# taz.de -- Badestelle an der Spree mitten in Berlin: Da ist was im Fluss
       
       > Dass die Spree zum Schwimmen taugt, war beim Flussbad-Pokal zu sehen.
       > Auch die Politik begeistert sich für das Projekt. Das Problem: der
       > Denkmalschutz.
       
 (IMG) Bild: Die Spree wartet: Schwimmer beim Flussbad-Pokal am 1. Juli
       
       Die Monbijoubrücke am vergangenen Sonntag: Die Sonne strahlt auf den
       entblößten Körper eines Mannes, definiert sind seine Muskeln – stramme
       Waden, strammes Gesäß. Ungeniert steht er vor dem Eingang des Bode-Museums
       an der Nordspitze der Museumsinsel.
       
       Und rund um diesen „Hektor“, der Bronzeskulptur von Markus Lüpertz,
       haufenweise knallgelbe Badehauben. Denn es war an dem Tag wieder so weit:
       Hunderte Schwimmer*innen hechteten beim nunmehr 4. Flussbad-Pokal in den
       Kupfergraben.
       
       Seit 20 Jahren arbeiten die Brüder Jan und Tim Edler daran, den Spreekanal
       an der Museumsinsel zu einer öffentlichen Badestelle zu machen – das
       jährliche Wettschwimmen soll zeigen, wie sich das anfühlen würde. 1998
       sprachen die beiden Architekten zum ersten Mal öffentlich über ihre Idee,
       2011 gewannen sie damit den Holcim-Award für nachhaltiges Bauen, 2012
       entstand der Flussbad-Verein, der 2014 rund 4 Millionen Euro von Bund und
       Land erhielt.
       
       Vergangenen November war es schließlich so weit: Fraktionsübergreifend
       forderte das Berliner Abgeordnetenhaus den Senat auf, sich des Projekts
       anzunehmen.
       
       Die Sache ist also im Fluss, mit guten Gründen: Durch das Flussbad würde
       die innerstädtische Spree renaturiert und die Wasserqualität steigen,
       mitten in der versiegelten Stadtmitte würde ein Naturerlebnis
       Anwohner*innen, in Mitte Arbeitende sowie Tourist*innen zusammenbringen.
       
       ## Bad kann und soll Realität werden
       
       Zwar bleibt das Projekt kompliziert, schon aus technischen Gründen wie der
       natürlichen Filterung des Wassers und weil der Kupfergraben als
       Bundeswasserstraße verwaltet wird wie der Rhein. Weitestgehend einig sind
       sich Aktivist*innen und Politik dennoch: Das Flussbad kann und soll
       Realität werden.
       
       Beginnen würde das Flussbad plangemäß beim Auswärtigen Amt, was laut
       Außenminister Heiko Maas (SPD) den „internationalen Besuchern eindrucksvoll
       ein Stück Berliner Lebensart vor Augen führen“ würde. Auf den letzten
       Metern zur anvisierten Badestelle sind allerdings jene alarmiert, die den
       Status der Museumsinsel als Unesco-Weltkulturerbe gefährdet sehen. Und so
       ist „das größte Thema“, wie die zuständige Senatorin für Stadtentwicklung
       und Wohnen Katrin Lompscher (Die Linke) sagt, „das Projekt dem
       Denkmalschutz entsprechend zu gestalten“.
       
       Zwar hätte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Schwimmer*innen des
       Flussbad-Pokals bei einem eventuellen wetterbedingten Ausfall der
       Veranstaltung in die Kulturstätten der Museumsinsel eingeladen. Dennoch
       bleibt die Linie der Stiftung, dass sich der Kupfergraben im Bereich der
       Museumsinsel für ein Flussbad nicht eigne, da die „bauliche Einheit“ von
       Ufermauer und Museumsbauten zugunsten der „Aura“ der Museumsinsel zu
       schützen sei, wie Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und
       Frühgeschichte, sagt. Wemhoff spielt damit auf eine mögliche Absenkung der
       Ufermauer an, um die Spree über eine breite Treppe zugänglich zu machen.
       Eine Option, auf die der Verein Flussbad Berlin mittlerweile schon
       verzichtet.
       
       Die Kritiker*innen des Flussbades, die im Namen des Denkmalschutzes
       argumentieren, wollen folglich nicht etwa Bausubstanz konservieren –
       sondern die Identität des Ortes als Stätte der Hochkultur.
       
       Katrin Bräutigam lebt seit drei Jahren in Berlin. Wie mehr als 400 andere
       Menschen ist auch die junge Frau am Sonntag durch den Kupfergraben
       geschwommen. Auf dem Weg zur Arbeit radele sie zwar an der Museumsinsel
       vorbei – ein Ort, „wo man täglich hingeht“, sei diese aber nicht.
       
       ## Lebendig umrahmtes Denkmal
       
       Als „homogenes Implantat“ versteht Jan Edler deshalb Berlins historische
       Stadtmitte. Der Flussbad-Initiator sagt, es gäbe „eine Klientel von
       Menschen, die für sich reserviert sehen, wie die Stadt im Zentrum
       auszusehen hat“, gleichzeitig aber nicht den Querschnitt der
       Stadtbevölkerung abbilde. Für jene Gruppe sei die Museumsinsel ein Ort der
       Bildung, „wo man im Idealfall sonntags im Gehrock flanieren geht“, sagt
       Edler.
       
       Silke Gebel, Vorsitzende der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist indes
       überzeugt, dass die Museumsinsel von dem geplanten Flussbad profitieren
       würde: Auch Denkmal lebe davon, „lebendig umrahmt“ zu werden. Gleichzeitig
       gehe es bei dem Projekt nicht allein ums Baden, sagt Gebel, sondern auch
       „um die Wiederaneignung eines öffentlichen Raumes“, der zu zentral sei, um
       nicht genutzt zu werden.
       
       Oder, um es mit den Worten von Daniel Bouvain zu sagen: „Hier geht es
       darum, ein Zeichen zu setzen. Für eine Stadt, die lebt, und für sauberes
       Wasser.“ Der 20-jährige Hamburger hat am Sonntag einen neuen Rekord beim
       Flussbad-Pokal erschwommen.
       
       Gerade ältere Menschen aber, meint Jan Edler, würden mit dem Flussbad „ihre
       Werte davonschwimmen sehen“.
       
       Oder sie fühlen sich bedroht. Willfried Wilke verkauft seit einem Jahrzehnt
       auf dem Buch- und Antiquitätenmarkt am Bode-Museum. Die
       Flussbad-Aktivist*innen findet der 66-Jährige „noch extremer als die
       Fahrradfahrer“, die auch nur an sich denken würden. Wilke befürchtet, das
       Projekt würde den Markt verdrängen. Angekündigt worden sei das aber noch
       nicht.
       
       Wolf-Rüdiger Franck, Jahrgang 1944 und Mitglied von Flussbad e. V., dagegen
       scheut einen Wandel nicht. Im Schatten eines Weltkulturerbes erst in die
       Badehose und dann ins Wasser zu steigen, findet er nicht problematisch.
       „Gegensätze ziehen sich an“, sagt er, „und die Statuen hier sind ja auch
       alle nackt.“
       
       8 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalia Bronny
       
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