetzt], und das nur nach bilateralen Verhandlungen. Die
       Welthandelsorganisation (WTO), die eigentlich zuständig wäre, musste
       zuschauen.
       
       Der Konflikt zwischen den USA und der EU hat sich hochgeschaukelt.
       US-Präsident Donald Trump drohte mit höheren US-Zöllen für Stahlimporte.
       Die EU-Kommission stellte zusätzliche Abgaben für US-Whisky, Jeans und
       Motorräder in Aussicht. Dabei sind Zölle doch ganz normal, oder? 
       
       Zölle für Importe sind tatsächlich typische Mittel, mit denen Staaten ihre
       Beziehungen regeln. Ausländische Produkte werden dadurch teurer. Das
       schützt einheimische Waren und Industrien vor Konkurrenz. Außerdem erzielen
       Regierungen Einnahmen, indem sie Zölle erheben. Das ist besonders wichtig
       für ärmere Länder, in denen das Eintreiben von Einkommens- oder
       Mehrwertsteuern schwierig ist.
       
       Welche Nachteile haben diese Importsteuern? 
       
       Die Endverbraucher zahlen drauf, weil im Preis auch der Zoll enthalten ist.
       Und liegt die Abgabe beispielsweise bei 100 Prozent, werden ausländische
       Produkte vielleicht gar nicht mehr verkauft. Bürger und Industrie müssen
       sich dann mit qualitativ möglicherweise schlechteren Waren aus dem Inland
       begnügen.
       
       Gibt es Beispiele für sinnvolle Zölle? 
       
       Dass Staaten wie England oder Deutschland im 19. Jahrhundert starke
       Industrien entwickelten, hatte auch mit Schutzzöllen zu tun. Das Deutsche
       Reich erhob zum Beispiel Abgaben auf Eisenimporte. Krupp und Thyssen
       freuten sich. Südkorea ging in jüngerer Zeit einen ähnlichen Weg.
       
       Die EU sagt: Wir sind für Freihandel. Verhält sie sich entsprechend oder
       betreibt sie selbst Protektionismus? 
       
       Auch die EU schützt eigene Branchen vor Konkurrenz. Der Zoll auf Rohkaffee
       ist niedrig, auf Kaffeepulver dagegen hoch. Afrika und Südamerika erschwert
       die EU damit, eigene Verarbeitungsindustrien aufzubauen. Diese lukrative
       Veredelungsstufe will man lieber selbst betreiben.
       
       Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen viele Staaten das Gatt-Abkommen.
       Heute gibt es die Nachfolgeorganisation WTO. Dabei geht es immer darum, die
       Zölle weltweit zu senken. Haben wir von dieser Politik nicht alle
       profitiert? 
       
       Wer ist mit „wir“ gemeint? Arbeiter in Stahlwerken des Ruhrgebiets oder
       Näherinnen der Textilindustrie eher nicht. Viele Arbeitsplätze in diesen
       Branchen sind hierzulande verloren gegangen, weil Unternehmen in China oder
       Pakistan billiger fertigen und ihre Produkte ohne hohe Zölle in Europa
       verkaufen. Die hiesigen Verbraucher jedoch profitieren von günstigen
       Preisen. Und unter dem Strich kann ein Staat wie Deutschland insgesamt
       Vorteile verbuchen. Jobs mit niedrigen Löhnen werden durch höher
       qualifizierte Tätigkeiten ersetzt. Wenn auch die staatliche Umverteilung
       von Wohlstand gut funktioniert, haben alle genug zum Leben. In
       Wohlfahrtsstaaten sind Zölle nicht so wichtig.
       
       Warum sind Linke oft gegen Freihandelsabkommen, durch die die Zölle sinken? 
       
       Bei solchen Verträgen geht es heute weniger um Zölle – die sind sowieso
       schon niedrig, sondern um andere staatliche Regulierungen. So verlangen
       US-Fleischproduzenten, dass die EU bestimmte Hormone akzeptiert, die sie
       bei der Rinderzucht einsetzen. Verbraucherschützer machen sich deshalb
       Sorgen um die Qualität des Fleischs. Die Frage ist also: Wer hat das Sagen
       – demokratisch gewählte Regierungen oder die Wirtschaft?
       
       Auch Rechte wie US-Präsident Donald Trump greifen den Freihandel an. Müsste
       man da nicht sagen: Freihandel ist gut, aber bitte unter bestimmten
       Bedingungen? 
       
       Freihandel kann Vorteile bieten, aber man muss ihn gestalten. Manchmal mag
       es richtig erscheinen, inländische Produkte und Branchen zu schützen, um
       soziale Verwerfungen zu begrenzen.
       
       30 Mar 2018
       
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