# taz.de -- Verurteilte Mitglieder der Aum-Sekte: Taktieren mit dem Exekutionstermin > 23 Jahre nach dem tödlichen Giftgasanschlag auf die U-Bahn in Tokio > könnten die zum Tode verurteilten Sektenanhänger bald gehängt werden. (IMG) Bild: Die Witwe eines bei dem Anschlag getöteten U-Bahnangestellten trauert am 18. März 2018, dem 23. Jahrestag TOKIO taz | 23 Jahre nach dem Giftgasanschlag in einer Tokioter U-Bahn steht Japans Regierung vor der Entscheidung, wann die Täter hingerichtet werden sollen. Anfang März haben die Behörden sieben Mitglieder der Endzeitsekte Aum Shinrikyo, die wegen des Anschlags und anderer Verbrechen zum Tode verurteilt worden sind, in Gefängnisse außerhalb Tokios verlegt. Zuvor war das letzte Urteil in einem Aum-Prozess rechtskräftig geworden. Daher dürften die Todesurteile bald vollstreckt werden – in Japan geschieht dies durch Erhängen. Doch die Terminwahl hängt stärker als üblich von politischen Erwägungen ab. Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International werden die Hinrichtungen vor dem Wechsel auf dem Kaiserthron im nächsten Jahr und den Olympischen Spielen 2020 in Tokio stattfinden. „Indem man ‚negative‘ Geschichten vorher aus dem Weg räumt, wäre die kommende Feierstimmung nicht überschattet – so denkt man wohl“, meinte Amnesty-Mitarbeiterin Hiroka Shoji. „Am Anfang einer neuen Kaiserepoche wären Hinrichtungen sicher nicht glücksbringend“, bestätigte Anwalt Takashi Yamaguchi. Er ist Geschäftsführer der „Japan Society for Cult Prevention and Recovery“, einer Gruppe von Aum-Experten. ## Hinrichtungen außerhalb der Ferien? Normalerweise finden Hinrichtungen in Japan in den Parlamentsferien statt. Damit will die Regierung jede Diskussion über die Todesstrafe vermeiden. Der nationalkonservative Premier Shinzo Abe könnte das ändern. Der 63-Jährige ist wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft unter Druck geraten. Davon könnte Abe durch die Hinrichtungen ablenken. Bei dem Anschlag am 20. März 1995 wurden 13 Menschen getötet und mehr als 6.000 verletzt. Sektenführer Chizuo Matsumoto, bekannt als Shoko Asahara, hatte die Freisetzung von Saringas angeordnet, um eine Polizeirazzia gegen sein Hauptquartier zu verhindern. Daher dürfte er zuerst hingerichtet werden. Für die übrigen zwölf zum Tode Verurteilten forderten die Aum-Experten in einem Brief an Justizministerin Yoko Kamikawa die Umwandlung der Todesurteile in lebenslange Haftstrafen. „Diese Täter wurden von Asahara manipuliert und benutzt“, begründete das der Anwalt Taro Takimoto, Vorstandsmitglied der Gruppe. Blieben sie am Leben, könnte die Gesellschaft anhand ihrer Erfahrungen lernen, wie Terrorismus entsteht und sich bekämpfen lässt. 17 Apr 2018 ## AUTOREN (DIR) Martin Fritz ## TAGS (DIR) Japan (DIR) Todesstrafe (DIR) Shinzo Abe (DIR) Giftgas (DIR) Japan (DIR) Japan (DIR) Trauma ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Wegen Amoklauf in Tokio: Verurteilter Täter hingerichtet Der 39-jährige Japaner hatte 2008 mit einem LKW und mit einem Messer wahllos sieben Passanten getötet. Das Gericht hatte eine Berufung abgelehnt. (DIR) Japan vollstreckt Todesstrafe: Mitglieder der „Aum“-Sekte gehängt Drei Wochen nach ihrem Anführer wurden die letzten sechs Attentäter hingerichtet. Sie hatten vor 23 Jahren einen Giftgasanschlag auf die U-Bahn in Tokio verübt. (DIR) Gedenken an Giftgasanschlag in Japan: Die Angst der Opfer lebt weiter Die Gesellschaft möchte die Ereignisse gern vergessen. Die Überlebenden des Giftgasanschlags auf Tokios U-Bahn vor 20 Jahren blicken mit Grauen zurück. (DIR) Giftgasanschlag auf U-Bahn in Tokio: Letzter flüchtiger Täter gefasst Vor 17 Jahren verübte die Aum-Sekte einen Giftgasanschlag auf die U-Bahn in Tokio. Die japanische Polizei konnte jetzt den letzten der flüchtigen Täter verhaften. (DIR) Trotz internationaler Kritik: Japan richtet drei Männer hin Erstmals seit 20 Monaten wurden in Japan wieder Todesurteile vollstreckt. Besonders die Haftbedingungen der Todeskandidaten gelten als grausam. Eine öffentliche Debatte gibt es kaum.