# taz.de -- Waldbrände in Griechenland: „Und plötzlich brannte es neben uns“
       
       > Die Flammen haben ganze Dörfer vernichtet, 83 Menschen starben. Viele
       > Griechen sehen die Schuld an der Katastrophe bei der Politik.
       
 (IMG) Bild: Die Feuerwalze war verheerend
       
       ATHEN taz | Seine Hände gleiten suchend durch die Asche, die sich um das
       Skelett seines völlig ausgebrannten Autos gelegt hat. Im Hintergrund stehen
       verkohlte Bäume und eingefallene Häuserwände. Unermüdlich sucht der Mann
       nach Erinnerungen, Erklärungen, nach irgendetwas, das ihm die letzten
       Stunden mit seiner Frau näherbringt. Er habe sie das letzte Mal gesehen,
       als sie gemeinsam auf das Meer zugerannt seien, sagt er in die Kamera.
       Immer wieder flackern die apokalyptischen Szenen der vergangenen Tage über
       die Bildschirme Griechenlands. Zwei Tage nach der Feuer-Katastrophe wird
       das Ausmaß immer deutlicher.
       
       Verheerender als im Jahr 2007, als der halbe Peloponnes und die Insel Euböa
       brannten, sollen die Folgen sein. Medien berichten von der schlimmsten
       Brandkatastrophe in der jüngeren Geschichte Griechenlands. Auf einer Fläche
       von knapp 32.000 Hektar griff das Feuer bei einer Temperatur von etwa 40
       Grad um sich. 83 Menschen starben, darunter zahlreiche Kinder und
       Jugendliche. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt, viele von ihnen schwer.
       Die Flammen zerstörten knapp 2.500 Häuser und etliche Autos. Fast die
       Hälfte der Häuser ist nicht mehr bewohnbar, schätzen Experten.
       
       Die Katastrophe ereignete sich in der Nacht von Montag auf Dienstag in den
       Küstenorten Mati, Neos Voutzas und Rafina, die sowohl unter GriechInnen als
       auch TouristInnen beliebte Ferienorte sind. Sie liegen etwa 30 Kilometer
       östlich und westlich von Athen.
       
       Auch Maria Mila musste die Katastrophe miterleben. Sie stammt aus dem Dorf
       Neos Voutzas, das zu Rafina gehört. „Es ist kaum zu glauben, wie schnell
       alles ging“, berichtet die 53-Jährige. Sie und ihre erwachsenen Kinder sind
       mit dem Leben davon gekommen. „Aber von unserem Haus ist nichts mehr
       übrig“, sagt die Landwirtin.
       
       ## Das Löschwasser verdampfte einfach
       
       Noch am Montag habe sie in den Nachrichten ständig die Meldungen zum Feuer
       verfolgt; da war es noch weit entfernt. Dann sei es plötzlich ganz schnell
       gegangen. „Von einem Moment auf den anderen brannte es neben unserem Haus“,
       berichtet sie. Innerhalb von eineinhalb Stunden zerstörte das Feuer ganze
       Existenzen. „Alle alten Fotoalben der Familie, alle Erinnerungen musste ich
       von einer Minute auf die andere zurücklassen“, sagt sie leise.
       
       Ihre Nachbarin mit ihrem Kind im Teenageralter hat es nicht mehr
       rechtzeitig geschafft. „Vorgestern haben wir noch zusammen Pizza gegessen,
       und jetzt sind beide tot“, sagt Maria Mila noch immer fassungslos. Da sie
       selbst und auch ihre Kinder in der Gegend aufgewachsen sind, kannten sie
       sich aus. Sie konnten sich in letzter Minute über die schmalen,
       unübersichtlichen Wege an den Strand retten.
       
       Viele andere aber kannten die Wege nicht oder verliefen sich in Panik. Sie
       wurden auf den Straßen vom Feuer eingekesselt oder landeten, anstatt am
       Strand, auf den hohen felsigen Küstenabschnitten. Verzweifelt stürzten sich
       zahlreiche Menschen, teilweise brennend, in das zu flache Wasser, als die
       Flammen sie erreichten.
       
       Anfangs wurde viel über die Ursache des Waldbrandes spekuliert –
       Brandstiftung, Zigarettenstummel oder Glasreste. Nur für den erzorthodoxen
       Bischof Ambrosios Lenis aus Kalavrita war gleich alles klar:
       Ministerpräsident Alexis Tsipras, der Atheist, sei schuld an der
       Katastrophe, schrieb er am Dienstag in seinem Blog. Die Kirche distanzierte
       sich von der Aussage.
       
       ## Nie um bessere Ausrüstung der Feuerwehr gekümmert
       
       Die Athener Staatsanwaltschaft hat nun erste Ergebnisse vorzuweisen. „Es
       verhärtet sich der Verdacht auf Brandstiftung“, sagt der griechische
       Minister für Bürgerschutz, Nikos Toskas, am späten Donnerstagabend auf
       einer Pressekonferenz. Luftaufnahmen zeigten, dass westlich von Athen
       mehrere Brände gleichzeitig entlang einer Straße ausgebrochen waren. Es
       gebe auch ZeugInnen. Östlich von Athen habe sich der Brand durch den
       starken Wind schnell ausgebreitet. „Auch hier gibt es starke Indizien, die
       auf Brandstiftung hindeuten“, so Toskas. Genaue Details wollte er noch
       nicht bekanntgeben, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden.
       Festnahmen habe es bisher keine gegeben.
       
       Seit Mittwoch sind die Brände – mit internationaler Unterstützung – unter
       Kontrolle. Fast alle Feuer sind komplett gelöscht. Unteressen wurden
       Vorwürfe aus der Bevölkerung gegen die griechische Regierung und die
       Feuerwehr laut. Man habe sich – auch wegen der Sparmaßnahmen – nie um eine
       bessere Ausrüstung der Feuerwehr gekümmert. Waldbrände seien in
       Griechenland keine Seltenheit.
       
       Auch habe man sich nie mit Evakuierungsplänen bestimmter Regionen befasst.
       Gegen solch ein Ausmaß sei man wehrlos gewesen, sagte Sotirios Terzouris,
       Chef der griechischen Feuerwehr. Die Flammen waren teilweise bis zu 30
       Meter hoch und so heiß, dass das Wasser verdampfte, ehe es Löscharbeit
       leisten konnte. Der aufkommende Sturm fegte mit einer Geschwindigkeit von
       bis zu 120 Stundenkilometern über das Festland und verbreitete das Feuer
       dadurch so schnell, wie es in Griechenland noch nie vorgekommen ist.
       
       Bürgerschutzminister Toskas hatte Fehler der Feuerwehr und der Polizei
       nicht ausgeschlossen. Er hatte Ministerpräsident Tsipras daher seinen
       Rücktritt angeboten. Diesen lehnte der griechische Regierungschef
       allerdings mit den Worten ab, dass jetzt „die Stunde des Kampfes“ sei.
       
       ## Blutspenden im ganzen Land
       
       Die griechische Regierung kündigte Hilfe für die von der Katastrophe
       betroffenen Menschen an: Sie sollen eine einmalige Unterstützung von bis zu
       6.000 Euro sowie Steuererleichterungen und günstige Kredite für den
       Wiederaufbau erhalten.
       
       Die Solidarität nach dem schweren Unglück ist groß. Hunderte HelferInnen
       aus ganz Griechenland sind in die betroffenen Ortschaften gefahren.
       Supermarkt- und Caféketten stellen kostenlos Wasser und Essen bereit.
       Landesweit stellen Menschen Lebensmittel, Medikamente und Kleidung bereit,
       und sie spenden Blut. Auch mehrere Spendenkonten wurden eingerichtet.
       
       Über Radio, Fernsehen und die Sozialen Medien geben Betroffene an, wo sie
       was brauchen. Vor allem Wasser wird benötigt, denn die Wasserleitungen vor
       Ort sind komplett zerstört. Gelagert werden die Spenden in Sporthallen oder
       Schulen, die kurzfristig zu Hilfszentren umfunktioniert wurden.
       
       Auch Christos Ramos ist ein freiwilliger Helfer. Gleich am Montagnachmittag
       ist er mit zwölf seiner TeamkollegInnen, die sich sonst um die Suche von
       Vermissten kümmern, aus Thessaloniki angereist.
       
       ## Verbrannte Kinderkörper
       
       „Ich bin momentan zeitlich sehr flexibel, weil ich schon seit längerem
       arbeitslos bin“, sagt der 49-Jährige. Ein Normalzustand in Griechenland,
       der nun endlich mal etwas Gutes an sich habe, lacht der Mann bitter. Er
       könne so lange vor Ort bleiben, wie er gebraucht werde. Lebensmittel und
       Kleidung verteilen, das sei die erste Aufgabe gewesen. Die Menschen mussten
       körperlich versorgt werden. „Das lief wegen der zahlreichen Spenden und der
       vielen HelferInnen von Anfang an reibungslos“, berichtet er.
       
       Jetzt gehe es vor allem darum, mit den Betroffenen zu reden und ihnen
       emotionalen Halt zu geben. Deshalb bleibe er vorerst. Außerdem erwartet man
       in den nächsten Tagen starke Gewitter. Aufgrund der abgebrannten Bäume ist
       nun kein Schutz mehr vorhanden. Die Orte könnten deshalb überflutet werden.
       
       Zahlreiche Menschen werden noch vermisst, darunter auch TouristInnen, die
       ihren Urlaub in der Region verbrachten. Die Identifizierung der bereits
       geborgenen Opfer mittels einer DNA-Analyse ist aufwendig und dauert. Immer
       wieder werden Suchmeldungen getwittert oder auf Facebook gepostet.
       
       Außerdem gibt es eine sogenannte Safe-Liste auf Facebook, über die man
       angeben kann, dass man in Sicherheit ist. Rettungsteams der griechischen
       Feuerwehr gehen seit Mittwoch von Haus zu Haus und suchen nach Vermissten.
       Sie müssen mit den Bildern zurecht kommen, die schwer zu vergessen sind:
       verbrannte Kinderkörper, die sich an ihre verbrannten Eltern klammern. Es
       ist sehr wahrscheinlich, dass sie auch in den kommenden Tagen weitere Opfer
       in den Häusern finden werden.
       
       28 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Theodora Mavropoulos
       
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 (DIR) Nach Bränden in Griechenland: Wut auf die Politik
       
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