# taz.de -- Die Wahrheit: Hygrophobie im Bett
       
       > Regen ist auf der grünen Insel kein Aufreger. Feuchtigkeit im Haus
       > hingegen ist dem Iren ein Graus. Es sei denn, er ist Vermieter.
       
       In Irland erinnert man sich nur noch dunkel an den Sommer. Gab es
       tatsächlich Wassermangel und Rationierungen nach zwei Monaten Trockenheit?
       War die Grüne Insel wirklich braun, weil die Wiesen verdorrt waren? Längst
       hat der Wettergott die Sache wieder ausgebügelt, seit Wochen vergeht kein
       Tag ohne Regen.
       
       Die Iren nehmen es wie immer gelassen hin. Niemand macht sich die Mühe, den
       Mantel zuzuknöpfen, wenn es zu regnen anfängt. Manche halten sich eine
       Zeitung über den Kopf, aber das sind Weicheier. Die feuchte Insel ist das
       Land mit dem geringsten Regenschirmaufkommen in Europa. Wer nass wird,
       trocknet auch wieder, lautet ein Sprichwort. Und das meiste geht ohnehin
       daneben.
       
       Ganz anders sieht es mit der Feuchtigkeit im Haus aus. Da entwickelt der
       Ire Hygrophobie. Muss man in einem fremden Bett schlafen, etwa in einem
       Hotel oder in einer Pension, schiebt man eine Brille zwischen Laken und
       Bettdecke. Beschlägt sie nach ein paar Minuten, schläft man im Sessel.
       
       Wenn man allerdings Vermieter ist, schert man sich nicht um Feuchtigkeit.
       In den einschlägigen Mieterforen werden ständig Tipps ausgetauscht, wie man
       gegen Schimmel und Vermieter vorgehen kann. Eine deutsche Studentin zum
       Beispiel hat vor kurzem in Cork eine kleine Wohnung in Innenstadtnähe
       ergattert. Die lag zwar im Souterrain, kostete 900 Euro im Monat, und der
       Vermieter verlangte eine Monatsmiete Kaution für die schäbigen Möbel, aber
       in Irland gilt so etwas als Schnäppchen.
       
       Doch die Bude stank trotz intensiver Putzaktion. Nach einer Woche trat
       Schimmel an der offenbar frisch übertünchten Wand zutage. Auf dem Fußboden
       tobten Herden von Silberfischen. Schließlich begann es, aus der Deckenlampe
       zu tropfen, so dass die Studentin Reißaus nahm. Ihre Kaution musste sie
       abschreiben.
       
       Ich weiß übrigens seit meiner Zeit in Berlin alles über die Bekämpfung von
       Feuchtigkeit. Damals lebten wir in einer Wohnung im obersten Stock, darüber
       der Dachboden. Von oben kam Feuchtigkeit durch die Decke. Der Hauswirt
       behauptete, wir hätten nasse Windeln auf dem Dachboden aufgehängt. Wir
       benutzten aber Pömpers, und die wäscht man nicht. Eines abends fanden wir
       eine hochtechnische Broschüre über die Trockenlegung von Mauerwerk durch
       Injektionsverfahren mit Spezialchemikalien im Briefkasten. Ich bekam einen
       Wutanfall beschwerte mich beim Hauswirt über seinen lächerlichen Versuch,
       mich zu verarschen. Er spielte das Unschuldslamm.
       
       Ein paar Tage später rief ein Freund an, der bei der Bundesanstalt für
       Materialprüfung arbeitete und sich in seiner Freizeit für die Rettung
       Venedigs einsetzte. Ob wir seine Broschüre ins Englische übersetzen
       könnten? Seitdem bin ich Experte. Wenn man mit diesem Verfahren Venedig
       retten kann, sollte es bei einer feuchten irischen Wohnung erst recht
       funktionieren.
       
       17 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Regen
 (DIR) Schwerpunkt Brexit
 (DIR) Irland
 (DIR) Irland
 (DIR) Irland
 (DIR) Massage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Der Bonbon-Brexit
       
       Schuld am Austritt der Briten aus der Europäischen Union ist ein
       Pfefferminzbonbon, dem das typische Loch verboten wurde.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Deine Nacktheit wird enthüllt
       
       Wie sein Vater, das alte Protestanten-Schlachtschiff Ian Paisley, gibt auch
       der Sohn den korrupten Politiker – nur noch eine Spur miserabler …
       
 (DIR) Die Wahrheit: Vom Chairman zur Chairperson
       
       Sylvia Meehan ist tot. Sie hat der irischen Männerwelt als
       Gleichstellungsbeauftragte auf der Nase herumgetanzt. Nun wird sie
       beerdigt.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Die Gans war eine Ente
       
       Vor 76 Jahren geschah in Dublin eines der grausamsten Verbrechen der
       jüngeren und älteren Geschichte Irlands.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Masseur des Grauens
       
       Werner hörte interessiert zu. Doch der Masseur bearbeitete ihn mit jedem
       Detail seines Lebens härter per Bürste …