# taz.de -- Sexshopkollektiv über Sexshop-Gründung: „Sex ist immer politisch“
       
       > Im Hamburger Gängeviertel eröffnet mit „Fuck Yeah“ ein ausdrücklich
       > feministischer Sexshop. Ein Gespräch über die Besonderheiten des Ladens,
       > Aufklärung und politischen Sex.
       
 (IMG) Bild: Drei Viertel des „Fuck Yeah“-Kollektivs: Rosa Schilling (l.), Franciska Stäbler und Florian Gnau
       
       taz: Herr Gnau, Frau Schilling, „Fuck Yeah“ soll ein Sexshop für alle
       Geschlechter und sexuelle Orientierungen sein – geht das überhaupt? 
       
       Florian Gnau: Dieser Herausforderung stellen wir uns, aber eine große
       Aufgabe ist es in jedem Fall. Wir werden zum Beispiel auch spezielle
       Sextoys für Menschen mit Transidentität anbieten.
       
       Rosa Schilling: Natürlich können wir nicht alle Menschen auf dieser Welt
       zufriedenstellen. Es geht darum, die Menschen abzuholen, die sich in
       klassischen Sexshops nicht wohlfühlen.
       
       Wie wird der Laden aussehen? 
       
       Schilling: Es wird ein Lädchen sein, es ist nur ein kleiner Raum. Trotzdem
       werden wir eine kleine Sitzecke einrichten in der man sich in Ruhe
       informieren kann.
       
       Gnau: Wir wollen nicht nur ein Einzelhandel sein, sondern auch über
       Sexualität, Körper und Lust informieren und aufklären. Wir werden in den
       Räumen im Gängeviertel auch Seminare und Workshops anbieten.
       
       Zu welchen Themen denn? 
       
       Gnau: Uns ist wichtig, dass wir nicht nur eine akademische
       Auseinandersetzung mit den Themen anbieten, sondern auch niedrigschwellige
       Angebote haben. Zum Beispiel haben wir bereits einen
       Do-it-yourself-Workshop angeboten, in dem aus gebrauchten Fahrradteilen
       Sexspielzeug gebastelt wurde.
       
       Schilling: Wir selbst werden zum Beispiel Themen wie „Safer Sex“, „Sex und
       Sprache“ und „Was ist sexpositiver Feminismus“ behandeln. Aber wir werden
       auch Externe einladen, um unser Angebot zu erweitern. Im Herbst soll das
       Programm stehen.
       
       Und was genau ist sexpositiver Feminismus? 
       
       Schilling: Wir sehen Sex nicht als etwas grundsätzlich Problematisches,
       sondern als etwas Schönes und Tolles. Der Begriff sexpositiver Feminismus
       hat sich in Abgrenzung zu der „PorNo“-Bewegung entwickelt. Diese
       pornokritische und feministische Bewegung entstand in den USA und wurde in
       den 80er-Jahren in Deutschland vor allem durch Alice Schwarzer bekannt.
       Diese Bewegung hat den Porno als eine tragende Säule des Patriarchats
       verstanden. Sexpositive Feministinnen sehen auch, wie schlecht viele Pornos
       sind. Darin werden stereotype Körperbilder reproduziert und Frauen
       objektiviert und unterdrückt. Aber unsere Schlussfolgerung ist eine andere.
       Wir wollen Pornos, Sex und Sexyness nicht abschaffen. Annie Sprinkle hat
       mal gesagt, dass die Antwort auf schlechte Pornos nicht keine, sondern
       bessere seien. Das finden wir auch.
       
       Also ist der Laden die Antwort auf schlechte Sexshops. 
       
       Gnau: Im besten Fall – ja. Die Hamburger Morgenpost hat geschrieben,
       [1][dass wir die Sexshop-Revolution sind].
       
       Schilling: Natürlich stellt sich die Frage, wie viel wir in diesen
       Verhältnissen besser machen können. Also wieviel Gutes geht im Falschen –
       aber das ist schon unser Anspruch.
       
       Bestimmt finden nicht alle die Idee gut. 
       
       Gnau: Nein, es gibt immer wieder Kritik. Aber hauptsächlich in den
       Kommentarspalten der sozialen Medien oder an der Scheibe des Ladens, da hat
       jemand „Nix Wix Laden“ drangeschmiert.
       
       Schilling: Eine fundierte Kritik an unserer Idee habe ich noch nicht
       gehört.
       
       Wie bewusst kam es zum Standort, dem einst besetzten und heute
       genossenschaftlich verwalteten Gängeviertel? 
       
       Schilling: Wir haben über ein halbes Jahr nach einem Ort gesucht, der
       weniger in der linken Szene verankert ist. Uns wäre es lieber, wenn wir zum
       Beispiel an der Mönckebergstraße oder gegenüber von Ikea unseren Laden
       eröffnen könnten. Allerdings erleben wir hier auch ein so warmherziges
       Willkommen, das wir woanders sicher nicht gehabt hätten. Und das macht Mut.
       
       Gnau: Und wir sind auch nicht hinten im Viertel versteckt: Hier ist
       Laufkundschaft ohne Ende.
       
       So kurz vor der Eröffnung: Haben Sie auch Sorgen? 
       
       Schilling: Ich habe Angst, dass die Leute nur einmal kommen, sich eine
       Sache kaufen und das war’s. Das wird dann nicht funktionieren, davon können
       wir nicht die Miete finanzieren.
       
       Gnau: Ich warte noch auf einen Wasserrohrbruch, eine angebohrte
       Stromleitung oder einen Glasbruch.
       
       Was wäre das Allerschönste, das passieren könnte? 
       
       Gnau: Wir liebäugeln bereits seit einiger Zeit mit dem Neubau der
       Essohäuser auf St. Pauli. Wenn wir es tatsächlich schaffen, auf eigenen
       Beinen zu stehen und uns irgendwann zu vergrößern, wäre richtig schön, dort
       unseren Laden zu haben.
       
       Schilling: Ich würde mich richtig freuen, wenn viele Leute zu den Workshops
       kommen. Das ist mir auch wichtiger als ein hoher Umsatz. Trotzdem wäre es
       natürlich gut, wenn wir uns mit dem Laden irgendwann selbst finanzieren
       könnten. Also, unsere Arbeit für das Projekt auch finanziell entlohnt
       würde.
       
       Geht es eigentlich auch um Aufklärungsarbeit? 
       
       Gnau: In jedem Fall. Nicht nur unser Bildungsangebot soll aufklären. Ich
       glaube, auch ein gutes Beratungsgespräch zu Sextoys kann mehr bringen als
       die Aufklärungsarbeit in deutschen Schulen.
       
       Schilling: Das stimmt. Ich arbeite noch in einem anderen Sexshop und habe
       damit bereits Erfahrung. Am Anfang sind die Gespräche oft sehr
       schambesetzt, aber irgendwann tauen die Leute auf und erzählen ihre
       Probleme. Diese Art der Beratung findet in klassischen Sexshops kaum Raum.
       Aber in unserem Laden kann ich die Leute einladen, sich hinzusetzen, einen
       Kaffee zu trinken und in Ruhe darüber zu sprechen.
       
       Reden die Geschlechter unterschiedlich über ihre Sexualität? 
       
       Schilling: Ich glaube, dass Sexualität und Geschlecht total zusammenhängen.
       Es wird sehr unterschiedlich gelernt, mit dem eigenen Körper umzugehen,
       beispielsweise Körperteile zu benennen. Oft wissen weiblich sozialisierte
       Menschen nicht so genau wie sie „da unten“ aussehen. Und es gibt auch sehr
       wenig wertschätzendes Vokabular für „zwischen den Beinen“. Wobei
       Wertschätzung generell ein wichtiges Thema ist. Häufig wird wenig
       Wertschätzung für den eigenen Körper erlernt – ganz unabhängig vom
       Geschlecht.
       
       Und kennen Cis-Männer ihren Körper besser? 
       
       Schilling: Nee, kaum jemand kennt seinen Körper richtig gut.
       
       Gnau: Ich glaube, das der einzige Vorteil ist, dass bei Cis-Männern das
       sogenannte primäre Geschlechtsorgan besser zu greifen und zu sehen ist.
       Aber die meisten Typen wissen gar nicht, wie viel Spaß man mit der Prostata
       haben kann. Und über die körperlichen Funktionen, beispielsweise wie es zum
       Samenerguss kommt oder wie eine Erektion entsteht, wissen sie auch nicht
       Bescheid.
       
       Ist Sex politisch? 
       
       Gnau: Immer.
       
       Schilling: Mega. Sexualität passiert nicht im luftleeren Raum. Sex ist
       immer von gesellschaftlichen Verhältnissen geprägt. Zum Beispiel wird in
       Deutschland am meisten die heterosexuelle Kleinfamilie gelebt – das hat
       auch was mit Sex zu tun. Von sexuellen Praktiken werden Lebensformen
       abgeleitet und daran hängen wieder Arbeitsverhältnisse.
       
       Wäre doch schön, wenn Sex einfach nur Sex sein könnte. 
       
       Schilling: Natürlich wäre es schön, wenn wir Sex von bestimmten Dingen
       entkoppeln könnten. Es sollten sich weniger problematische Verhältnisse
       einmischen. Zum Beispiel werden durch sexuelle Gewalt patriarchale
       Verhältnisse reproduziert. Uns ist das Allerwichtigste, dass Leute im
       Konsens miteinander in sexuellen Kontakt treten. Das klingt zwar nach einer
       einfachen Idee, aber davon sind wir sehr weit entfernt. Ich glaube, dass
       mit besserem Sex die Welt viel besser wäre.
       
       20 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mopo.de/hamburg/feminismus-statt-silikon-wahn--wir-wollen-die-sex-shop-revolution---28024726
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Siber
       
       ## TAGS
       
 (DIR) sex-positiv
 (DIR) Sex
 (DIR) Gängeviertel
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
 (DIR) Hamburg
 (DIR) sexuelle Selbstbestimmung
 (DIR) Bordell
 (DIR) sex-positiv
 (DIR) Sexualität
 (DIR) Podcast „Passierte Tomaten“
 (DIR) Sexualität
 (DIR) Erotik
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Hamburger Gängeviertel feiert Geburtstag: Das gallische Dorf lässt bitten
       
       Gehackte Algen und twerkende Hintern. Die Geburtstagsfeier des Hamburger
       Gängeviertels ist nach wie vor frei von Routinen.
       
 (DIR) Projekte der sexpositiven Szene: Hilfreiches Pornogucken
       
       In Zeiten der Kontaktsperre verlegen auch sexpositive Theatermacher:innen
       und Sexshop-Betreiber:innen ihre Workshops und Performances ins Internet.
       
 (DIR) Digitale Revolution erreicht Sexpuppen: Objekte der Begierde
       
       In ihrem Dortmunder „Bordoll“ bietet Evelyn Schwarz der Kundschaft
       Sexpuppen statt Frauen an. Sie sind oft ausgebucht.
       
 (DIR) Autorin über ihre Arbeit im Sexshop: „Ich setzte mich für Normalität ein“
       
       Candy Bukowski ist Autorin und berät Menschen im Sexshop. Ein Gespräch über
       Sexualität, Freiheit und Sex-Toys für Frauen.
       
 (DIR) „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz: Sozial gerahmt
       
       Zwischen Tinder, Sexratgeber und Coach auf der Suche nach steter sexueller
       Befriedigung: Was macht das mit unseren Gefühlen?
       
 (DIR) Podcast „Passierte Tomaten“: Die revolutionäre Tomate
       
       Vor 50 Jahren wollten Frauen Teil der 68er-Bewegung sein – doch sie wurden
       nicht gehört. Bis eine Tomate aufs Podium der Herren flog.
       
 (DIR) Insolvenz von Beate Uhse: Die Revolution frisst ihre Vibratoren
       
       Die Mutter aller Sexshops ist pleite – obwohl das Geschäft mit der Erotik
       heute mehr floriert denn je. Aber eben nicht so, wie Uhse es betrieb.
       
 (DIR) Kolumne Unter Leuten: Berlins kleinster Sexshop
       
       In Mahlsdorf (Berlin) betreiben zwei Rentner den Sexladen „Röschen's
       Intimvitrine“ – eine versteckte Attraktion mitten im Vorstadtidyll.
       
 (DIR) Aktivistin über feministische Pornos: „Gucken alleine macht es nicht aus“
       
       Am Samstag wird in Berlin der „PorYes Award“ für den besten feministischen
       Porno verliehen. Laura Méritt über Public Viewing, Fairness und
       Mainstream-Bilder.