# taz.de -- Demo in Berlin gegen Arbeitszwang: Arbeit ist Verrat – am Proletariat
       
       > Ernst und ironisch: Hunderte demonstrierten am Mittwoch in Prenzlauer
       > Berg gegen den Zwang zur Lohnarbeit und für mehr Muße.
       
 (IMG) Bild: Gehet hin und tuet Muße!
       
       BERLIN taz | „Wenn wir mehr als fünfzig sind, brauchen wir nicht auf dem
       Bürgersteig latschen“, dieser etwas defensive Mobilisierungspost des
       Schriftstellers und Musikers Konrad Endler auf Facebook hat offenkundig
       seine Wirkung getan. Schon am Startpunkt der „machtvollen“
       [Veranstalterzitat] Demonstration zum Internationalen Kampf- und Feiertag
       der Arbeitslosen am Senefelder Platz hatten sich laut Zählung der Polizei
       140 Menschen eingefunden.
       
       Gegen den Zwang zur Lohnarbeit, sinnlose Produkte, für mehr Müßiggang und
       Freizeit wollen sie zum 14. Mal durch den Prenzlauer Berg ziehen: einmal
       hin zu den „Schön, Schöner, Schönhauser Allee Arkaden“ [Veranstalterzitat]
       und wieder zurück.
       
       Zum Auftakt begrüßt Ahne, wie Endler Schriftsteller aus dem Berliner
       Lesebühnenumfeld, die TeilnehmerInnen aufs Allerherzlichste. Gefolgt wird
       die Routenerläuterung vom ersten Punkt des umfangreichen Kulturprogramms.
       Das antikapitalistische Jodelduo „Esels Alptraum“ singt von der wirklichen
       Freiheit: „Kein Gott, kein Staat, kein Mietvertrag!“ Und dann geht es los.
       Auf (!) die Schwedter Straße, wie es sich gehört.
       
       Auf dem Weg steht das Mikrofon jenen, die sich vorher angemeldet haben, in
       guter Lesebühnentradition für Redebeiträge offen. Kommen diese von
       szenefremden TeilnehmerInnen, verliert sich die Ironie ein wenig und der
       auch von den VeranstalterInnen sehr ernst gemeinte Hintergrund der
       Veranstaltung wird selbst für zufällige Passanten schnell deutlich. So
       kritisiert beispielsweise eine Vertreterin der Erwerbsloseninitiative
       Neukölln unter Applaus die Gängeleien der Jobcenter. Diese Demo ist keine
       Marotte von ein paar Künstlern, war sie nie.
       
       ## Grundeinkommen, und zwar bedingungslos
       
       2005 hatten die Schriftsteller erstmals dazu aufgerufen, gegen den
       allgegenwärtigen Arbeitsfetisch auf die Straße zu gehen. Das bedingungslose
       Grundeinkommen war ihnen schon lange vor der aktuellen Popularisierung ein
       dringendes Anliegen. Was sie vom „solidarischen Grundeinkommen“ halten, das
       Berlins Regierender Bürgermeister Müller als wiederum an bestimmte
       Tätigkeiten gebundene Alternative ins Spiel gebracht hat? Ahne winkt ab:
       „Wir haben ihn gefragt, was daran solidarisch sein soll, aber keine Antwort
       erhalten. Wahrscheinlich hat er Wichtigeres zu tun. Arbeiten vielleicht.
       Nein, nichts ist daran solidarisch!“
       
       An den „Schön, Schöner, Schönhauser Allee Arkaden“ angekommen, ertönt aus
       Hunderten, ach was, Tausenden Kehlen das „Gebet gegen die Arbeit“. Dieses
       Vater Unser der Bewegung hat der 2007 verstorbene Performance-Künstler
       Michael Stein der Welt vererbt. Je mehr es sprechen, umso größer seine
       Wirkung, so zumindest die Theorie. Aber wie viele Protestierende waren denn
       nun wirklich da? Ahne schaut auf den begleitenden Polizeibeamten: „Na, was
       haben Sie denn gezählt?“ „200 mindestens“, antwortet der. Darauf Ahne:
       „Also höchstens 100! Wir sind ja stolz darauf, als einzige Demo in Berlin
       niedrigere Angaben als die Polizei zu machen“, und fügt nach kurzem
       Nachdenken hinzu: „Okay, mit Polizisten 5.000.“
       
       2 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
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