# taz.de -- Die Wahrheit: Frau Moas Moko
       
       > Neues aus Neuseeland: Polynesische Tätowierungen sind keine Mode, sondern
       > eine Ehre. Wie sich beim aktuellen „Mokogate“ zeigt.
       
 (IMG) Bild: Kann man so machen – muss man aber nicht
       
       Tinte auf der Haut ist zwischen Duisburg und Dresden so hip wie langer Bart
       am Mann. Also total normal statt radikal, wenn man nicht gerade 58-jähriger
       Kreissparkassenfilialleiter ist, und selbst der zeigt sein Arschgeweih
       zumindest in der Sauna.
       
       In Aotearoa ist alles etwas anders. Polynesische Tätowierungen waren nicht
       erst in, seit Robbie Williams und Mike Tyson sie trugen, sondern sind
       uraltes Kulturgut und dem Maori so heilig wie dem Briten sein Shakespeare.
       „Moko“ heißt das Kunstwerk korrekt. Es dient nicht als Dekoration oder
       Stinkefinger Richtung Spießer, sondern erzählt Geschichte und Geblüt – eine
       Ode an die Herkunft. Ein traditionelles Moko wird mit Hammer und Meißel aus
       Walknochen gestochen, was höllisch schmerzt. Es zu tragen ist keine Mode,
       sondern eine Ehre. Erst recht, wenn es sich übers ganze Gesicht zieht – was
       nicht nur auf deutsche Sparkassenleiter bedrohlich wirken kann, sondern
       auch auf manche Kiwi-Weißhaut, „Pakeha“ genannt.
       
       Nach 1900 starben Gesichts-Moko im rassistischen Klima der Kolonialisierung
       nach und nach aus. In den sechziger Jahren waren sie so selten, dass ältere
       Frauen mit schwarzem Geflecht auf dem Kinn wie exotische Tiere für die
       Nachwelt fotografiert wurden. Zeitraffer nach vorn: Dreißig Jahre
       Maori-Renaissance, Bi-Kultur und Wiederbelebung der alten Bräuche – und
       plötzlich ist es eine Frage der Selbstachtung vieler indigener
       Neuseeländer, das einst so verpönte Moko wieder vom Knöchel bis zum
       Scheitel zu tragen.
       
       Was dem einen sein Stolz, ist den anderen eine Provokation. Vor ein paar
       Jahren wurde der Sozialarbeiter Tunahau Koru aus einer Bar in Christchurch
       verwiesen. Sein Moko im Gesicht verstieß dort angeblich gegen den
       Dresscode. Der Fall wurde zum Aufreger in allen Medien und endete bei der
       Kommission für Rassenbeziehungen, die ethnische Diskriminierung ahndet.
       Jetzt haben wir das nächste „Mokogate“, weil Sängerin und Moderatorin Anika
       Moa viel Sichtbares auf ihrem üppigen Körper hat.
       
       Der 38-jährigen Maori, die drei Kinder, ein großes Herz und eine noch
       größeres Klappe hat, kann in puncto Humor kein Kiwi so schnell das Wasser
       reichen. Moa ist gerade als Urlaubsvertretung in die Fernsehshow „Seven
       Sharp“ eingesprungen. Da blitzt im Ausschnitt und am Arm schon mal eines
       ihrer Moko hervor. Ein Zuschauer namens Peter schrieb empört an den Sender:
       Tätowierungen machen ihm Angst, und Fernsehleute haben bitte anständig
       auszusehen.
       
       Anika Moa las den Brief am Montag vor der Kamera vor und fragte sich, ob
       der Mann Rassist sei. Am nächsten Tag gab sie ihm ihre Antwort. Sie ging
       ins Tätowierstudio und ließ sich dabei filmen, wie sie sich ein neues
       Moko auf die Wade sticheln ließ. Als sie wieder im Studio saß, kam ihr
       letzter Gruß. „Falls Sie Tattoos hassen, habe ich noch eine schlechte
       Nachricht für Sie: Ich bin außerdem lesbisch – ha ha!“ Hasspost ist
       garantiert.
       
       19 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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