# taz.de -- Ex-taz-Praktikant wird Superminister: Ein Talent, das sich beweisen muss
       
       > Der bisherige EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht übernimmt am 1.
       > September das Amt von Robert Habeck in Schleswig-Holsteins
       > Landesregierung.
       
 (IMG) Bild: Etwas Schlabberlook darf noch sein: Jan Philipp Albrecht kurz vor Amtsantritt
       
       NEUMÜNSTER taz | Ausgerechnet der Bauerntag! Das Branchentreffen der
       Landwirtschaft in Schleswig-Holstein auf der Landwirtschafts-Messe Norla in
       Rendsburg ist traditionell kein ganz einfaches Terrain für einen grünen
       Landwirtschafts- und Umweltminister in Schleswig-Holstein.
       
       Jan Philipp Albrecht aber startet mit dem Bauerntag in sein neues Amt als
       Chef des Superministeriums, das für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt,
       Natur und Digitalisierung zuständig ist. Dabei war die
       Landwirtschaftspolitik bisher so gar nicht sein Terrain. Er wurde ja – in
       den Medien, aber auch bei den Grünen – meist als „Innenexperte“ gehandelt.
       Und zuletzt vor allem gefragt, wenn es um Datenschutz ging.
       
       Die Amtsgeschäfts übernimmt Albrecht offiziell erst am 1. September.
       Deswegen wird ihm auf dem Bauerntag auch noch Robert Habeck zur Seite
       stehen. Der war zuletzt nur noch Minister auf Abruf, seit er zum
       Bundesparteichef der Grünen gewählt wurde. Habeck geht nach Berlin,
       Albrecht kommt aus Brüssel, wo er neun Jahre lang im EU-Parlament gesessen
       hat. Er tritt die Nachfolge selbstbewusst an. Habecks Motto des
       „Draußen-Ministers“ will der Nachfolger um einen Aspekt ergänzen: „Draußen
       und Digitales“.
       
       Einige Tage vor dem ersten Arbeitstag als Minister ist Jan Philipp Albrecht
       im Landeshaus, dem Sitz des Parlaments, unterwegs. Ein Kennenlernen des
       Ortes, an dem er als Minister seine Gesetze vorstellen und sich
       Abstimmungen beugen muss, auch ein Treffen mit JournalistInnen steht auf
       dem Programm. Jeans, T-Shirt und ein blaues Leinenjackett – „Wer ist denn
       der jungsche Typ da?“, scherzt einer aus der Presse-Gruppe, die auf den
       künftigen Minister wartet. Tatsächlich könnte der gebürtige Braunschweiger
       mit seinen wuscheligen brauen Haaren und der großen Brille fast noch als
       Student durchgehen.
       
       [1][Als er 2009 ins EU-Parlament einzog, war er 26 Jahre alt und damit der
       jüngste deutsche Parlamentarier.] Mit 35 ist er zwar nicht der jüngste
       Kieler Umweltminister ever – das war Klaus Müller, ebenfalls Grüne, der
       2000 das Haus mit 29 Jahren übernahm – aber sein Alter liegt deutlich unter
       dem anderer Kabinettsmitglieder. Wie er sich dabei fühle, Habecks Nachfolge
       anzutreten, wird er gefragt. Albrecht bleibt gelassen: „Es sind große
       Fußspuren, aber ich habe nicht mehr so kleine Füße.“
       
       Und das stimmt auch. Einer wie Albrecht war im EU-Parlament ja im Grunde
       ein klarer Fall für die Hinterbank, in seinem Alter, und erst recht,
       solange der ewige Daniel Cohn-Bendit noch der tonangebende Europagrüne war.
       Doch die Liste der politischen Erfolge, die Jan Philipp Albrecht
       mitorganisiert hat, ist lang. Auch wenn es meist um sperrige Themen ging,
       die sich nicht so gut verkaufen lassen, weder in den Medien noch in der
       Partei.
       
       Um nur mal ein Beispiel zu nennen: Albrecht war einer der tonangebenden
       Kritiker des EU-Abkommens zur Weitergabe von Swift-Bankdaten an die USA,
       und maßgeblich daran beteiligt, dass es 2010 zunächst scheiterte. Immer
       wieder ging es ihm um Bürgerrechte, um Mindeststandards, die EU-weit gelten
       sollen, für Polizei und Justiz etwa, oder eben im Datenschutz.
       
       ## Sein großes Projekt: die Datenschutz-Grundverordnung
       
       Wenn er nun also sagt: „Ich gehe definitiv mit einem weinenden Auge, ist
       das nicht nur so eine handelsübliche Politiker-Floskel, sondern sie kommt
       von einem, der sich selbst als „Europa-Fanatiker“ bezeichnet. Das
       Europaparlament, sagte er mal, das war sein Traum. Andererseits hat er
       seiner grünen Jugend damals auch versprochen, maximal zwei
       Legislaturperioden zu bleiben, also zehn Jahre. Das klappt jetzt gerade
       noch: 2019 sind wieder Europawahlen.
       
       Sein letztes großes Projekt in Brüssel war die in Mai für alle verbindlich
       gewordene Datenschutz-Grundverordnung. Jan Philipp Albrecht hat sie
       maßgeblich mit verhandelt, und scheute dabei auch nicht den Konflikt mit
       den ganz Großen der digitalen Welt – bei der Frankfurter Allgemeinen
       brachte ihm das einst den Titel des „Zuckerbergbesiegers“ ein, sogar ein
       Film wurde im Zuge der Debatte über ihn gedreht: die Doku „[2][Democracy –
       im Rausch der Daten]“ von David Bernet.
       
       ## Überraschende Nominierung
       
       Zugleich war er all die Jahre der einzige grüne EU-Abgeordnete für
       Schleswig-Holstein und Hamburg. Und musste also immer auch ein Allrounder
       sein. So einem trauen sie das Amt des Superministers auch inhaltlich zu. Er
       sei „eines der größten Grünen-Talente“, sagte die grüne Landesvorsitzende
       Ann-Kathrin Tranziska bei seiner Vorstellung im März.
       
       Seine Nominierung war für die Öffentlichkeit trotzdem eine Überraschung:
       Als aussichtsreichster Kandidat für Habecks Nachfolge in Kiel hatte
       allgemein der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz gegolten. Aus dem
       Landesverband der Grünen heißt es dagegen, Jan Philipp Albrecht sei sehr
       schnell im Gespräch gewesen.
       
       Seine Schulzeit verbrachte er in Wolfenbüttel, später studierte er in
       Bremen, Brüssel und Berlin Jura mit Schwerpunkt Europa- und Völkerrecht und
       legte das erste Staatsexamen ab, außerdem hat er einen Doppel-Master in
       europäischer Rechtsinformatik in Hannover und Oslo absolviert.
       
       ## Praktikant bei der taz in Bremen
       
       1999 trat Albrecht den Grünen bei, sieben Jahre später war er schon
       Sprecher des Bundesverbandes der Grünen Jugend und saß im Parteivorstand
       der Grünen. Dabei hätte er auch eine ganz andere Karriere machen können:
       Mit dem Internetauftritt seiner Schülerzeitung gewann er zwei Mal den
       niedersächsischen Jugendpressepreis, 2005 war er Praktikant bei der taz in
       Bremen. Den KollegInnen von damals ist er als noch etwas schüchterner
       Journalist in Erinnerung, aber ein gewisses Talent hatte er schon. Und
       gelernte Juristen, die auch journalistisch gut schreiben können – das gibt
       es gar nicht so oft.
       
       In den vergangenen Wochen zwischen der Nominierung und dem Amtsantritt war
       Albrecht oft in Schleswig-Holstein unterwegs: „Unglaublich schön“, sagt er.
       Inzwischen ist er aus Brüssel nach Kiel gezogen – den Weg in den Landtag
       kann er per Rad zurücklegen. Auf die neue Tätigkeit freue er sich riesig,
       habe aber auch einigen Respekt: „Es ist eine große Aufgabe.“
       
       ## Digitalisierung und Energiewende
       
       Er will, natürlich, die Digitalisierung voranbringen, auch die Energiewende
       gestalten und durch neue Technologien für eine bessere Nutzung der
       Windkraft sorgen. Auch auf die Bauern ist er schon einen Schritt
       zugegangen: „Landwirte müssen gerade dann, wenn sie auf Klimaschutz und
       Artenvielfalt setzen, von ihrer Arbeit gut leben können“, sagt Albrecht.
       
       Ursprünglich wollte er nach seiner Zeit im EU-Parlament ja noch das zweite
       juristische Staatsexamen machen. Womöglich hätte es dann noch für seinen
       anderen Traum gereicht, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
       Andererseits: Politische Mandate, sagt Albrecht, „sind keine Verweilorte“.
       Wer weiß, was noch kommt.
       
       29 Aug 2018
       
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